# taz.de -- Streit um Skulptur an der Uni Flensburg: Frauenbild vs. Kunstfreiheit
       
       > An der Uni Flensburg ist die Skulptur einer Nackten entfernt worden, weil
       > sie Frauen aufs Gebären reduziere. Der Asta fordert die
       > Wiederaufstellung.
       
 (IMG) Bild: Viel Wind gab's schon mal: Haupteingang der Uni Flensburg nach Schäden durch einen Sturm 2013
       
       HAMBURG taz | Die Bronzeplastik einer nackten Frau des Künstlers Fritz
       During ist aus dem [1][Foyer der Europa-Universität Flensburg (EUF)]
       entfernt worden. Beantragt hatte das der Gleichstellungs- und
       Diversitätsausschuss der Hochschule. Inzwischen steht auf dem Marmorsockel
       ein regenbogenfarbenes Fragezeichen aus dem 3-D-Drucker. Die Angelegenheit
       hat eine Kontroverse um Kunstfreiheit, Wokeness und Entscheidungsabläufe an
       der Uni ausgelöst.
       
       Gegen das Abräumen an sich wie auch gegen die Vorgehensweise der
       Hochschulgremien hat jetzt der Allgemeine Studierenden-Ausschuss (Asta)
       protestiert. Zuvor hatte der stellvertretende Asta-Vorsitzende Janko Koch
       eine Petition gestartet mit der Forderung, die „Primavera“ bis auf Weiteres
       wieder aufzustellen – so lange, bis eine öffentliche Debatte und ein
       Beschluss des Akademischen Senats über ihre Zukunft entschieden haben. Mehr
       als 2.000 Menschen haben sie schon unterzeichnet. „Kunst darf nicht einfach
       so verschwinden“, findet Koch.
       
       Die Bronzeplastik war bis Ende Februar im Eingangsbereich des
       Uni-Hauptgebäudes, im Haus Oslo, aufgestellt. Sie zeigt eine abstrahierte
       Frauenfigur mit nach vorn versetztem Bein und hinter dem Kopf verschränkten
       Armen. Es habe Studentinnen und Wissenschaftlerinnen gegeben, die sich beim
       Anblick der „Primavera“ unwohl fühlten, sagte die
       Gleichstellungsbeauftragte der Uni, Martina Spirgatis, dem
       Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag (SHZ). Der taz gegenüber wollte
       sich Spirgatis nicht äußern und verwies wegen der Dynamik, die das Thema
       entfaltet hat, an die Pressestelle.
       
       Spirgatis und dem Uni-Präsidium ist es wichtig festzuhalten, dass es nicht
       um die Plastik an sich gehe, sondern um den Zusammenhang von Figur und Ort
       – sprich die Frage, „ob die Gartenplastik als figürliche Darstellung eines
       Frauenkörpers an einem so prominenten Ort der Universität richtig platziert
       sei“.
       
       Spirgatis verwies darauf, dass sich die Plastik [2][an dem gleichnamigen
       Gemälde des Renaissance-Künstlers Sandro Boticelli orientiere]. Das Wort
       „Primavera“ – übersetzt „Frühling“ – stehe unter anderem für „Neuanfang,
       Gebären“. Die Figur, die ein ausgeprägtes Becken hat, lasse „nicht einen
       Hauch von Intellektualität zu“, sagte Spirgatis dem SHZ. Sie symbolisiere
       ein „überkommenes Frauenbild, das nicht geeignet ist, an so zentraler
       Stelle einer Universität als Empfangsdame“ zu stehen.
       
       „Dass die Darstellung von Weiblichkeit an unserer Universität vollständig
       von der Interpretation des [3][Gleichstellungs- und Diversitätsausschusses]
       abhängig ist, ist katastrophal“, kritisiert die stellvertretende
       Asta-Vorsitzende Alina Jacobs. Das Gremium hat sich mit der Petition zum
       Schutz der Kunstfreiheit ihres Co-Vorsitzenden Koch solidarisiert.
       
       Der Asta-Vorsitzende Frank Ellenberger sagt zwar: „Die Bedenken, die
       insbesondere Teile der weiblichen Mitglieder der Universität hinsichtlich
       der Statue geäußert haben, sind selbstverständlich ernst zu nehmen.“
       Gleiches gelte aber auch für diejenigen, die in der Entfernung der Statue
       einen [4][Angriff auf die Kunstfreiheit] sehen, obendrein ohne öffentliche
       Diskussion.
       
       Nicht hinnehmbar sei, dass der Akademische Senat, in dem auch Studenten
       vertreten sind, bei der Entscheidung übergangen worden sei. Am Ende werde
       eine Interessen- und Güterabwägung „auch und insbesondere im Lichte des
       Grundrechts auf Kunstfreiheit“ getroffen werden müssen. Dazu brauche es
       einen freien Diskurs. Dieser müsse „in einer (eigentlich) öffentlichen
       Senatssitzung stattfinden“, findet der Asta-Vorsitzende Ellenberger.
       
       Inzwischen hat auch die Universität reagiert. Zur Frage, wie mit der
       „Primavera“ umzugehen sei, habe das Präsidium das Fach Kunst um
       Stellungnahme gebeten. Dieses habe empfohlen, „die Plastik (eine solide
       künstlerische Arbeit ihrer Zeit und ihres Entstehungskontextes) zwar
       weiterhin auf dem Gelände der EUF auszustellen, aber einen weniger
       zentralen Ort dafür zu wählen“.
       
       Ihr Schöpfer, Fritz During, Jahrgang 1910, war ein Schüler des von den
       Nazis als „entarteter Künstler“ verfemten Bildhauers und Glasmalers Ludwig
       Gies. Sichtbar sind Durings Werke vor allem in Schleswig-Holstein, wo viele
       von ihnen im Rahmen der Kunst-am-Bau-Programme der 1950er- und 1960er-Jahre
       entstanden. Durings Nachlass wird seit knapp 30 Jahren in Form einer
       Stiftung vom Kreis Plön verwaltet und in Ausstellungen zugänglich gemacht.
       
       Das Hochschulpräsidium bedauert in einer Stellungnahme, dass Durings
       Plastik „entfernt wurde, ohne dass im Vorfeld ein entsprechender Diskurs
       stattgefunden hat“. Das Fragezeichen, das jetzt den Platz auf dem
       Marmorsockel von Durings „Primavera“ einnimmt, sei von einer unbekannten
       Person aufgestellt worden, teilt die Universität mit. Es stelle aus ihrer
       Sicht keinen Ersatz dar.
       
       Nach der Sommerpause will das Präsidium die Gelegenheit für eine „breit zu
       führende öffentliche Diskussion“ schaffen. Der Akademische Senat und der
       Gleichstellungsausschuss sollen sich über das weitere Verfahren einigen. Im
       Herbst soll auch Durings Bronzeplastik wieder öffentlich zugänglich gemacht
       werden. Zurzeit steht sie im Büro des Hausmeisters der Universität.
       
       28 Jul 2023
       
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