# taz.de -- Union Berlin verliert gegen Wolfsburg: New Kids unter Druck
       
       > Union Berlin verliert in der Männer-Bundesliga zum zweiten Mal in Folge.
       > Trotz eisernem Ballflachhaltens sind die Ansprüche gestiegen.
       
 (IMG) Bild: Hart gearbeitet wurde auf beiden Seiten: Diogo Leite gegen Patrick Wimmer
       
       WOLFSBURG taz | In dieser Woche kann der Bundesliga-Mittelmaßclub VfL
       Wolfsburg schön im Fernsehen zuschauen, wenn die Großen in der Champions
       League antreten. [1][Etwa Union Berlin] bei Real Madrid. Deshalb muss man
       den 2:1-Sieg der Wolfsburger über den Köpenicker Selfmade-Club nicht gleich
       unter „Klein schlägt Groß“ einsortieren, aber eben auch nicht als
       erwartbar. Und völlig normal ist mittlerweile eine Niederlage des Hamburger
       SV in der Zweiten Liga. Das ist die reale Gegenwart des deutschen Fußballs,
       auch wenn die Normalitätsgefühle vieler Leute noch stark in der
       Vergangenheit verankert sind, aber das gilt ja nicht nur für das
       Lieblingsspiel der Deutschen.
       
       [2][Die Klischeenarrative gehen ja so], dass bei Union „hart und ehrlich
       gearbeitet“ wird und „mit Herzblut“, während bei der VW-Tochter VfL die
       Identifikation hauptsächlich über das Gehalt funktioniert. Letzteres stimmt
       vermutlich manchmal, aber nicht generell, und Ersteres ist auch eine
       verkürzte Analyse. Jedenfalls wurde am Samstag auf beiden Seiten sehr hart
       gearbeitet und sicher jeweils auch für ordentliches Geld. Der Sieg des VfL,
       sagte Trainer Niko Kovac in erstaunlicher Offenheit, sei „sicherlich nicht
       verdient“, aber irgendwie war er es doch, weil sein Team am Ende beim
       Arbeiten einen Fehler weniger machte als Union.
       
       Winds 1:0 (12.) entsprang einem ungewöhnlichen Abspielfehler von Unions
       Stürmer Behrens, bei Maehles 2:1 (30.) faustete ihm Keeper Rönnow eine Ecke
       direkt in den Fuß. Den zwischenzeitlichen Ausgleich hatte Unions Neuzugang
       Robin Gosens ohne nennenswerte Gegenwehr der Wolfsburger köpfen dürfen
       (28.). In der zweiten Hälfte wurde speziell vom VfL fast nur noch malocht,
       was das Wolfsburger Publikum aber durch den ansprechenden Spielstand zu
       ungewöhnlichen Beifallsstürmen hinriss. Am Ende war der grüne Block sogar
       lauter als der lange Zeit stimmlich dominierende rote, das war nun wirklich
       eine Sensation.
       
       Wenn man nun wie der VfL in eine Bundesligasaison mit drei Siegen aus vier
       Spielen startet, dann träumen die Leute gern, dass nach einer tabellarisch
       und ästhetisch mauen Vorsaison diesmal vielleicht mal wieder was gehen
       könnte. Könnte es, aber Indizien dafür kann man noch nicht vorlegen, mal
       abgesehen davon, dass Mittelstürmer Jonas Wind mit bereits fünf Toren sogar
       eines mehr erzielt hat als Harry Kane. Mit dem für angeblich 25 Millionen
       Euro aus Rennes geholten Lovro Majer könnte man womöglich endlich einen
       adäquaten Ersatz für den früheren Mittelfelddominator Xaver Schlager
       gefunden haben. Ein, zwei, drei weitere Akteure mit Potenzial könnten
       richtig gut werden. Genaues weiß man eben leider oder Gott sei Dank in
       dieser Phase nicht, weshalb die Fantasien blühen dürfen.
       
       ## Spiel mit Ball weiterentwickeln
       
       Ähnlich unklar ist die nähere Zukunft von Union Berlin, wo Trainer Urs
       Fischer hofft, einen qualitativ erweiterten Kader zusammenzuhaben, der die
       Zusatzbelastung der Champions League verkraften kann und gleichzeitig in
       der Liga den kontinuierlichen Aufstieg der vier Bundesligajahre seit 2019
       (Platzierungen 11, 7, 5, 4) stabilisiert. Fischers Kern ist und bleibt das
       Verteidigen und Laufen, aber er will für einen nachhaltigen Qualitätssprung
       schon auch das Spiel mit Ball weiterentwickeln, was in Wolfsburg deutlich
       zu sehen war, wenn auch noch nicht erfolgreich. „Das wirst du in Madrid
       brauchen“, sagte Fischer. „Da wird es Phasen geben, die müssen wir
       überstehen, indem wir uns bei Ballgewinn spielerisch aus dem Druck lösen.“
       
       Selbstverständlich hält man bei Union – anders als auf dem Spielfeld – den
       Ball außerhalb eisern flach, aber [3][für große Sprüche gab es in Berlin ja
       nie eine Marktlücke], sondern Hertha BSC. Die Verpflichtung von
       Nationalspieler Robin Gosens steht indes schon stellvertretend und am
       sichtbarsten dafür, dass Union klar ist, dass man das Underdog-Spiel nur
       noch begrenzt spielen kann. Gosens Treffer in Wolfsburg war bereits sein
       dritter. „Letzten Endes hat er nichts gebracht“, brummte er zwar, aber auch
       wenn er nicht fürs Toreschießen geholt wurde, ist das schon eine echte
       Duftmarke.
       
       Nun hat Union zweimal in Folge verloren. Zweimal in Folge! Dass das
       erwähnenswert ist, zeigt auch, wie die Ansprüche steigen und die
       Normalitätsvorstellungen sich eben doch verschieben. Deshalb darf man nicht
       denken, dieses New Kid in Town könnte am Mittwoch bei der
       Champions-League-Premiere im Bernabeu „befreit“ aufspielen und das bis vor
       Kurzem noch fantastische Ereignis einfach genießen. Sie stehen jetzt unter
       Druck wie ein normaler Champions-Ligist. Und genau das markiert den
       Fortschritt.
       
       17 Sep 2023
       
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