# taz.de -- Entsorgung von Castor-Transportbehältern: Verschrottet wie ein altes Fahrrad
       
       > Der Betreiber des Gorlebener Zwischenlagers lässt alte Castor-Hauben
       > verschrotten. Atomkraftgegner warnen vor der Strahlung und fordern ein
       > Freimessen.
       
 (IMG) Bild: Möglicherweise strahlend: Transporthüllen für Castorbehälter in der sogennante „Kartoffelscheune“
       
       GÖTTINGEN taz | Atomkraftgegner im Wendland zeigen sich schwer irritiert.
       Mit „großer Besorgnis“ habe man aus der Lokalpresse erfahren, dass
       Transporthüllen von Castorbehältern auf einem ganz normalen Schrottplatz
       entsorgt würden, ohne dass diese vorher freigemessen worden seien, sagt
       Wolfgang Ehmke, Sprecher der Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz
       Lüchow-Dannenberg. Die bundeseigene Gesellschaft für Zwischenlagerung
       (BGZ), Betreiber der beiden Gorlebener Atommüllzwischenlager, habe die
       metallenen Hauben von einem Schrotthändler in der Kreisstadt Lüchow
       schreddern lassen.
       
       In der Castorhalle im Gorlebener Wald, einem der beiden Zwischenlager,
       strahlen 113 mit hoch radioaktivem Atommüll befüllte Behälter vor sich hin.
       Sie wurden [1][zwischen 1995 und 2011 in insgesamt 13 Transporten] gegen
       den erbitterten Widerstand Tausender Atomgegner ins Wendland gebracht – bis
       Dannenberg mit der Bahn, von dort per Tieflader auf der Straße nach
       Gorleben.
       
       Die Castoren sollten eigentlich zu einem späteren Zeitpunkt in dem wenige
       Hundert Meter entfernten unterirdischen Salzstock verbuddelt werden, der
       jahrzehntelang als einziger Standort für ein atomares Endlager untersucht
       wurde.
       
       Nach dem Neustart der Endlagersuche schied Gorleben 2020 aus dem Verfahren
       aus. [2][Bis ein neuer Standort gefunden und ein Endlager gebaut ist,
       werden noch mehrere Jahrzehnte vergehen]. So lange müssen die
       Castorbehälter in der von vielen Einheimischen so genannten
       „Kartoffelscheune“ verbleiben.
       
       ## Wände, dünner als 50 Zentimeter
       
       Dieser Name für den wuchtigen, fensterlosen Bau sei damals schnell
       entstanden, erinnert sich Wolfgang Ehmke: „Die ‚Kartoffelscheune‘ heißt so,
       weil die Halle lediglich Schutz vor schlechtem Wetter bietet.“ Nur die
       Castoren selbst sollten den Schutz vor der Strahlung oder vor
       Flugzeugabstürzen und Terroranschlägen garantieren. Die Wände seien zum
       Teil dünner als 50 Zentimeter.
       
       Während der ersten Transporte waren die tonnenschweren Behälter mit Planen
       abgedeckt, später wurden diese Planen durch metallene Transporthauben
       ersetzt. Die Hauben lagerten nach der Nutzung in einer eigens dafür
       hergerichteten Halle. Um Platz zu schaffen, ließ die BGZ nun mehrere dieser
       Hauben in Lüchow verschrotten, wie ein Unternehmenssprecher gegenüber der
       Elbe-Jeetzel-Zeitung (EJZ) bestätigte. Gesundheitliche oder andere
       nachteilige Auswirkungen habe das nicht gehabt.
       
       Eine besondere Behandlung hätten die alten, jetzt verschrotteten
       Transporthüllen auch nicht benötigt, so die BGZ. Sie seien nämlich zu
       keinem Zeitpunkt mit dem Inhalt der Transportbehälter in Berührung
       gekommen. Schließlich seien die Behälter so konstruiert worden, dass der
       strahlende Schrott darin gänzlich von der Atmosphäre abgeschirmt werden
       könne. Die Integrität, also die Dichtheit der Behälter, sei zu jedem
       Transport-Zeitpunkt gewährleistet gewesen. Daher hätten die Transporthüllen
       auch nicht freigemessen werden müssen, bevor sie die Gorlebener Anlage
       verließen. Sie seien, „wenn man so will, ganz normales Altmetall“.
       
       Die Bürgerinitiative widerspricht der Darstellung. Beim Transport der
       Castoren seien die Transporthüllen einer „unvorstellbar hohen
       Neutronenstrahlung“ ausgesetzt gewesen, sagt Ehmke. Es sei zu vermuten,
       „dass bei der sogenannten Neutronenaktivierung die Atomkerne der
       Transporthülle Neutronen einfangen“.
       
       Die Hauben könnten also möglicherweise selbst radioaktiv geworden sein und
       Strahlung abgeben. Die Darstellung der BGZ, dass die Abschirmungen mit dem
       Behälterinneren keinen Kontakt hatten, gehe deshalb „am Kern des Problems
       vorbei“, betont der BI-Sprecher.
       
       Aus seiner Sicht hätte es vor der Verschrottung eine „Freimessung“ der
       Transporthauben geben müssen, wie sie in der Strahlenschutzverordnung
       beschrieben sei. [3][Der Begriff „Freimessen]“ bedeutet in der Atomtechnik
       den Nachweis, dass bestimmte, vor allem beim Rückbau oder Abriss einer
       nuklearen Anlage anfallende Rückstände wie Bauschutt und Metallteile so
       wenig radioaktive Strahlung aufweisen, dass sie nicht mehr überwacht werden
       müssen.
       
       ## Bürgerinitiative will sich an Atomaufsicht wenden
       
       „Für uns ist völlig ungeklärt, warum diese Freimessung nicht erfolgt ist“,
       sagt Ehmke. „Und dass dadurch Arbeiter möglicherweise in Gefahr gebracht
       wurden.“ Eine Montagmorgen gestellte Anfrage der taz dazu ließ die BGZ bis
       zum Nachmittag unbeantwortet. Die Bürgerinitiative will sich in der Sache
       jetzt an die Atomaufsicht im niedersächsischen Umweltministerium wenden.
       
       Dass nun einige der alten Hüllen verschrottet werden, verzögert nach
       Angaben der BGZ keinesfalls den späteren Abtransport der Castoren. Alle in
       Gorleben lagernden Behälter hätten „verkehrsrechtliche Zulassungen“ und
       könnten jederzeit in das künftige Endlager gefahren werden.
       
       Und auch nur noch dorthin, denn das sei gesetzlich so geregelt: „Die
       Behälter dürfen nur noch genau einmal transportiert werden – eben in ein
       Endlager“, heißt es seitens der BGZ. Da es mit der Suche, Planung und dem
       Bau dieses Endlagers aber noch lange dauere, stellten die verschrotteten
       Transporthüllen auch „kein Transporthemmnis“ dar.
       
       12 Jun 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Atommuellzwischenlager-Gorleben/!5827707
 (DIR) [2] /Lagerstaette-fuer-Atommuell/!5901381
 (DIR) [3] https://de.wikipedia.org/wiki/Freimessen
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reimar Paul
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Castor
 (DIR) Gorleben
 (DIR) Schwerpunkt Atomkraft
 (DIR) Atommüll
 (DIR) Radioaktivität
 (DIR) Strahlung
 (DIR) Atomenergie
 (DIR) Schwerpunkt Atomkraft
 (DIR) Atommüllentsorgung
 (DIR) Anti-Atom-Bewegung
 (DIR) Atomkraftwerk
 (DIR) Endlagerfrage
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Atommüll-Transporte: Sicherheitslücken bei Castor-Proben
       
       Bis zu 152-mal soll hochradioaktiver Atommüll über NRWs Autobahnen rollen –
       doch Übungsfahrten offenbaren Sicherheitslücken.
       
 (DIR) Zwischenlager für Atommüll: Aller Müll nach Niedersachsen
       
       Der Landshuter Landrat plädiert für ein einziges Zwischenlager statt 16.
       Gorleben eigne sich am besten, meint der Politiker der Freien Wähler.
       
 (DIR) Ausgestrahlt-Sprecher über Endlagersuche: „Von Beteiligung keine Spur“
       
       Zehn Jahre Atommüll-Endlagersuche haben Helge Bauer enttäuscht. Er weiß,
       was sich ändern müsste, damit das Verfahren nicht erneut vor die Wand
       fährt.
       
 (DIR) Geschichte der Anti-AKW-Bewegung: Atomkraft? Tschüs und nein danke!
       
       Seit 50 Jahren protestieren Menschen gegen Atomkraft. Mitte April werden
       die letzten AKWs abgestellt. Hat die Bewegung ihr Ziel erreicht?
       
 (DIR) Rückbau von Kernkraftwerken: Wie zerlegt man ein Atomkraftwerk?
       
       In Lubmin wird das komplette AKW Greifswald demontiert und verpackt, und
       das seit fast 30 Jahren. Warum dauert das so lang? Ein Besuch im
       Schutzanzug.
       
 (DIR) Lagerstätte für Atommüll: Im Worst Case erst 2068
       
       Die Suche nach dem Ort, wo der Atommüll gelagert werden soll, zieht sich
       hin. Im Extremfall könnte es erst in 40 Jahren eine Entscheidung geben.