# taz.de -- Urteil zu Terroranschlägen in Brüssel: Sechs Täter wegen Mordes verurteilt
       
       > Durch die Terroranschläge in Belgien 2016 starben 35 Menschen. Die
       > Geschworenen haben nun geurteilt. Das ist aber noch nicht das Ende des
       > Prozesses.
       
 (IMG) Bild: Die Angeklagten hinter Sicherheitsglas: Sieben Jahre nach den Anschlägen urteilte das Gericht
       
       BERLIN taz | Terroristischer Mord, versuchter terroristischer Mord sowie
       Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung. So lauteten die Anklagen
       im Prozess um die Terroranschläge von 2016 in Brüssel gegen zehn Männer.
       Acht von ihnen hat ein Geschworenengericht in Belgien am Dienstag schuldig
       gesprochen.
       
       [1][Sechs Angeklagte haben demnach versuchten Mord an 690 und
       terroristischen Mord an 35 Menschen begangen]. Zwei weitere Angeklagte
       seien zumindest Mitglieder einer islamistischen Terrororganisation. Die
       verbliebenen zwei sprach das Gericht hingegen frei. Wie hoch die Strafen
       für die Verurteilten ausfallen, steht noch aus. Das soll Anfang September
       entschieden werden.
       
       Die Geschworenen urteilten zudem, dass die bisherige offizielle Zahl von 32
       Todesopfern durch die Anschläge unzutreffend sei. Die Tode dreier Menschen,
       die in der Folge etwa durch Erkrankung oder Suizid gestorben sind, seien
       ebenso den Terroristen zuzurechnen.
       
       Innenministerin Annelies Verlinden von den flämischen Christdemokraten
       (CD&V) bewertete das Urteil am Dienstag als „einen wichtigen Moment“, nicht
       nur für Opfer und Angehörige, sondern für die Gesellschaft gesamt. „Die
       Anschläge haben eine [2][kollektive Narbe auf der Seele unseres Landes]
       hinterlassen“, sagte Verlinden laut der belgischen Tageszeitung De
       Standaard.
       
       ## Anschläge auf Flughafen und U-Bahn
       
       Der 22. März 2016 war ebenfalls ein Dienstag. Um etwa acht Uhr explodierten
       zwei Bomben im nördlich gelegenen Flughafen Brüssel-Zaventem. Inklusive der
       beiden Selbstmordattentäter starben 12 Menschen vor Ort, etwa hundert
       weitere wurden teils schwer verletzt. Polizei, Rettungskräfte und später
       auch das Militär waren im Einsatz, um den Flughafen abzusichern.
       
       Rund eine Stunde nach den ersten explodierte eine weitere Bombe –
       allerdings nicht am Flughafen, sondern in Brüssels Innenstadt. Ein
       Attentäter hatte sich in der U-Bahn kurz hinter der Metro-Station Maalbeck
       in die Luft gesprengt. Dabei verloren 20 Menschen ihr Leben, wieder wurden
       mehr als hundert verletzt. Die Bevölkerung war danach angehalten, zu Hause
       zu bleiben.
       
       Die Ermittlungen zu den koordinierten Selbstmordanschlägen brachten ans
       Licht, dass die Täter teils identisch mit jenen waren, die in Paris die
       Anschlagsserie unter anderem auf das Bataclan-Theater vom 13. November 2015
       verübt hatte. Dabei töteten sie 130 Menschen und verletzten 350 weitere.
       Schon kurz nach diesem Anschlag deutete bereits viel darauf hin, dass
       einige [3][der Terroristen in Frankreich aus Belgien kamen].
       
       Am Dienstag standen sechs der Verurteilten von Paris auch in Brüssel vor
       Gericht. Beide Anschläge gingen auf den sogenannten „Islamischen Staat“
       zurück. Einige der Angeklagten in Brüssel [4][begründeten ihren Hass auf
       den Westen im Prozess mit der Bombardierung des „IS“ in Syrien.]
       
       ## Der teuerste Prozess in Belgiens Geschichte
       
       In Belgien gilt der Prozess zu den Anschlägen von 2016 als der größte der
       Justizgeschichte. Allein, dass mehr als 900 Nebenkläger*innen
       beteiligt sind, ist außergewöhnlich. Zudem ließ der damalige
       [5][Justizminister Koen Geens (CD&V)] ein Gebäude, die Justitia, auf einem
       ehemaligen Nato-Gelände für den Prozess umbauen, der Größe und Sicherheit
       wegen.
       
       Der neue Gerichtssaal wurde mit einer großen Glasbox ausgestattet, in der
       die Angeklagten abgeschirmt und bewacht gemeinsam dem Prozess folgen
       können. Ursprünglich sollten sie in Einzelzellen, doch dagegen klagten sie
       erfolgreich. Laut der flämischen Rundfunkanstalt VRT ist es auch der
       teuerste Prozess Belgiens: rund [6][35 Millionen Euro habe er gekostet].
       Sieben Jahre nach den Anschlägen und sieben Monate nach Prozessbeginn wurde
       das Urteil gespannt erwartet.
       
       Am Dienstagmittag verfolgten belgische Medien mit Livetickern und
       [7][detailliert aufgeschriebenen Porträts der Angeklagten] in Brüssel die
       Urteilsverkündung. Diese zögerte sich allerdings hinaus. Für das Urteil
       sind zwölf Geschworene einer „Volksjury“ verantwortlich. Laut
       Prozessordnung müssen sie über die angefallenen Fragen beraten und eine
       Antwort finden, um für jeden einzelnen Angeklagten die Schuldfrage
       einzuschätzen. Im Prozess der Anschläge von 2016 hatte die Jury 287 Fragen,
       zu denen sie sich beraten und abstimmen musste.
       
       Ursprünglich waren dafür zwei Beratungswochen angesetzt gewesen. Letztlich
       nahmen sich die Geschworenen 18 Tage Zeit – so lange brauchte noch keine
       Jury. Selbst am Dienstag waren sie noch so lange mit der
       Urteilsformulierung beschäftigt, dass sich die Verkündung um fünf Stunden
       verzögerte.
       
       Doch auch nach dem Urteil durch die Geschworenen ist der Prozess noch nicht
       zu Ende. Das Strafmaß wird am 4. September verkündet. Die Verurteilten
       haben 15 Tage Zeit, um gegen das Urteil Beschwerde beim höchsten belgischen
       Gericht einzulegen.
       
       26 Jul 2023
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [5] https://www.standaard.be/cnt/dmf20230725_94476208
 (DIR) [6] https://www.vrt.be/vrtnws/de/2022/12/01/teuerster-prozess-in-der-belgischen-geschichte-was-kostet-der-b/
 (DIR) [7] https://www.standaard.be/cnt/dmf20230725_94476208
       
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 (DIR) David Muschenich
       
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