# taz.de -- Vorwürfe gegen Rammstein: Das Patriarchat hat Angst vor Gen Z
       
       > Die Metal-Szene schweigt zum #MeToo-Skandal um Rammstein-Sänger Till
       > Lindemann. Dabei braucht es keine juristisch geprüften Straftatbestände,
       > um Kritik zu üben.
       
 (IMG) Bild: Publikum beim Rammstein-Konzert am 7. Juni in München
       
       Als ich das Video von Youtuberin Kayla Shyx zu Ende geschaut hatte, fiel es
       mir schwer, vor meinem Monitor nicht zu weinen. Sie erzählt davon, wie
       [1][junge Frauen auf Rammstein Konzerten offenbar rekrutiert] und
       aufgefordert werden, Sex mit Frontsänger Till Lindemann zu haben. Ich
       konnte kaum einen klaren Gedanken fassen und verstand zum ersten Mal, was
       das für ein System sein muss und wie viele junge Frauen seit Jahren
       offenbar darunter gelitten haben.
       
       Das zu realisieren, fällt mir immer noch schwer. Aber mir kam mittlerweile
       eine zumindest in Teilen positive Erkenntnis: Was da grade passiert, ist
       ein gutes Zeichen. Da sind junge Frauen, einige Anfang 20, die sich trauen,
       das alles öffentlich zu machen – die der scheinbaren Übermacht der Band und
       ihrer Kontakte in der Musikindustrie trotzen und mit dem Erlebten an die
       Öffentlichkeit gehen.
       
       Der Youtuber Alexander Prinz sprach in seinem jüngsten Video zur ganzen
       Causa Rammstein davon, dass nahezu die gesamte Musikbranche schweigt, weil
       die Band mächtiger sei, als man es sich von außen vorstellen könne. Wenn
       jemand wie Prinz das sagt, der in der Metal-Szene viel herumkam und nah am
       Umfeld der Band stand, kann man den Einfluss nur erahnen.
       
       Und es bedeutet: Diese jungen Frauen sind unfassbar mutig. Mit welch
       enormer Kraftanstrengung gerade versucht wird, ihre Erzählungen zu
       diskreditieren, zeigt, dass die Männerwelt plötzlich Angst bekommt. Angst,
       dass Machtstrukturen, die systematische sexuelle Übergriffe,
       Vergewaltigungen und Drogenmissbrauch ermöglichen, nach Jahrzehnten ins
       Wanken geraten könnten.
       
       Dass neben diesen jungen Frauen weitere Betroffene, die noch nicht
       öffentlich sprechen wollen, mittlerweile mit großen Medienhäusern in
       Kontakt stehen und dort unter Abgabe von eidesstattlichen Versicherungen
       ihre Erlebnisse schildern, ist ein Erfolg. Er gehört den jungen Frauen, die
       in den letzten Tagen den Mut besaßen, an die Öffentlichkeit zu gehen. Das
       ist der Feminismus der Generation Z und er wird dem [2][Patriarchat] ganz
       offensichtlich gefährlich.
       
       Dass das so ist, zeigen Gegenreaktionen: Völlig sinnentleert und
       reflexartig wird von „Unschuldsvermutung“ geraunt, als wäre die Maxime
       öffentlicher Kritik die gerichtliche Feststellung von Straftatbeständen.
       Wie absurd dieser Reflex ist, wird im Vergleich mit anderen Fällen
       deutlich. Denn wir dürften keinen systematischen [3][Missbrauch mehr in der
       katholischen Kirche] benennen, weil es zwar Unmengen an gut dokumentierten
       Recherchen und Belegen gibt, aber nur wenige Priester je vor einem Gericht
       verurteilt wurden. Wir sollten uns also nicht nur mit Problemen
       beschäftigen und diese kritisieren, wenn sie den Tatbeständen des
       Strafgesetzbuches entsprechen.
       
       Ich glaube, wer sich mit juristischen Argumentationen rauszureden versucht,
       hat Angst, sich mit der Außenwelt auseinanderzusetzen. Und wer das nur
       selektiv im Fall von Vorwürfen sexualisierter Gewalt macht, hat vielleicht
       Angst, in dieser Auseinandersetzung zu Erkenntnissen zu kommen, die ihn
       persönlich betreffen.
       
       Was gerade in Bezug auf Rammstein passiert, ist deshalb so wichtig, weil es
       zeigt, wie sehr wir den Feminismus im Jahr 2023 brauchen. Während der
       [4][Feminismus von Alice Schwarzer] trans Frauen ausschließt und im Kontext
       von sexuellen Übergriffen davon spricht, ob Frauen Miniröcke tragen, greift
       die Gen Z das Patriarchat dort an, wo es sich am sichersten fühlt:
       Backstage.
       
       17 Jun 2023
       
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