# taz.de -- Flüchtlinge aus der Ukraine: Bezirke mauern bei der Unterbringung
       
       > In Berlin fehlt es weiter an Unterkünften für Geflüchtete. Eine
       > dezentrale Unterbringung scheiterte bislang an den Bezirken. Das hat
       > Folgen.
       
 (IMG) Bild: Zwischenmahlzeit im Ankunftszentrum: Eine Familie aus der Ukraine im Mai in Tegel
       
       BERLIN taz | Trotz gestiegener Kapazitäten fehlen Flüchtlingsunterkünfte in
       Berlin. Und der Mangel ist hausgemacht. Denn von den 12.000 Plätzen, die
       laut Senatsbeschluss von 2018 in hochwertigen Flüchtlingsunterkünften, den
       sogenannten MUFs, geschaffen werden sollten, sind bis heute lediglich 9.700
       entstanden. Für den Bau dieser MUFs hatte die damalige Sozialsenatorin Elke
       Breitenbach (Linke) die Bezirke verpflichtet, Grundstücke bereitzustellen.
       
       Der grüne Abgeordnete Jian Omar bilanziert nun ernüchtert: „Hätten wir
       tatsächlich den Bau der MUFs mit 12.000 Plätzen priorisiert, könnten wir in
       Berlin heute auf Massenunterkünfte wie in den früheren Flughäfen Tegel und
       Tempelhof verzichten und die Geflüchteten dezentral unterbringen.“
       
       Omars Meinung nach ist das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten LAF,
       das gerade seine kommissarische Präsidentin verloren hat und auch sonst
       personelle Engpässe hat, damit überfordert, gleichzeitig die Unterbringung
       und Versorgung der Geflüchteten zu organisieren und neue Objekte zu
       akquirieren.
       
       Das LAF verfügt – die Ankunftszentren im Flughafen Tegel sowie auf dem
       Klinikgelände in Reinickendorf ausgenommen – über 31.600 Plätze in
       Erstaufnahme-, Gemeinschafts- und Notunterkünften. Das sind 10.000 Plätze
       mehr als vor Beginn des Ukrainekrieges. [1][Diese Plätze sind nach Angaben
       des LAF zu 98 Prozent belegt]. Eine 100-prozentige Belegung ist nicht
       möglich, weil zwischen Abreise eines alten Bewohners und Ankunft des neuen
       Zeit für Reinigung und eventuell auch Renovierungsarbeiten benötigt wird.
       
       ## 40 Prozent sind anerkannt
       
       Rund 40 Prozent der BewohnerInnen von Flüchtlingsunterkünften sind
       allerdings weder AsylbewerberInnen noch UkrainerInnen, sondern anerkannte
       Asylberechtigte und Menschen mit einem Duldungsstatus. Sie dürften eine
       Wohnung beziehen, finden aber keine auf dem angespannten Berliner
       Wohnungsmarkt. Die Bezirke, die eigentlich für ihre Unterbringung zuständig
       wären, haben nicht genug bezirkseigene Gemeinschaftsunterkünfte und
       [2][unternehmen zu wenig, um diesen Menschen eine Wohnung oder angemessene
       Unterkunft] zu vermitteln.
       
       Das LAF bereitet nach Angaben seiner Sprecherin Monika Hebbinghaus gerade
       weitere Objekte als Flüchtlingsunterkünfte vor. „Viele sind in der
       Umsetzungsphase, andere in Verhandlung oder Prüfung“, sagt sie der taz.
       
       Zusätzlich zu den regulären Asylunterkünften betreibt das LAF das wegen
       seiner schlechten Bedingungen stark kritisierte Ukraine-Ankunftszentrum im
       früheren Flughafen Tegel mit 4.500 Plätzen in Zelten oder engen
       Schlafkabinen ohne Privatsphäre. Davon sind derzeit 2.500 Plätze belegt.
       Weil Plätze in regulären Unterkünften fehlen, müssen die BewohnerInnen dort
       derzeit mehrere Monate ausharren. Das wird wegen der miesen Verhältnisse
       dort vom Flüchtlingsrat heftig kritisiert. Im ebenfalls zusätzlichen
       Ankunftszentrum für Asylbewerber in Reinickendorf, wo Geflüchtete während
       der Registrierungsphase nur wenige Tage lang wohnen, sind aktuell 800 von
       1.300 Plätzen besetzt.
       
       Manfred Nowak von der Arbeiterwohlfahrt, die in Berlin mehrere Asylheime
       betreibt, spricht gegenüber der taz von einem Druck des LAF auf Betreiber,
       die Belegung in vorhandenen Heimen zu verdichten. „Wir lehnen das im
       Interesse unserer Bewohner ab. Denn dazu müssten wir Räume belegen, in
       denen Kinder spielen können oder andere Angebote für die beengt wohnenden
       Menschen stattfinden.“
       
       ## Bessere Bedingungen in den MUFs
       
       Weit besser sind die [3][Wohnbedingungen in den MUFs]. Hier verfügen
       Familien über eigene Sanitärräume und Küchen. Doch nicht jeder Bezirk hat
       dafür zwei Grundstücke zur Verfügung gestellt, obwohl sie von der damaligen
       Sozialsenatorin Breitenbach dazu verpflichtet wurden. Grund ist, dass sich
       an vielen Orten in Berlin die Bezirke gegen den Bau sperrten oder aber die
       Grundstückseigner die Grundstücke nicht freigeben. Ex-Senatorin Breitenbach
       sagt der taz, dass man da schon weiter sein könnte, wenn sich die Bezirke
       nicht gesperrt hätten.
       
       Beispiel ist ein Parkhaus in der Triftstraße in Mitte. Laut Aussagen des
       grünen Abgeordneten Jian Omar benötigt die Technikhochschule, der das
       Grundstück gehört, dieses noch, solange sie nicht im Flughafengebäude in
       Tegel ihren Campus einrichten kann. Dorthin kann sie aber nicht ziehen,
       weil dort die Ukraine-Flüchtlinge wohnen. Omar: „Ich befürchte zudem, dass
       der Bezirk Mitte die Verzögerung nutzt, um das MUF kleiner zu bauen, als
       vom Senat mit dem Bezirk vereinbart ist.“ Eigentlich sollen dort 300
       Personen wohnen.
       
       Ein weiteres Beispiel ist das Grundstück direkt neben der taz in der
       Friedrichstraße in Kreuzberg. Hier wollte der Senat auch eine MUF
       errichten. Doch nach Aussagen des LAF sieht der aktuelle Planungsstand des
       Bezirks nur noch eine „komplexe Mischnutzung“ vor, die „abstimmungsintensiv
       ist“. Mit anderen Worten: Dort sollen zwar Flüchtlinge einziehen, aber nur
       wenige, und es sind weitere Nutzungen geplant. Die Planung zieht sich
       dadurch in die Länge.
       
       Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) will Bezirke finanziell
       belohnen, die besonders viele Geflüchtete unterbringen. Das seien derzeit
       die Bezirke Marzahn-Hellersdorf, Pankow und Lichtenberg. Den Vorschlag der
       Grünen, Hotels und Hostels zu nutzen, lehnt Wegner ab und setzt stattdessen
       weiterhin auf Großunterkünfte.
       
       ## Streit um Standards
       
       Laut Martina Mauer vom Flüchtlingsrat haben die Einhaltung von
       Qualitätsstandards in den Unterkünften und das Ziel, Flüchtlinge bei der
       Wohnungssuche zu unterstützen, beim LAF überhaupt keine Priorität mehr.
       Einziges Motto sei die Vermeidung von Obdachlosigkeit, sagt sie der taz.
       
       Das will Monika Hebbinghaus vom LAF so nicht stehen lassen.
       „Selbstverständlich hat die Errichtung qualitätsgesicherter Unterkünfte
       nach wie vor hohe Priorität“, sagt sie. „Gerade weil wir unseren Anspruch
       an eine vernünftige Qualität hochhalten, sind neue Gebäude eben nicht ad
       hoc bezugsfertig.“ Daraus folge, dass Menschen in den Ankunftszentren
       länger auf einen Platz in einer anderen Unterkunft warten müssten.
       
       Unter den Geflüchteten aus der Ukraine sind viele besonders schützenswerte
       Personen wie allein reisende Mütter, Schwangere und Wöchnerinnen, Menschen
       mit Behinderung sowie SeniorInnen mit Pflegebedarf. Das ist eine neue
       Erfahrung für das LAF, denn aus vielen anderen Regionen schaffen es
       Menschen mit solchen körperlichen Einschränkungen nicht, unter den widrigen
       Fluchtbedingungen, bis nach Berlin zu kommen. Die [4][Unterbringung und
       Versorgung dieser Menschen] sei „aktuell nicht einfach zu lösen“, räumt der
       Senat auf Grünen-Anfrage ein. Nicht wenige werden im
       Ukraine-Ankunftszentrum in enge Schlafkabinen ohne Privatsphäre gepfercht.
       
       13 Jul 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marina Mai
       
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