# taz.de -- Neue Gewalt im Kosovo: Präsident unter Druck
       
       > Massendemos und die EU bringen den serbischen Präsidenten Aleksandar
       > Vučić in Bedrängnis. Erstmals wirkt er verwundbar.
       
 (IMG) Bild: Der serbische Präsident Aleksandar Vučić regiert seit zehn Jahren in Belgrad
       
       BELGRAD taz | Serbiens Staatspräsident Aleksandar Vučić steht
       innenpolitisch schwer unter Druck. Seit Anfang Mai organisiert die
       Opposition Proteste unter dem Motto „Serbien gegen die Gewalt“. Vier waren
       es bis jetzt, einer größer als der andere, der fünfte ist für den 2. Juni
       angesagt. Es sind die größten Proteste gegen Vučić, seit der Autokrat vor
       über einem Jahrzehnt in Serbien an die Macht kam. Hunderttausende gehen auf
       die Straße. Das Boot, in dem der Präsident sitzt, es schaukelt, zum ersten
       Mal wirkt er verwundbar.
       
       Gleichzeitig steigt der westliche Druck auf ihn, endlich Sanktionen gegen
       Russland zu verhängen, dessen Präsident Wladimir Putin seit mehr als einem
       Jahr einen [1][Angriffskrieg gegen die Ukraine] führt. Serbien als
       EU-Beitrittskandidat weigert sich fortwährend, seine Außen- und
       Sicherheitspolitik der Europäischen Union anzupassen.
       
       Der dritte Brocken, der schwer an Serbiens Präsident hängt, ist eben das
       Kosovo. Serbische gleichgeschaltete Medien verbinden das alles in tollen
       Verschwörungstheorien: Die Feinde Serbiens würden die jüngsten Demos
       anspornen mit dem Ziel, Vučić zu stürzen – weil sie wüssten, dass er nie
       und nimmer die Unabhängigkeit des Kosovos anerkennen würde, heißt es. Und
       wer sind die Feinde Serbiens? Natürlich alle, die Vučić kritisieren.
       
       Derweil sind die Reaktionen aus der EU deutlich in Bezug auf die jüngsten
       Ausschreitungen [2][gegen Nato-KFOR-Truppen in Nordkosovo]: „Was hier
       geschieht ist absolut inakzeptabel und unverantwortlich. Wir werden keine
       weiteren Angriffe auf die KFOR dulden“, schrieb die italienische
       Ministerpräsidentin Giorgia Meloni in einer auf Twitter veröffentlichten
       Mitteilung.
       
       Das denken wohl auch viele andere europäische Staats- und Regierungschefs.
       Doch öffentlich sind die Reaktionen zurückhaltend. Denn die Serben tragen
       nicht allein die Schuld an diesem Ausbruch der Gewalt, bei dem
       Blendgranaten, Tränengas, Flaschen, Steine und selbst gebastelte
       Brandbomben durch die Luft flogen. Auch die kosovarische Regierung in
       Prishtina hat zu diesem Tohuwabohu beigetragen.
       
       Der Konflikt, der zu dem Gewaltausbruch führte, begann vor über einem
       halben Jahr. Die Regierung in Prishtina wollte die im Kosovo lebenden
       Serben zwingen, ihre in Serbien registrierten Autos auf kosovarische
       Kennnummern umzuregistrieren. Serben, die die Unabhängigkeit des Kosovos
       nicht anerkennen, lehnten das ab. Die kosovarische Polizei drohte mit
       Strafmaßnahmen. Aus Protest zogen dann Serben, in Absprache mit Vučić, ihre
       Leute aus allen kosovarischen Institutionen ab.
       
       Der serbische Tennisstar Novak Đoković schrieb indes am Dienstag nach
       seinem ersten Sieg bei den French Open in den sozialen Medien: „Kosovo ist
       das Herz Serbiens.“ Er fühle sich verpflichtet, seine Landsleute zu
       unterstützen, erläuterte er, sein Vater stamme ja aus dem Kosovo, das den
       Serben völkerrechtswidrig entrissen worden sei.
       
       30 May 2023
       
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 (DIR) Andrej Ivanji
       
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