# taz.de -- Künstliche Intelligenz in der Musik: Vielleicht komponiert die KI besser
       
       > Schon lange verbindet sich in der Musik menschliches Schaffen mit
       > maschineller Hilfestellung. Warum sollen dann nicht auch KI-Werke
       > preiswürdig sein?
       
 (IMG) Bild: Ohne Autotune kein Hit, aber auch im Folk und in der Klassik geht kaum etwas ohne Equalizing und Hall
       
       Breaking News: Handgemachte Musik ist gar nicht handgemacht! Sie wird in
       Wahrheit von den Membranen in der Lautsprecherbox erzeugt. Die Membranen
       werden wiederum von Stromstößen getriggert, die ein Verstärker oder ein
       Abspielgerät abgesendet hat. Diese Apparate tun das, weil ein Medium –
       Datei, Tonträger – ihnen den Befehl dazu gegeben hat.
       
       Der Weg zu den Händen ist noch immer weit. Er führt uns schließlich in ein
       Studio, in dem Klänge erzeugt und fixiert werden. Werden sie via
       Musikinstrumente erzeugt, sind wir schon fast bei den Händen. Aber
       dazwischen steht noch mal ein gewichtiger Schritt: Der von Händen auf dem
       Instrument erzeugte Schall wird über Mikrofone oder Direktabnahmesysteme
       ins Mischpult geleitet, wo ihm nicht selten erhebliche Gewalt angetan wird.
       
       Die Charakteristik des Frequenzgangs, die Tonhöhen und die Räumlichkeit
       werden mitunter so drastisch verändert, dass sich der handgemachte Klang im
       Spiegel nicht wiedererkennen würde. Aber Hände sind ohnehin überbewertet:
       Nicht sie denken sich Musik aus, das macht irgendein in einem
       Schädelknochen gut abgesichertes Brain. Wenn es die Hände zum
       Erfüllungsgehilfen bestimmt – okay. Es kann aber auch anders.
       
       Ich beschreibe diesen eigentlich bekannten Prozess, um mein Kopfschütteln
       zu erklären angesichts der Abwehrhaltung gegenüber [1][vermeintlicher
       KI-erzeugter Musik]. Manche glauben gar, KIs seien Aliens, die plötzlich
       von irgendwoher gekommen sind und nun den Laden übernehmen wollen. Dabei
       sind es doch wir, die sie nicht nur gerufen, sondern – weil sie nicht
       gleich gekommen sind – eben in der Garage selbst zusammengelötet haben. Nun
       soll alles schlecht sein?
       
       Wie wir oben gesehen haben, gibt es (auch) in der Musik keine Reinheit.
       Menschliches Schaffen verbindet sich mit maschineller Hilfestellung. Ohne
       Autotune kein Hit, aber auch im Folk und in der Klassik geht kaum etwas
       ohne Editieren, Equalizing und Hall. Es gibt keine reine, menschliche
       Musik, die KI-Aliens nun ruinieren könnten (oder, noch schlimmer: das
       Copyright für sich beanspruchen wollen).
       
       Dennoch beeilte sich die „Recording Academy“, die US-Behörde, die jährlich
       die Grammys verleiht, zu versichern, dass KI-Gesang und KI-Kompositionen
       nicht preiswürdig seien. Lediglich dann, wenn ein*e menschliche*r
       Schöpfer*in „am Steuer sitzt“, so erklärte es Recording-Academy-CEO
       Harvey Mason Jr. dem Magazin Rolling Stone, könne ein Werk ausgezeichnet
       werden. Heißt: Wenn ein*e menschliche*r Performer*in eine
       KI-Komposition singt, kann diese Performance preisgekrönt werden, nicht
       jedoch die Komposition. Auch wenn’s ein Killersong ist.
       
       Doof, oder? Und ungerecht. Vor allem aber: gegen das Publikum. Denn trotz
       allen von unterschiedlichsten Stimmen geäußerten leidenschaftlichen
       Bekenntnissen zu Manufactum-mäßig handgemachter Musik aus alten Reben: In
       Wahrheit will das kaum jemand hören. Menschlich ist ja ganz nett, aber zu
       limitiert und fehleranfällig.
       
       Fängt man an, die Fehler nachträglich zu berichtigen und tausendmal gehörte
       Instrumentalsounds aufzuhübschen, landet man schnell bei Maschinentools,
       die Fehler gar nicht erst begehen und eine Zillion klanglicher
       Möglichkeiten bieten. Da bringt die Arbeit gleich viel mehr Spaß! Und das
       Publikum? Liebt es! Denn unmenschliche Perfektion ist ohnehin das von
       vielen Menschen angestrebte Ideal, in der Kunst wie bei den eigenen
       Alltagsperformances bis zum Aussehen.
       
       Mal davon abgesehen, dass KIs am selben Fundus auffindbarer Musikaufnahmen
       trainiert werden, aus dem jede*r menschliche Schöpfer*in die Inspiration
       zieht – geht es nicht auch um Fortschritt? Wäre es nicht superspannend, KIs
       an komplett unkompatiblen Kombinationen zu trainieren (nur mal so als
       Beispiel)? Könnten sie nicht reihenweise unsichtbare Barrieren einreißen
       und uns ein paar entscheidende Fußtritte verpassen, die uns zurück auf den
       Weg nach vorne bringen?
       
       Aber vielleicht hat die Recording Academy auch nur Angst vor der
       Dankesrede, in der ein C-3PO auf die Bühne stakst und sich mit vor
       Gerührtheit brechender Stimme bei den Drähten, Halbleitern, Watts und Volts
       bedankt, die seine preisgekrönte Performance erst möglich gemacht haben.
       
       5 Jul 2023
       
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