# taz.de -- HIV-Medikamente im Tierfutter in Uganda: Keiner isst Hühner und Schweine
       
       > Seit Jahren werden HIV-Medikamente dem Tierfutter beigemischt. Die
       > Regierung hat das gewusst. Nun untersucht ein Ausschuss den Skandal.
       
 (IMG) Bild: Was ist drin? Fleischer im Dorf Kabembe, im Speckgürtel der ugandischen Hauptstadt Kampala
       
       KAMPALA taz | Als Amos Atumanya, Leiter der ugandischen Behörde für
       Medikamentenzulassung (NDA), vergangene Woche vor Ugandas Parlament trat,
       waren die versammelten Abgeordneten sprachlos: Vor laufenden Kameras
       gestand er, dass seine Behörde seit fast zehn Jahren darüber Bescheid weiß,
       dass Nutztieren wie Hühnern und Schweinen gezielt Medikamente verfüttern
       werden, die bei Menschen das HI-Virus unterdrücken sollen, sogenannte
       ARV-Medikamente. Man habe sich allerdings entschieden, die Öffentlichkeit
       nicht zu informieren, um „keine Panik zu verursachen und den Export von
       Fleisch nicht zu gefährden“.
       
       Laut Ugandas HIV-Aids-Kommission sind rund 1,4 Millionen Menschen im Land
       HIV-positiv. Über die Hälfte nimmt täglich solche ARV-Medikamente zu sich,
       um das Virus im Körper zu unterdrücken. Uganda war in den 1990er Jahren
       eines der ersten Länder Afrikas, das das damals relative unbekannte Virus
       erforschen ließ und staatliche Präventionskampagnen startete.
       
       Seitdem investieren internationale Organisationen sowie westliche
       Partnerländer enorme Summen über HIV-Programme des Global Fund, um Ugandas
       marodem Gesundheitssystem im Kampf gegen HIV/Aids unter die Arme zu
       greifen. So gibt es ARVs bei allen Gesundheitseinrichtungen quasi
       kostenlos.
       
       [1][Mittels Korruption] könnten demnach große Mengen der ARV-Vorräte an
       Tierzüchter weitere gegeben worden seien, so die Vermutung der
       Parlamentarier in der anschließenden Fragerunde. Doch Atumanya winkt ab:
       Seine Behörde sei für Medikamente bei Menschen zuständig, nicht für
       Veterinärmedizin. Da sei das Landwirtschaftsministerium oder Ugandas Büro
       für Lebensmittelsicherheit gefragt. Allerdings gibt Atumanya zu, dass der
       regelmäßige Konsum dieser Medikamente durch Tierfleisch langfristig
       Resistenzen gegen die Wirkstoffe bei Menschen auslösen könne, falls sie im
       Falle einer HIV-Infektion auf diese Medikamente angewiesen seien.
       
       ## Das Ergebnis sei alarmierend
       
       Dieses Geständnis verursachte in Ugandas Medien einen regelrechten
       Aufschrei. Unterfüttert wird der ganze Skandal durch einen Bericht der
       staatlichen renommierten Universität Makerere, der Ende August herauskam.
       
       Forscher der Fakultät für Öffentliche Gesundheit hatten in den vergangenen
       Monaten Proben in zahlreichen Metzgereien und Schlachtbetrieben in
       verschiedenen Bezirken des Landes aber vor allem im Speckgürtel rund um die
       Hauptstadt genommen, wo die meisten Hühner- und Schweinezuchtanlagen sind.
       Das Ergebnis sei alarmierend, so der Abschlussbericht: Über ein Drittel der
       getesteten Hühner- und die Hälfte der Schweinefleischproben weisen Spuren
       antiretroviraler Medikamente auf, die für die Behandlung von HIV/Aids
       eingesetzt werden.
       
       „Der Hauptgrund für den ARV-Einsatz bei Hühnern in der Landwirtschaft ist
       vor allem wirtschaftlicher Natur“, heißt es in dem Bericht der Universität:
       Da HIV-Patienten in der Regel aufgrund der Infektion Gewicht verlieren,
       seien diesen ARV-Medikamenten Stoffe beigemischt, die die Gewichtsreduktion
       hemmen.
       
       ## Mehr Anfälligkeit für Tierseuchen
       
       Bei Masttieren könne dies zu Übergewicht führen und damit den Profit
       erhöhen, so die Forscher: Durch die zunehmende Industrialisierung der
       Landwirtschaft als Folge von Ugandas Entwicklungsplan entstehen immer mehr
       große Zucht- und Mastbetriebe, die letztlich für Tierseuchen wie Geflügel-
       oder Schweinepest anfällig werden. Auch der Masseneinsatz von Antibiotika
       ist in diesen Zuchtanlagen mittlerweile Standard geworden.
       
       Ugandas Verband der Hühnerzüchter weist nun alle Verantwortung weit von
       sich: „Unsere Verbandsmitglieder (…) befolgen strenge Richtlinien und
       Vorschriften, um sicherzustellen, dass unser Geflügel und unsere Produkte
       sicher und gesund sind“, heißt es in einer Presserklärung. „Der Missbrauch
       von ARVS verstößt nicht nur gegen diese Richtlinien, sondern beeinträchtigt
       auch die wichtige Rolle, die diese Medikamente bei der Behandlung von
       HIV/Aids-Patienten spielen“, stellt der Verband klar.
       
       Ugandas Parlament hat nun einen Untersuchungsausschuss einberufen, der
       zahlreiche Wissenschaftler einlud, zu den Folgen für Menschen Stellung zu
       nehmen. Diese sind sich allerdings uneinig: Doktor Hussein Oria von der
       Fakultät für Pharmazie an der Makerere Universität stellte klar: Der
       Stoffwechsel von Schweinen könne diese Medikamente fast gar nicht selbst
       abbauen.
       
       ## Ugandas Präsident verzichtet auf das Fleisch
       
       Dies bedeute: Die Wirkstoffe seien beim Fleischkonsum also fast
       100-prozentig erhalten und würden dann erst im menschlichen Körper
       abgebaut. Dies führe bei Menschen langfristig eindeutig zu Resistenzen.
       Doktor Herbert Luswata, Vorsitzender des Medizinerverbandes, argumentierte
       gegenüber den Abgeordneten allerdings, dass die nicht verstoffwechselten
       Wirkstoffe vom Körper direkt wieder ausgeschieden würden und deswegen nur
       maximal 24 Stunden nachweisbar seien, also auch keine Spätfolgen hätten.
       
       Die Regierung kündigte nun weitere Untersuchungen an. Ugandas Präsident
       Yoweri Museveni, afrikaweit ein [2][großer Verfechter der
       Industrialisierung der Landwirtschaft als Entwicklungsmotor] des
       Kontinents, merkte in seiner jüngsten Rede an die Nation an: Er esse weder
       Hühnchen noch Schweinefleisch, dies mache Menschen „instabil“.
       
       Als das Virus in den 1980er Jahren in Uganda zum ersten mal als Seuche
       nachgewiesen werden konnte, waren bis zu 30 Prozent der Bevölkerung
       HIV-positiv. In den 1990er Jahren sank es auf 18 Prozent und weiter auf
       gerade einmal rund 6 Prozent im Jahr 2006. Seitdem steigt die
       Ansteckungsrate wieder, vermutlich auch durch die kostenlose Verfügbarkeit
       von ARV-Medizin, [3][die ein normales Leben nun fast wieder möglich macht].
       Die Rate liegt derzeit bei 7,3 Prozent. Ugandas Virenforscher testen
       derzeit einen Impfstoff gegen das HI-Virus.
       
       13 Sep 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simone Schlindwein
       
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