# taz.de -- Krise bei US-Sender: Licht aus bei CNN
       
       > CNN-CEO Chris Licht ist entlassen worden. Das hat mit seiner
       > Persönlichkeit zu tun, ist aber auch Symptom der Krise der
       > US-Politberichterstattung.
       
 (IMG) Bild: Chris Licht bei der Gala zum 100. Geburtstag des „Time Magazine“ im Juni 22 in New York
       
       So schnell geht’s selten: Nach nur einem Jahr im Amt verliert Chris Licht
       seinen Posten als CEO von CNN. Der 51-Jährige hatte die Stelle im Mai 2022
       angetreten, nachdem Warner den Sender gekauft hatte. Licht galt dann auch
       als Vollstrecker des Willens des Warner-Vorsitzenden. Sein Ziel war für
       einen Medienmanager typisch: höhere Quoten.
       
       Seine Strategie jedoch erschien alles andere als gewöhnlich: Licht wollte
       das Programm einem breiteren Publikum öffnen – einem konservativeren.
       Während der Trump-Ära war CNN in den Ruf einer Bastion der liberalen Gegner
       des rechtspopulistischen Präsidenten gekommen und hatte sich damit den
       Vorwurf der Parteinahme eingehandelt, was den Sender für viele Konservative
       unattraktiv machte.
       
       Licht wollte CNN mit einer spektakulären Aktion aus dieser politischen Ecke
       holen: Im Mai veranstaltete der Sender eine „Town Hall“, [1][ausgerechnet
       mit Donald Trump.] Vor einem Livepublikum, das zu einem großen Teil aus
       Anhängern des einstigen US-Präsidenten bestand, konnte Trump
       unwidersprochen eine Reihe an falschen Aussagen verbreiten und der
       Moderatorin Beleidigungen an den Kopf werfen.
       
       Trump behauptete unter anderem, die Wahl 2020 sei manipuliert worden, und
       leugnete, [2][die Schriftstellerin E. Jean Carroll] je getroffen zu haben,
       die ihn der Vergewaltigung bezichtigt. Und das, obwohl er kurz zuvor von
       einem Geschworenengericht wegen sexueller Übergriffe gegen Carroll zu einer
       Geldstrafe verurteilt worden war.
       
       Das „Town Hall“-Event wurde weithin als journalistisches Desaster bewertet.
       Licht sah die Show jedoch als vollen Erfolg. Sie habe den US-Amerikanern
       gezeigt, was bei der kommenden Wahl auf dem Spiel stünde. Dass Trump live
       ungefiltert Lügen verbreiten konnte, schien er nicht zu hinterfragen. Ein
       Quotenerfolg war das Event nicht. Mit einem Publikum von 3,3 Million
       blieben die Massen aus.
       
       ## Stimmung miserabel
       
       Auch in Sachen Eigen-PR schadete sich Licht selbst: Knapp drei Wochen nach
       der Trump-Veranstaltung erschien auf der Website von The Atlantic ein
       ausführliches und handwerklich hoch gelobtes Porträt über Licht. Der
       Reporter begleitete Licht auf dessen eigene Einladung hin über mehrere
       Monate, auch in der Freizeit, und sprach mit über 100 Mitarbeiter*innen.
       Es wurde eine Geschichte über Lichts Unzulänglichkeiten unter dem Titel
       „Kernschmelze bei CNN“. Die Stimmung unter Licht sei miserabel und alle
       seine taktischen Entscheidungen seien nach hinten losgegangen.
       
       Lichts Ziel, mehr Zuschauer*innen zu CNN zu holen, war ehrgeizig. Die
       US-Fernsehlandschaft leidet seit Jahren unter einbrechenden Quoten.
       Statistiken von S&P Global Market Intelligence zeigen, dass weniger als 40
       Prozent der US-amerikanischen Haushalte über einen (nicht gerade günstigen)
       Kabel- oder Satellitenanschluss verfügen. 2016 waren es noch über 70
       Prozent.
       
       Bereits vor 2016 sanken die Zuschauer*innenzahlen, aber die Wahl Trumps
       und die damit einhergehende politische Aufregung der US-Öffentlichkeit
       verlieh vielen angesehenen Medien einen Boost – den sogenannten Trump-Bump.
       Alle Newsrooms berichteten über Trumps Tweets und Grenzüberschreitungen und
       zogen damit viel Publikum an, das sich das Spektakel nicht entgehen lassen
       wollte.
       
       ## Interesse verloren, sobald Trump von Fläche verschwand
       
       Doch nachdem der kontroverse Präsident abgewählt war, verloren viele wieder
       das Interesse an ständigen News-Updates. Nach [3][Bidens Amtsantritt]
       sanken die Zahlen dramatisch. Jüngst beschleunigte sich der Abwärtstrend
       sogar. Im Jahr 2022 verringerten sich die durchschnittlichen
       Einschaltquoten von CNN im Vergleich zum Vorjahr um ein Drittel. Lichts
       Versuch, via Trump die damalige Energie anzuzapfen, scheiterte.
       
       Auch die veränderte Mediennutzung macht den traditionellen
       Cable-News-Sendern zu schaffen. Der Trend geht weg vom Fernsehen hin zu
       Online-Plattformen. Trumps Konkurrent aus Florida, Ron DeSantis, kündigte
       seine Präsidentschaftskandidatur mithilfe von Elon Musk im Livestream auf
       Twitter an. Mit dem Umzug zu Twitter ist er nicht allein. Auch der
       ehemalige Fox-Host Tucker Carlson hat dort seine eigene Show, nachdem er
       bei Fox entlassen wurde. Lichts Nachfolger wird bei CNN also große
       strukturelle Probleme zu lösen haben.
       
       12 Jun 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Valérie Catil
       
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