# taz.de -- Videogame-Funk-Album von Tapes: Juicy Couture für die Ohren
       
       > Mit dem Album „Funk Plates Volume1“ kreuzt der neuseeländische Produzent
       > Tapes den Sound von Videospielen und den Groove des Funk aufs
       > Eleganteste.
       
 (IMG) Bild: Es knistert, wenn Tapes (Jackson Bailey) seinen Funk auflegt
       
       Daumen hoch für den Schmatzebass, der salopp, aber nicht zu selbstzufrieden
       slappt. Denn er bildet das Fundament für einen Midtempo-Groove, der
       elastisch genug klingt, um Flow zu generieren, Breaks ausspielt und
       zwischendrin die Kuhglocke läutet. Dazu gondelt ein Keyboard als
       Melodielieferant umher wie ein Raumschiff durch die Gestade des Alls. So
       beginnt „C-700 Funk“, Auftakt des Albums [1][„Funk Plates Volume 1“] vom
       neuseeländischen Produzenten Tapes.
       
       Sommerliche Juicy Couture für die Ohren. Funk füllt bei Tapes nicht die
       Sozialkunde-Lehrerrolle für HipHop aus und ist auch keine Sample-Quelle für
       Dancefloor-Etüden. Der 35-Jährige bleibt dem Funk eigenwillig gewogen. Er
       hat die Sounds aus seinem Lieblingsvideogame dafür zweckentfremdet. „Mein
       Lieblingsspiel ist ‚Final Fantasy3‘“, erklärt Tapes, der eigentlich Jackson
       Bailey heißt und seit 2019 in der estnischen Hauptstadt Tallinn lebt.
       
       „Ich mache SNES-Funk.“ Die Vorsilbe SNES ist Abkürzung für Super Nintendo
       Entertainment System. Und die Handlung von Final Fantasy3 ist in einer
       Zeile so zusammengefasst: Vier Kinder werden von den Lichtkristallen als
       Krieger des Lichts berufen, um die Welt zu retten. Darum geht’s bei Tapes
       aber nicht.
       
       „Als das Videospiel 1990 auf den Markt kam, war ich erst 2. Wenn ich von
       heute an diese Zeit denke, stelle ich mir lausige Tiefkühlpizzen vor und
       komische Skateboardtutorials und romantisiere sie. Um mir den
       [2][Soundtrack von SNES-Spielen] anzueignen, musste ich den leuchtenden
       Neon-Schleim wegwischen, der diese Musik auf der Bildebene umgibt.
       Stylemäßig habe ich mich mit [3][Binge-Listening von Earth, Wind & Fire]
       auf diese Aufgabe vorbereitet.“
       
       ## Kitsch viel mehr funky drehen
       
       Das Upliftende und Ausschweifende von E,W&F blinkt bei Tapes nur
       gelegentlich auf. Seine Musik ist auch nicht retro. Die Originalsoundtracks
       von „Final Fantasy“, die vom japanischen Komponisten Nobuo Uematsu stammen,
       tönen eher nach Soft-Eis-Klassik. Tapes ist nun der friendly reminder, der
       den Kitsch behutsam einige Umdrehungen funkiger dreht. Man merkt erst
       allmählich, wie elegant er das gemacht hat.
       
       Tapes legt tatsächlich auch mit Kassetten auf und verwendet Dubplates. Als
       Produzent und Remixer steht seine Klangsignatur eher für verrauschte
       Digidub-Äshtetik, er mäandert mal bei Downtempo-House vorbei, haut manchmal
       Breakbeats raus und klingt dabei nie zu bequem. Mit „Funk Plates Volume1“
       hat der Neuseeländer vorerst die Echokammern verschlossen und widmet sich
       kristallklaren Sounds. Wobei Funk und Groove über Umwege zu Jackson Bailey
       gekommen sind. „Auf der Soundspur ist viel Midi zu hören, wenn es slappt
       und furzt, klingt das für manche verdächtig nach billo, für mich ist es
       einfach Storyboarding ohne Narrativ. Beim Zocken nehme ich die Tonspur auch
       eher unbewusst wahr.“
       
       „Funk Plates Volume1“ umfasst acht Instrumentals, wundersam zu Songs
       arrangiert und raffiniert gemischt, so dass man den Gesang gar nicht
       vermisst. Dass Bailey die Klangästhetik alter Videogames gegen ihre
       ursprüngliche Intention als richtige Musik einsetzt, ist das Eine, aber er
       manipuliert die verwendeten Gerätschaften auch so, dass sie nun nicht mehr
       trashy klingen.
       
       ## Lieblings-Chilisauce
       
       Seine Beats stammen von der Drummachine „Sequential Circuits Drum Traks“.
       Ihre Rhythmen klingen nicht so prähistorisch, wie die Maschine heißt, denn
       Tapes hat sie listig programmiert, etwa bei „Parrot Salsa“, einer Ode an
       seine Lieblings-Chilisauce. „Da habe ich zuerst auf dem Mono-Synthie Buchla
       improvisiert, und dabei sind brauchbare Polyrhythmen entstanden. Aus den
       ungeraden Beats habe ich dann einen Pattern gemacht, im Endeffekt klingt er
       nach Salsa und passt zur Chili-Sauce.“
       
       Superscharf ist auch, was Bailey aus der Klangpalette des Kawai K
       1-Synthies gezaubert hat. Das in den 1980ern entwickelte Gerät gilt als
       billige Kopie des Synthesizers Fairlight. Wohingegen der Fairlight saubere
       „Naturklänge“ produziert, war der Kawai wegen seines Grundrauschens bei den
       Profis immer verpönt. Bei Tapes klingt der Kawai nun wie eine Schalmei.
       
       Baileys Eltern spielten bei der Popband Thompson Twins. Sein Vater hat am
       Beginn des Ravezeitalters selbst Breakbeat-Platten veröffentlicht. „Mum und
       Dad haben mein Musikverständnis in der Kindheit gestärkt. Trotzdem habe ich
       erst als Jugendlicher mit Musikmachen begonnen. Wobei mir wichtig war, ohne
       ihren Rat auszukommen. Als Kind von zwei Popstars aufzuwachsen, war für
       mich jedenfalls alles andere als schwierig.“
       
       Lange zog Tapes eher nomadisch durch die Welt, lebte in Lissabon, London,
       Amsterdam und Leipzig. [4][Mit Leipzig verbindet er eine besonders
       glückliche und produktive] Zeit, dort hat er nun beim Label Jahtari auch
       sein neues Album veröffentlicht. „In Leipzig fand ich als Künstler zu mir
       selbst. Von [5][Jahtari-Betreiber Jan Gleichmar] habe ich viel über Musik
       gelernt.
       
       14 Jul 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://jahtari.bandcamp.com/album/funk-plates-vol-1
 (DIR) [2] https://www.youtube.com/watch?v=U8btNneN8ew
 (DIR) [3] /Nachruf-auf-Maurice-White/!5274960
 (DIR) [4] /Leipziger-Kuenstler-und-Elektro-Produzent/!5266865
 (DIR) [5] /Neues-Album-des-Musikers-Disrupt/!5560389
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Julian Weber
       
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