# taz.de -- Todesfälle durch Ecstasy: Keine Macht den Drogenirrtümern
       
       > Zwei Teenagerinnen sind an Ecstasy gestorben. Statt Verboten braucht es
       > eine bedachte Legalisierung, eine kontrollierte Abgabe und mehr
       > Hilfsangebote.
       
 (IMG) Bild: Die Ecstasy-Pille „Blue Punisher“
       
       Zwei Teenagerinnen im Alter von 13 und 15 Jahren starben in den vergangenen
       Tagen am Konsum von zu hoch dosierten Ecstasy-Pillen mit dem Namen „Blue
       Punisher“. Weitere Jugendliche befinden sich nach einer Überdosis im
       Krankenhaus. Die mutmaßlichen Dealer werden strafrechtlich verfolgt, gegen
       einen Verdächtigen wurde Haftbefehl erlassen.
       
       Die Fälle sorgen für große Empörung innerhalb der Gesellschaft, was daran
       liegen mag, dass beide Opfer minderjährig waren. In den sozialen Medien
       äußern Nutzer:innen großes Unverständnis für Drogenkonsum und fordern
       ein hartes Vorgehen gegen die verantwortlichen Dealer. Auch Brandenburgs
       Innenminister Michael Stübgen von der CDU behauptet, der Fall würde „auf
       dramatische Weise“ zeigen, warum der Kampf gegen die Rauschgiftkriminalität
       so wichtig sei.
       
       Die beiden Fälle lassen sich jedoch in eine [1][Kette etlicher
       drogenbedingter Todesfälle] in Deutschland einreihen: 2022 zählte man 1.990
       Menschen, die an illegalen Drogen gestorben sind. Gleichzeitig sterben in
       Deutschland jährlich schätzungsweise 74.000 Menschen an Alkohol oder durch
       kombinierten Konsum von Alkohol und Tabak. Nicht alle Toten durch illegale
       Drogen verstarben an einer Überdosis; ein großer Teil starb an Drogen-,
       insbesondere Heroinsucht über einen längeren Zeitraum oder anderen
       gesundheitlichen Problemen aufgrund regelmäßigen Drogengebrauchs.
       
       Die Zahl ist in den vergangenen Jahren gestiegen, nicht zuletzt, weil die
       Politik über Jahrzehnte wissenschaftliche Befunde zum Thema ignorierte und
       [2][stattdessen die Schuld bei den Substanzen selbst, Konsument:innen
       oder Dealer:innen suchte]. Tatsächlich sind nicht die Substanzen das
       Problem, sondern, dass sie unkontrolliert, gestreckt und verunreinigt an
       unaufgeklärte Konsument:innen verkauft werden, die bei Bedarf keine
       ausreichende Hilfe erhalten. Und das Gesundheitssystem gewährleistet keine
       ausreichende Gesundheitsversorgung für Menschen mit drogenbedingten
       Gesundheitsproblemen.
       
       ## Schon lange Umdenken gefordert
       
       Betroffenenverbände, Wissenschaftler:innen und Drogengebrauchende
       fordern seit Jahren in überwältigender Mehrheit ein Umdenken. Nämlich: Auf
       Strafverfolgung zu verzichten, [3][auch harte Drogen bedacht zu
       legalisieren], Gesundheits- und Hilfsangebote zu verbessern, Drugchecking
       auszubauen und eine regulierte Abgabe von Partydrogen zu ermöglichen, zum
       Beispiel durch Apotheken, die geprüfte Stoffe zu festen Preisen verkaufen.
       Durch eine Legalisierung kann sowohl der Inhalt der Drogen als auch das
       Alter der Konsument:innen kontrolliert, der Schwarzmarkt ausgetrocknet
       und somit Schaden begrenzt werden.
       
       Philine Edbauer von der drogenpolitischen Initiative My Brain My Choice
       beklagt, dass aktuell Konsument:innen mit ihren Problemen allein
       gelassen und sowohl der gelegentliche Gebrauch von harten Drogen als auch
       Drogensucht tabuisiert würden. „Viele trauen sich nicht, sich rechtzeitig
       Hilfe zu holen“, so Edbauer. Präventions- und Aufklärungsangebote sind
       bisher spärlich, obwohl eine Intensivierung der Strafverfolgung in der
       Vergangenheit nachweislich keine Drogentoten verhindert hat.
       
       Bis heute werden Polizeibeamte an Schulen geschickt, um jungen Leuten zu
       erzählen, dass Drogen per se schlecht seien. Allerdings hat mehr Polizei,
       die in „kriminalitätsbelasteten“ Gebieten zur Verhinderung von Drogenhandel
       eingesetzt wurde, häufig höchstens [4][zu einem Anstieg von racial
       profiling geführt] und nicht dazu, das Drogenproblem zu lösen.
       
       ## Progressive Drogenpolitik
       
       Zumindest gibt es bereits verschiedene Möglichkeiten, den Inhalt von Drogen
       zu untersuchen. Über Apps können beispielsweise Dosierungen von
       Ecstasytabletten gecheckt werden. Auch Berlin stellt [5][mit seinem neuen
       Drugcheckingprojekt] – hier können Menschen anonym Substanzen etwa auf
       Überdosierung oder Verunreinigung analysieren lassen – einen Vorreiter in
       puncto progressiver Drogenpolitik dar.
       
       Die Informationen, die durch kleinere Projekte und Initiativen wie My Brain
       My Choice, SONAR Berlin, den Nachtschattenpodcast und andere verbreitet
       werden, sind vorhanden. Sie müssten nur in eine klügere Drogenpolitik
       umgesetzt werden.
       
       29 Jun 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anastasia Tikhomirova
       
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