# taz.de -- Umstieg auf Biolandwirtschaft: Weniger Schweine, mehr Glück
       
       > Bauer Dirk Hopmann macht das, was Bundesagrarminister Özdemir und
       > Umweltverbände propagieren: weniger Tiere, aber die besser halten.
       > Funktioniert das?
       
 (IMG) Bild: Runde Sache: Mit mehr Stallplatz müssen den Schweinen auch nicht die Ringelschwänze gestutzt werden
       
       SANDBEK taz | Dirk Hopmanns Schweine liegen ruhig im Stroh, dicht an dicht
       wärmen sich die rosa Körper unter einem Dach auf [1][Hof Sandbek] nahe
       Schleswig. Ab und an steht ein Tier auf und läuft in den nicht überdachten
       Teil des Auslaufs oder in den Stall. Sie haben viel Platz: Vier
       Quadratmeter pro Tier – mehr als fünfmal so viel wie der [2][gesetzliche
       Mindeststandard] in der konventionellen Schweinehaltung.
       
       Bis 2020 hielt auch Hopmann seine Tiere so. 7.000 Schweine hätten in engen
       Ställen gelebt, seien nie an die frische Luft gekommen, erzählt er. Damit
       sie sich in der Monotonie und Enge nicht in die Schwänze beißen, wurden
       ihnen die Schwanzspitzen abgeschnitten, die Eckzähne abgeschliffen.
       Jährlich fielen 10.000 Tonnen Gülle an, die auf den Feldern verteilt wurden
       – um die Pflanzen zu düngen, aber auch, um sie einfach loszuwerden. Ein
       Teil der Nährstoffe geriet ins Grundwasser, in die nahe Förde Schlei und
       schließlich in die Ostsee, wo sie das Wachstum von Algen fördern, die
       andere Wasserpflanzen verschatten. Die Bakterien, die abgestorbene Algen
       zersetzen, nehmen Fischen den Sauerstoff.
       
       Doch dann entschied Hopmann, ab 2020 alles anders zu machen. Heute hält er
       nur noch 500 Schweine. Er stellte den Hof auf Bio um. Deshalb muss er nun
       auf chemisch-synthetische Pestizide und Kunstdünger verzichten, die die
       Artenvielfalt gefährden können. „So konnte Hof Sandbek die jährlich
       anfallende Gülle um über 90 Prozent reduzieren und damit seinen
       Nährstoffeintrag in die Ostsee deutlich verringern“, lobt die
       Umweltorganisation WWF, die Hopmann nun die Auszeichnung
       „Ostsee-Landwirt:in des Jahres 2023“ verlieh. Die ist für Betriebe gedacht,
       die gegen Überdüngung vorgehen.
       
       Weniger Tiere besser halten – Hopmann macht genau das, was der grüne
       Bundesagrarminister [3][Cem Özdemir] und Umweltverbände immer propagieren.
       Auch führende Agrarwissenschaftler haben in einem Gutachten für die
       Stiftung Klimaneutralität empfohlen, die Zahl der Tiere zu reduzieren. Denn
       vor allem die Tierhaltung ist dafür verantwortlich, dass die Agrarbranche
       laut Umweltbundesamt rund [4][14 Prozent des Treibhausgasausstoßes] in
       Deutschland (inklusive der Emissionen aus Agrarböden und
       landwirtschaftlichem Verkehr) verursacht.
       
       ## Getreide vor die Säue
       
       Im Wirtschaftsjahr 2021/22 wurden laut Bundesanstalt für Ernährung und
       Landwirtschaft 54 Prozent des hierzulande verwendeten Getreides nicht
       gegessen, sondern verfüttert. Damit könnte man viel mehr Menschen ernähren,
       wenn sie es direkt äßen, als wenn Tiere es fressen und in Fleisch umsetzen
       müssen.
       
       Doch der Deutsche Bauernverband etwa wehrt sich vehement dagegen, die
       Tierhaltung zu reduzieren. Viele Landwirte bestreiten sogar, dass der
       Agrarsektor zu viel düngt, obwohl sie im Schnitt etwa 2020 dem
       [5][Bundesagrarministerium zufolge] 80 Kilogramm Stickstoff mehr pro Hektar
       ausgebracht haben, als die Pflanzen absorbieren können.
       
       Hopmann tickt anders. Das liegt auch an seiner Biografie. Er ist zwar auf
       dem Bauernhof aufgewachsen, seine Familie bewirtschaftet ihn seit sechs
       Generationen. Doch er hat dem Dorf und der Landwirtschaft lange den Rücken
       gekehrt, studierte Volkswirtschaft mit Fokus auf Bankbetriebslehre, war
       dann Unternehmensberater bei Roland Berger. „Ich hatte für mich selbst
       ursprünglich so eine Managerlaufbahn vor Augen“, erzählt Hopmann, ein hoch
       aufgeschossener, schlanker 39-Jähriger mit Designer-Hornbrille, Basecap und
       an einem Handgelenk ein Freundschaftsbändchen. Erst dann entschied er sich
       für einen Masterstudiengang in Landwirtschaft und übernahm 2013 den Hof von
       seinem Vater.
       
       Hopmann ist nicht so stark von der Agrarbubble geprägt. Er war nicht bei
       den großen Treckerdemonstrationen [6][der Bauernprotestbewegung „Land
       schafft Verbindung“], die sich 2019 gegen mehr Umweltschutz in der
       Landwirtschaft wandte. Er weiß, dass Gülle zuweilen auch dann auf dem Feld
       entsorgt wird, wenn die Pflanzen sie nicht aufnehmen können. Er leugnet
       nicht das Insektensterben oder die Tatsache, dass Menschen den Klimawandel
       verursachen. Im Gegenteil: Hopmann sagt, dass ihn auch die Klimabewegung
       [7][Fridays for Future] beeinflusst habe.
       
       „Wir finden das alte Geschäftsmodell mit seinen Umweltauswirkungen nicht
       tragfähig für die Zukunft der Gesellschaft, der Landwirtschaft und unserer
       Kinder“, sagt Hopmann über die intensive Tierhaltung, von der der Hof bis
       2020 lebte. „Gleichzeitig sind wir Eltern geworden, haben drei kleine
       Kinder jetzt. Das ändert ja auch das Zielbild und den Blick, was man machen
       will und was man irgendwann hinterlassen will.“
       
       ## Wutbauern und Wertschätzung
       
       „Land schafft Verbindung“ war Hopmann „ein bisschen zu konfrontativ“. „Da
       unterscheiden wir uns auch einfach von den Berufskolleginnen und -kollegen.
       Wir sind einfach sehr offen für Veränderungen und wollen erst einmal bei
       uns selbst anfangen“, sagt der Bauer. „Mit der Treckerdemo in die Stadt zu
       fahren war da für mich nicht der richtige Ansatz.“
       
       Was er aber teilt mit den Wutbauern, ist das Bedürfnis nach Wertschätzung.
       Immer wieder ist von Landwirten zu hören, dass sie sich nicht anerkannt
       fühlten vom Rest der Gesellschaft, nicht nur, weil sie zu wenig Geld für
       ihre Produkte bekämen, sondern auch weil sie dauernd ungerechtfertigt
       kritisiert würden. „Früher war es eher so, dass man sich Sorgen macht, wenn
       jemand Unbekanntes auf den Hof kommt, weil man denkt so: Wird da
       irgendetwas kontrolliert oder ist da irgendwas, was beanstandet wird? Jetzt
       freut man sich einfach über Besuch und kann über alles sprechen“, erzählt
       Hopmann.
       
       Ethisch bedenkliche Praktiken wie das [8][Kupieren von Schwänzen] und das
       Schleifen von Zähnen – „den Teil sind wir Gott sei Dank ganz los“, sagt der
       Landwirt. Die Umweltbelastung sei ebenfalls geringer. „Wir können viel
       besser zu allem stehen, was wir hier machen.“ Auch deshalb sei er viel
       zufriedener als in den sieben Jahren, in denen er die intensive,
       konventionelle Tiermast fortführte.
       
       Aber was ist mit dem Geld? Zurzeit verdiene die Familie 30 bis 40 Prozent
       weniger als vor der Umstellung, sagt Hopmann. Trotz der höheren Preise für
       Ökofleisch im Vergleich zu konventionellem und trotz der höheren
       Subventionen für den Biolandbau. Und obwohl seine Frau Bente einen Bioladen
       gegründet hat, der Hof seit diesem Jahr auch Gemüse produziert und
       Windkraft- sowie Photovoltaikanlagen Strom liefern. „Das ist auf anderen
       Höfen vielleicht anders“, vermutet der Landwirt. Denn sein Betrieb habe
       früher auch im Vergleich zu anderen Schweineerzeugern außergewöhnlich viel
       verdient. Vielen Konkurrenten geht es aber schlecht, seit 2013 sank die
       [9][Zahl der schweinehaltenden Betriebe] um rund 43 Prozent, hat das
       Statistische Bundesamt errechnet.
       
       ## Geschäftsmodell stabiler
       
       Aber 30 bis 40 Prozent weniger Einkommen ist ein tiefer Einschnitt. Kann
       Hopmanns Familie noch von dem Hof leben? „Ja“, antwortet er. „Wir haben
       unseren Lebensstil nicht angepasst tatsächlich.“ Die Hopmanns fahren immer
       noch regelmäßig in den Urlaub, was in der Landwirtschaft nicht
       selbstverständlich ist. Sie leben nach wie vor in dem großzügigen, gediegen
       eingerichteten historischen Wohnhaus des Hofes mit schweren Ledersesseln
       und einer Schaukel im Vorraum. Aber, sagt Hopmann, er lege jetzt weniger
       Eigenkapital zurück.
       
       Das ist kaufmännisch gesehen ein Nachteil. Doch das neue Geschäftsmodell
       sei auch stabiler, sagt Hopmann. Denn der Hof ist nicht mehr so abhängig
       von nur einer Haupteinnahmequelle, nämlich der Tierhaltung. Wenn ein
       Betriebszweig schwächelt, sollen die anderen das kompensieren. Er will,
       dass das Unternehmen langfristig mindestens genauso viel einnimmt wie
       früher.
       
       Vor allem aber geht es bei der Wende auf Hof Sandbek darum, weniger auf
       Kosten von Natur und Tieren zu wirtschaften – und so als Bauer glücklicher
       zu werden. Hopmann läuft zu dem Acker direkt am Haus. Ein starker Wind
       zerrt an den gelben Roggenpflanzen. Das 30 Hektar große Feld hat Hopmann in
       mehrere Streifen unterteilt, in denen immer unterschiedliche Pflanzenarten
       zu unterschiedlichen Zeiten wachsen. Das erhöht die biologische Vielfalt,
       Insekten können von einem abgeernteten Streifen zum anderen wechseln.
       
       ## Kleegras und Kamille
       
       Auf dem Streifen daneben blüht gerade eine Kleegrasmischung schön lila.
       Kleegras liefert den Schweinen Eiweiß, fördert aber auch die
       Bodenfruchtbarkeit und den Humusaufbau. Weil er keine
       chemisch-synthetischen Pestizide benutzt, könne mehr Beikraut als bei
       konventionellen Höfen wachsen. Zum Beispiel die weißgelben
       Kamillensträucher, die zwischen dem Roggen stehen.
       
       Doch all das führt auch dazu, dass Hopmann weniger pro Hektar erntet als
       früher. „Wir hatten 60 Prozent des konventionellen Ertrags letztes Jahr“,
       sagt der Landwirt. Das hält er trotz Hungers in der Welt für verantwortbar,
       ja aus Umweltschutzgründen sogar für notwendig. „Das muss natürlich Hand in
       Hand laufen mit der Anpassung der Ernährungsgewohnheiten“, erläutert
       Hopmann. Es müssten insgesamt weniger tierische Produkte wie Fleisch und
       Milch konsumiert werden. „Wenn wir weniger an Kalorien und Proteinen
       verlieren durch die tierische Verwertung, dann können wir auch mit dem
       niedrigeren Ertragsniveau leben.“ Der Fleischverbrauch gehe ja bereits
       zurück.
       
       Hopmann macht das, was Agrarminister Özdemir will. Er sagt: „Ich bin schon
       sehr grün.“ Aber die Bilanz des Ministers findet er zumindest „zurzeit
       nicht so zufriedenstellend“. Sein wichtigstes Projekt, die verpflichtende
       Kennzeichnung der Haltungsbedingungen auf tierischen Produkten, ist ihm zu
       wenig, zu langsam. Denn sie soll vorerst nur für unverarbeitetes
       Schweinefleisch gelten und auch nur für das aus dem Inland. „Aber
       grundsätzlich ist das total gut.“ Hopmann freut sich auch, dass Özdemir ab
       kommendem Jahr den tierfreundlichen Umbau von Schweineställen bezuschussen
       will. Damit irgendwann alle Schweine so artgerecht gehalten werden wie auf
       Hof Sandbek.
       
       13 Aug 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.hof-sandbek.de/
 (DIR) [2] https://www.bmel.de/DE/themen/tiere/nutztiere/schweine/schweine.html
 (DIR) [3] /Cem-Oezdemir-zum-Umbau-der-Landwirtschaft/!5908655
 (DIR) [4] https://www.umweltbundesamt.de/themen/landwirtschaft/landwirtschaft-umweltfreundlich-gestalten/klimaschutz-in-der-landwirtschaft#weitere-emissionen-der-landwirtschaft
 (DIR) [5] https://bmel-statistik.de/fileadmin/daten/MBT-0111260-0000.xlsx
 (DIR) [6] /Protestbewegung-gegen-Umweltschutz/!5805034
 (DIR) [7] /Sommerkongress-von-Fridays-for-Future/!5953832
 (DIR) [8] /Ringelschwanzpraemie-auf-dem-Pruefstand/!5472018
 (DIR) [9] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/06/PD23_247_413.html
       
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