# taz.de -- Die Wahrheit: Die sieben Plagen von Kreuzberg
       
       > Es wird biblisch im alltäglichen Leben. Das Ende ist nahe! Oder
       > vielleicht doch nicht. Aber die Vorzeichen der Apokalypse strahlen
       > heller.
       
       Die christliche Kirche gegenüber, die bislang – passend zu unserem
       heidnisch-muslimischen Kiez – nicht etwa zur Messe, sondern zuverlässig
       säkular zum Frühschoppen (12 Uhr) und zum Krankenhaus-Abendbrot (18 Uhr)
       bimmelte, läutet neuerdings zu merkwürdigen Zeiten: Gestern schrak ich um
       13.17 Uhr aus einem gemütlichen Nach-Frühstücks-Nickerchen, heute läutete
       es um 21.53 Uhr Sturm.
       
       Als ehemalige Leseratte, die die „Fünf Freunde“-Reihe genauso systematisch
       verschlang wie das Alte und Neue Testament, weiß ich, was das bedeutet.
       Entweder ist ein irrer Serienmörder ausgebrochen. Oder es kommt die große
       Flut, die alle Sünden hinwegspült.
       
       Ich tippe auf Letzteres. Denn auf dem nächtlichen Nachhauseweg bedrohte
       mich neulich ein, wenn auch recht übersichtlicher Heuschreckenschwarm. Das
       lässt nur eine Schlussfolgerung zu: Es handelt sich um die sieben Plagen
       der Endzeit aus der Offenbarung des Johannes.
       
       Das ist nicht ganz so schlimm, wie es sich anhört, denn wir haben
       erstaunlicherweise bereits die Hälfte der Strecke hinter uns, ohne dass
       groß etwas passiert ist: Plage Numero vier (sengende Sonne) ist längst
       akut. Plage Numero eins (die Heuschrecken) kann man seit neulich ebenfalls
       abhaken, zumindest für Kreuzberg. Die thematisch aus zwei unterschiedlichen
       Apokalypsen etwas wahllos zusammengestellt wirkende Plage Numero sechs
       (Armeen bereiten sich auf den Weltkrieg vor; Austrocknung des Stromes
       Euphrat) beschreibt im ersten Teil das Verhalten mehrerer aktueller
       Großmächte, zum zweiten ereilt das Euphrat-Schicksal momentan fast alle
       Flüsse vom Rhein bis zum Po, der bekanntlich ganz schön im Arsch ist.
       
       Die zweigeteilte Plage Numero sieben (Erdbeben; großer Hagel) ist immerhin
       zu 50 Prozent eingetreten: „Hagelkörner groß wie Tennisbälle“ wurde zuletzt
       aus Bayern vermeldet. Nur das „zu Blut werden“ von Meerwasser, Flüssen und
       Quellen lässt etwas auf sich warten, und wie man „das Reich des Tieres
       verfinstert“, ist mir noch nicht klar: Ist das „Tier“ nicht ein Synonym für
       den Antichristen, und ist es bei dem da unten nicht eh ziemlich dunkel?
       
       Nun ja, ich werde es erleben. Denn trotz meiner bestimmt nachvollziehbaren
       Neugier kann ich mich einfach nicht dazu überwinden, den Wachturm zu lesen,
       und werde darum entweder beim nächsten großen Läuten mit all den anderen
       armen Sündern in der letzten Schlacht zu Harmagedon in die Hölle
       einziehen. Oder wir alle passieren auch die zweite Hälfte der sieben Plagen
       ohne große Folgen, bis auf die eingedellten SUVs in Bayern.
       
       Vielleicht sollte man die sieben Plagen lieber in „sieben etwas ungelegen
       kommende Zeichen für den Klimawandel“ umbenennen, und sie vom verlässlich
       und sachlich vorwarnenden Özden Terli in seine ZDF-Wettervorhersagen
       integrieren lassen. Die Satellitenbilder dazu stelle ich mir jedenfalls
       ganz beeindruckend vor, vor allem die mit den Heuschrecken.
       
       7 Jul 2023
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jenni Zylka
       
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