# taz.de -- Pläne für neue Partei von Wagenknecht: Gründet euch endlich!
       
       > Die Linkspartei ist in der Krise. Doch was zählt, ist die Auszehrung der
       > AfD – und die gelingt nur mit einer Parteineugründung durch den Flügel um
       > Sahra Wagenknecht.
       
 (IMG) Bild: Ein Mittel gegen die AfD? Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht
       
       Selbstverständlich ist die Linkspartei, wie wir sie kennen, nicht mehr zu
       retten. [1][Die stillschweigende Kooperation zweier – aus strikt
       inhaltlichen Gründen – nicht allianzfähigen Flügel ist am Ende.] Das war
       immer schon der Fall, vom ersten Tag der Parteigründung aus PDS und WASG
       an.
       
       Der russische Krieg gegen die Ukraine bringt die Konfrontation am stärksten
       zur Geltung. Hier die Reformisten, prominent durch Politiker wie Bodo
       Ramelow, Thüringens Ministerpräsident, Klaus Lederer, bis neulich bis in
       die CDU hochrespektierter Kultursenator Berlins, und Bremens
       Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt – und dort die pro Putin agierenden
       Fundamentalisten um Sahra Wagenknecht, Klaus Ernst und Sevim Dağdelen.
       
       Was sie trennt, ist offenkundiger denn je: Hier jene, die als die besseren
       Sozialdemokraten und zugleich besseren Grünen konsequenter als diese
       Politik machen wollen, immer im Rahmen der gegebenen
       marktwirtschaftlich-westlichen Ordnung, dort die anderen, die auf
       traditionelle linke Opposition setzen, Putinversteherei sowie Ablehnung von
       Nato und EU inklusive.
       
       Das Problem für beide Teile ist, dass sie im Bundestag aktuell nicht
       voneinander lassen können: Nur drei Abgeordnete des Wagenknecht-Lagers
       müssten ihren Austritt aus der Fraktion erklären – und sie wäre keine mehr,
       die Linkspartei nur noch ein parlamentarischer Haufen von einzelnen
       Abgeordneten, aber nicht mehr eine Fraktion.
       
       ## Wagenknecht-Gruppe als anderes Politikangebot
       
       Eine Separation aber bedeutete massive finanzielle Verluste:
       Fraktionsgelder, also Jobs im ganzen Fraktionsapparat. Deshalb scheuen die
       Reformisten jede Geste, etwa Sahra Wagenknecht aus der Bundestagsfraktion
       ausschließen zu wollen.
       
       Romantiker*innen, wie Gregor Gysi, mögen noch so viele Impulse der
       Versöhnung beider Lager ins Werk setzen: Es hat nur einen Zweck in sich
       selbst, nicht aus der Formulierung der politischen Angebote heraus. Denn
       die Wagenknecht-Gruppe verkörpert in der Tat ein ganz anderes
       Politikangebot – jedenfalls im Vergleich mit jenen, die die
       F[2][lüchtlingsaktivistin Carola Rackete] zur Spitzenkandidatin für die
       EU-Wahlen machen wollen.
       
       ## Abstand zu Klimakrise, Gender und Diversity
       
       [3][Mit ihr könne man keine Wahlen gewinnen,] vor allem nicht in den
       östlichen Bundesländern – wo Personen wie Rackete besonders verhasst sind.
       Und da haben Wagenknecht & Co. völlig recht: Die Linkspartei, einst
       wirkliche Volkspartei in den Bundesländern, die aus der DDR hervorgingen,
       ist mit dieser Personalentscheidung kaum von den Grünen zu unterscheiden.
       
       [4][Was die Fundis wollen], hat Wagenknecht in ihrem Buch „Die
       Selbstgerechten. Mein Gegenprogramm – für Gemeinsinn und Zusammenhalt“ zum
       Ausdruck gebracht: Abstand zu den Themen Klimakrise, Gendergerechtigkeit,
       Antirassismus, Solidarität mit Einwanderern und eine Kultur der
       „Diversity“. Dafür eine Betonung der klassischen Themen der
       Arbeiterbewegung: Frieden, Familien, Jobs. Außerdem mit deutlicher Betonung
       der nationalen Interessen (der Arbeiterschaft), also Begrenzung der
       Migration.
       
       Wagenknecht und ihre Fellows allerdings umreißen ihre Perspektive auf
       Migration, anders als die rechtsextremismusaffine AfD, nicht völkisch,
       nicht naziatmosphärisch. Für sie und die Ihren gilt, dass Jobs und gute
       Lebensmöglichkeiten vor allem für im Inland Lebende zu gelten haben,
       klassische Familien, und damit meint sie nicht allein die Schmidts &
       Lehmanns, sondern auch die Menschen, die arabisch oder türkisch klingende
       Namen tragen.
       
       ## Der AFD das Wasser abgraben
       
       Mit anderen Worten: Die Wagenknecht-Formation formuliert ein politisches
       Angebot, das die anderen Parteien nicht im Fokus haben – und das die
       Reformisten ihrer (noch) Linkspartei nicht mehr erreichen (können
       beziehungsweise wollen).
       
       Der verfassungspatriotische Clou an diesem Projekt der Abspaltung von der
       Linkspartei wäre, dass er unbedingt zu begrüßen ist, [5][weil er der AfD
       wesentlich im Osten der Republik das Wasser abgraben kann.]
       
       Wagenknecht ist quasi, auf Frankreich übertragen, nicht der Front National
       von Marine Le Pen, sondern La France Insoumise von Jean-Luc Mélanchon –
       eine linke Populistin, die das bürgerlich-liberale System hasst, weil es
       immer nur die ohnehin Arrivierten, bis in die woken Mittelschichten,
       schützt und den Proletinnen* kaum Luft zum Atmen lässt. Materiell nicht,
       weil die Kluft ihrer Lebenswelten zu den erfolgverheißenden Milieus zu groß
       ist; moralisch nicht, weil sie schon nicht über das kulturelle Kapital
       verfügen (können), zu diesen anschlussfähig zu werden.
       
       ## German Working Classes First!
       
       Wagenknecht weiß das genau, ihre Analysen bergen verblüffend viel
       Anschauungsmaterial für die Unbegabtheit vieler Linker, die materiellen
       Interessen von Abgehängten wenigstens zu erkennen. Demoskopisch gestützte
       Umfragen, etwa im Hinblick auf die Landtagswahlen im kommenden Jahr in
       Sachsen, Thüringen und Brandenburg, wo die AfD jeweils als stärkste Partei
       gesehen wird, zeigen indes, dass eine linke Wagenknecht-Parteioption zwar
       auch ihrer Linkspartei massiv Stimmen kosten, aber vor allem der AfD die
       Breithosigkeit austreiben würde. Ihr Programm: German Working Classes
       First!
       
       Insofern wäre es eine zivilisatorische, ja antifaschistische Mission,
       dieses Parteiprojekt der Wagenknecht-Fellows zu unterstützen. Der Preis
       wäre die wesentliche Marginalisierung der Linkspartei, wie wir sie heute
       kennen. Aber er wäre nicht zu hoch, wenn der AfD das jetzt schon
       machtbesoffene Verhalten ausgetrieben würde.
       
       Doch sie müssten es jetzt ins Werk setzen, vor der EU-Wahl, vor den
       Landtagswahlen in den schon jetzt AfD-versifften Bundesländern. Danach wäre
       es zu spät, weil die AfD dann bei vier Wahlen durch Wahlerfolge ihre
       Legitimität auf ein politisches Noch-Mehr unterstreichen würde.
       
       Die restliche Linkspartei kann sich dann sortieren – und herausfinden, was
       sie wirklich wollen möchte. Wagenknechte, salopp formuliert: Worauf warten
       Sie?
       
       15 Aug 2023
       
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