# taz.de -- Kanadische Band Teke::Teke: Visionäres Frankenstein-Rework
       
       > Das Septett Teke::Teke aus Montreal macht alles anders. Es ist inspiriert
       > von japanischem Rock'n'Roll und mischt auf dem Album „Hagata“ Jazz dazu.
       
 (IMG) Bild: Leicht verschwommen und schwer beeindruckend: Teke::Teke aus Montreal
       
       Auch in der zusammenwachsenden Welt schlägt Entdeckerfreude die
       interessantesten Funken. Als Gitarrist Serge Nakauchi Pelletier, Posaunist
       Étienne Lebel und Drummer Ian Lettre in der Liveband des kanadischen
       Rappers Boogat dessen lateinamerikanische Wurzeln zum Erklingen brachten,
       entdeckte das Trio aus der Montrealer Musikszene eine Gemeinsamkeit:
       
       Alle drei mochten den [1][japanischen Gitarristen Takeshi Terauchi].
       Terauchi hatte in den 1950ern in japanischen Countrybands für GIs
       aufgespielt und wurde nebenbei zum Pionier von Rock ’n’ Roll und Surfsound
       in Fernost. Ihm zu Ehren nannten sie sich Teke::Teke. Bald kamen Hidetaka
       Yoneyama, Maya Kuroki, Mishka Stein und Yuki Isami hinzu und die kanadische
       Band wurde zum Ensemble.
       
       Im Sound des Septetts [2][spielen japanische Flöten mit der Posaune gegen
       knirschende Gitarren], tanzen um glitzernde Arrangements und lassen sich
       vom Stomp des Rock ’n’ Roll einen kräftigen Stoß versetzen. Man hört die
       schlanke, fordernde Gitarre des Heroen Terauchi noch heraus. Alsbald reihen
       sich weitere Elemente der Sixties-Ästhetik ein, etwa [3][Verweise auf die
       auch in Japan hoch geschätzte brasilianische Tropicália] und verführerische
       Visionen des Autorenkinos vom schönen Leben und dem Zerfall.
       
       Mit Letzterer beginnt auch das Album „Hagata“ von Teke::Teke. Während
       tanzwütiger Folkrock rustikal mit den Klängen der japanischen Laute
       anbandelt, erzählt eine Stimme wie aus dem Kyōgen-Theater vom Plastikmüll,
       der die Herrschaft über die Erde antritt, derweil sich der Song des
       Jazzrock annimmt, bis es aus allen Ecken grausig wiehert. Nach so viel
       Gefahr erwirkt die Rock-’n’-Roll-Gitarre zum Auftakt des zweiten Stücks
       eher ein Idyll.
       
       Nicht, dass das Spiel mit den Elementen und kulturell codierten Klängen
       japanischem Progressive Rock fremd wäre. Man höre japanische Bands der
       1970er wie Yonin Bayashi, Sadistics und Bi Kyo Ran. Ist Teke::Teke nicht
       eigentlich eine Band aus Montreal? Was hier auf ihrem zweiten Album zur
       klanglichen Geschlossenheit findet, bedient sich seiner Elemente ganz
       ähnlich, wie man in Japan angloamerikanischen Rock aufnahm.
       
       Aus all der perfektionistischen Umsetzung, in all den erruptiven
       Überhöhungen lugt verwunderte Distanz. Einst eine kulturelle Distanz, ist
       es heute die Distanz der Zeit. Nun kann Teke::Teke nach einigen Sekunden
       mit einladenden Bläserharmonien beglücken.
       
       Soweit denn eine Band beglücken will, die ihren Namen von der urbanen
       Legende eines verunfallten Mädchens ohne Unterleib ableitet, das durch
       Nagoyas U-Bahn spuken soll. Auch im punkigen Stomp von „Hoppe“ verbirgt
       sich eine Schauergeschichte, die der ewigen Wiederkehr des Alten, nein der
       Alten, die Welt ist verloren.
       
       ## Becircender Sixties-Pop mit Western-Twang
       
       Das nachdenklich, instrumentale „Me no heya“ kündigt subtilere Experimente
       an. Inmitten deren swingt der becircende Sixties-Pop von „Doppelgänger“,
       welcher mit seinem Western-Twang an The Monochrome Set, diese clevere
       Londoner Postpunk-Band, erinnert, aber deren penetranten Zynismus gegen
       Melancholie tauscht. Wieder geht es ums Altern und wie dieser Umstand
       Menschen entzweit.
       
       Ab da wirkt die Musik delikater. Man gewinnt den Eindruck, dass Rock –
       jenseits von Crossover-Klischees – als Frankenstein-Patchwork aus alten
       Sounds und Ideen seine Zukunft sucht. Aber was sind Teke::Teke nun? Am
       poetischsten beschreiben sie es selbst in einem Songtext: „A Martian
       wearing a cowboy-hat sits alone on a concrete bloc, sipping on canned
       coffee“.
       
       2 Jul 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.youtube.com/watch?v=UbSJ0HVwpzc
 (DIR) [2] https://teketekeband.bandcamp.com/album/hagata
 (DIR) [3] /Ueberblick-zu-Musik-aus-Brasilien/!5614961
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Oliver Tepel
       
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