# taz.de -- Erster Mai in Frankreich: Kein holder Mai für Macron
       
       > Vereint wie selten wird landesweit und heftigst gegen die Rentenreform
       > protestiert. Laut Gewerkschaften sind mehr als eine Million auf den
       > Straßen.
       
 (IMG) Bild: Bunt und vehement gegen die französische Sozialpolitik: Demonstrant:innen am 1. Mai in Paris
       
       PARIS taz | So viele Demonstrierende gab es in Frankreich am 1. Mai seit
       Langem nicht mehr. In Paris, wo der CFDT-Gewerkschaftsführer Laurent Berger
       von einer „historischen Kundgebung“ sprach, kam es sofort zu
       Konfrontationen zwischen Polizei und einem schwarzen Block. Auch in Nantes,
       Rennes und Lyon verlaufen die Demonstrationen am 1. Mai konfrontativ.
       
       Bei den Umzügen marschieren laut Polizei im Vergleich zu den Vorjahren
       doppelt bis zehnmal so viele Leute mit. Mindestens, so die Gewerkschaften,
       wohl rund 1,5 Millionen. Der Grund: Es geht nicht nur generell um
       Arbeitnehmerrechte, sondern vor allem um die Rentenreform. Diese ist und
       bleibt inakzeptabel für die Gewerkschaften.
       
       Zum ersten Mal seit 2009 und in seltener und kampfentschlossener Eintracht
       haben die französischen Gewerkschaftsverbände am „Tag der Arbeit“
       demonstriert. Diese Einheit ist das Ergebnis des gemeinsamen Kampfs gegen
       [1][eine von Präsident Emmanuel Macron gewollte Rentenreform]. Und mehr
       noch gegen die Art und Weise, wie jene soziale Verschlechterung gegen eine
       breite Ablehnung in der Bevölkerung zuletzt [2][ohne ein Pro des
       Parlaments] für verabschiedet erklärt wurde. Diese (in Frankreich sehr
       seltene) Einheit der Verbände hat seit Mitte Januar allen
       Spaltungsversuchen getrotzt.
       
       Im Zentrum der Forderungen am 1. Mai steht darum erneut [3][die Rücknahme
       dieser Reform]. Sie bedeutet eine Erhöhung des gesetzlichen Rentenalters
       von 62 auf 64 Jahre und unter dem Strich für sehr viele zukünftige Rentner
       geringere Ruhestandsleistungen – weil sie etwa bereits früher aus dem
       Erwerbsleben ausscheiden mussten oder aus anderen Gründen wegen
       ungenügender Beitragszahlungen die Konditionen für eine Vollrente nicht
       erfüllen.
       
       ## Pfannenkonzerte und mehr kämpferischer Einsatz
       
       Der gewerkschaftliche Kampf gegen die Rentenreform ist noch lange nicht zu
       Ende. Der 1. Mai in Frankreich ist wieder ein willkommener Anlass, um zu
       zeigen, dass sich die Erwerbstätigen, die diese Politik laut Umfragen
       unverändert zu fast 90 Prozent ablehnen, nicht geschlagen geben. Seit dem
       Urteil des Verfassungsrats Mitte April, das den Kernpunkt der Reform, die
       Anhebung des gesetzlichen Rentenalters auf 64 Jahre, für gültig erklärt
       hatte, werden die Streiks, Kundgebungen und andere Formen lokaler Aktionen
       fortgesetzt.
       
       Kein Minister und schon gar nicht Premierministerin Elisabeth Borne oder
       Staatspräsident Emmanuel Macron kann derzeit irgendwo im Land einen Besuch
       machen, ohne von Demonstrierenden mit einem lautstarken Pfannenkonzert
       „begrüßt“ zu werden. „Casserolades“ lautet der französische Neologismus für
       diese Proteste. Örtliche Polizeipräfekten wollten anfänglich solche
       Störaktionen nicht bloß auf Distanz halten, sondern gleich verbieten. Es
       brauchte Gerichts- entscheide, um der Staatsführung klarzumachen, dass sie
       sonst demokratische Grundrechte infrage stellen würden.
       
       Auch als beim Finalspiel des französischen Fußball-Cup zwischen Toulouse
       und Nantes am vergangenen Samstag die Gewerkschaften vor dem Stade de
       France in Saint-Denis bei Paris an die Fans nebst Flugblättern auch
       Trillerpfeifen und rote Karten (mit einem Nein zum Rentenalter 64)
       verteilen wollten, reagierten die Behörden zuerst mit einem Verbot. Das
       wurde ebenso rasch von einem Gericht aufgehoben. Beim Betreten des Stadions
       wurden allerdings dann die meisten Anti-Macron-Karten und Lärminstrumente
       konfisziert.
       
       Aus Angst vor Pfiffen und Buhrufen traute sich Macron dennoch nicht auf das
       Spielfeld, um den Siegern des FC Toulouse am Schluss den Pokal zu
       übergeben. Klarer Fall: Die Staatsführung muss nun bei jedem öffentlichen
       Anlass, vom Fußball bis zum traditionellen 1. Mai, mit Protesten rechnen.
       
       1 May 2023
       
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