# taz.de -- Neue EU-Regeln für Lieferketten: Konservative sägen an Gesetz
       
       > Kurz vor der Abstimmung melden mehrere Fraktionen Bedenken an. Ob es das
       > Gesetz am Donnerstag durch das EU-Parlament schafft, ist offen.
       
 (IMG) Bild: Die Baumwollarbeiter in Indien leiden unter einer schlechten Ernte und fallenden Preisen
       
       BRÜSSEL taz | Es soll für menschenwürdige Arbeitsbedingungen sorgen und den
       Klimaschutz stärken. [1][Schon 2021 hat sich das Europaparlament für ein
       Lieferkettengesetz starkgemacht.] Doch nun steht das Vorhaben auf der
       Kippe. Kurz vor der entscheidenden Abstimmung in Brüssel, die am Donnerstag
       geplant ist, stellt sich die größte Parlamentsfraktion quer.
       
       Wie schon beim Klimaschutz sind es deutsche und europäische Konservative,
       die auf der Bremse stehen. „Wir halten die derzeit vorliegenden Texte für
       nicht zustimmungsfähig“, sagt Daniel Caspary, Vorsitzender der deutschen
       CDU/CSU-Gruppe im EU-Parlament. Es sei ein Fehler, in diesen Zeiten über
       das deutsche Gesetz hinauszugehen.
       
       In Deutschland ist im Januar das Gesetz über die unternehmerischen
       Sorgfaltspflichten in Lieferketten in Kraft getreten. Es gilt zunächst für
       Unternehmen mit mindestens 3.000, ab 2024 auch für Unternehmen mit
       mindestens 1.000 Arbeitnehmern im Inland. Das EU-Pendant soll schon ab 250
       Beschäftigen greifen.
       
       Die Christdemokraten wollen sich am deutschen Gesetz orientieren. Doch das
       ist nicht der einzige Streitpunkt. Es geht auch um Klimaschutzpflichten,
       eine zivilrechtliche Haftung bei Verstößen sowie um die Definition der
       Lieferkette – also um die wichtige Frage, ob auch die nachgelagerte
       Wertschöpfungskette erfasst wird. Neben den Konservativen von der EVP und
       der polnisch dominierten EKR zerren auch Liberale und Lobbyisten an dem
       Entwurf, den die EU-Kommission im Februar 2022 vorgelegt hatte. In letzter
       Minute versuchen sie, die mühsam gefundenen Kompromisse aus dem
       federführenden Rechtsausschuss durch Änderungsanträge im Plenum
       aufzuweichen.
       
       ## Grüne und Linke warnen vor Scheitern
       
       Der Ausgang ist ungewiss. Grüne und Linke warnen eindringlich vor einem
       Scheitern. „Europa muss zeigen, dass wir es ernst meinen mit Menschen- und
       Arbeitnehmerrechten“, sagt Helmut Scholz, handelspolitischer Sprecher der
       Linksfraktion. „Heuchelei und faule Kompromisse untergraben unsere
       Glaubwürdigkeit.“ [2][Die Linke unterstützt die Parlamentsposition trotz
       einiger Schwachstellen, etwa beim Opferschutz.] Auch die Grünen machen sich
       für den Kompromiss aus dem Rechtsausschuss stark. Der Vorschlag sei unter
       Führung der konservativen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
       erarbeitet worden, betont die Grünen-Politikerin Anna Cavazzini, die den
       Binnenmarkt-Ausschuss leitet. „Für mich ist es unfassbar, dass nun die
       Abgeordneten der Union ihre Position auf den letzten Metern ändern“, so
       Cavazzini. „Damit stellen sie sich nicht nur gegen Ursula von der Leyen und
       ihren eigenen Verhandler, sondern auch gegen faire Wettbewerbsbedingungen
       sowie den Schutz von Menschenrechten und Umwelt.“
       
       Ganz anders sieht das die Deutsche Industrie- und Handelskammer. Sie setzt
       auf Änderungen, da der Entwurf die Unternehmen unverhältnismäßig belaste.
       Mehr Ehrgeiz fordert dagegen der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv).
       Die EU-Richtlinie müsse wichtige Lücken des deutschen Lieferkettengesetzes
       schließen. So müssten etwa mehr Unternehmen eingebunden werden.
       
       Wenn sich das Europaparlament am Donnerstag einigt, geht es in
       Verhandlungen mit den 27 EU-Staaten. Danach – also nach einem weiteren
       Kompromiss im sogenannten Trilog – kann das Gesetz in Kraft treten.
       
       31 May 2023
       
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