# taz.de -- Presse in Indien: Durchsucht, verhört, verhaftet
       
       > Indien geht hart gegen das regierungskritische Medium „Newsclick“ vor.
       > Aber Opposition und Kolleg:innen solidarisieren sich.
       
 (IMG) Bild: Anfang Oktober festgenommen: „Newsclick“-Gründer Prabir Purkayastha
       
       Was gerade passiere, sei ein Zeichen der Verzweiflung der Regierung,
       [1][sagt die preisgekrönte indische Schriftstellerin Arundhati Roy]. Sie
       gehört zu den protestierenden Medienschaffenden, die in diesen Tagen in
       Indien für Aufsehen sorgen. Mit Kundgebungen im Presseclub der Hauptstadt
       Delhi, auf dem Protestplatz Jantar Mantar oder einer Mahnwache in der
       Küstenstadt Mumbai. Die jüngste Razzia gegen Mitarbeitende des
       regierungskritischen Nachrichtenportals Newsclick gilt als Versuch, die
       Pressefreiheit im Land einzuschränken.
       
       Roy trägt in Delhi ein Schild um den Hals, auf dem sie „Freiheit für die
       Presse“ fordert. „Es gibt eine große Verachtung und Respektlosigkeit
       gegenüber der Presse“, sagt sie. Etwa, dass der indische Premierminister
       Narendra Modi von der regierenden hindunationalistischen BJP in seiner mehr
       als neunjährigen Amtszeit noch keine Pressekonferenz gegeben hat.
       Journalist:innen ohne Grund zu schikanieren und zu inhaftieren werde
       nicht toleriert, äußerten sich andere, auch Organisationen wie etwa [2][der
       Mumbaier Presseclub].
       
       Am 3. Oktober wurden der 76-jährige Newsclick-Gründer Prabir Purkayastha
       und ein weiterer Mitarbeiter für zunächst eine Woche in Gewahrsam genommen.
       Eine Sondereinheit führte in den frühen Morgenstunden vor allem in Delhi
       zahlreiche Durchsuchungen in Büros und Wohnungen von über 40 ehemaligen,
       aktuellen und freiberuflichen Mitarbeiter:innen des Portals durch. Es
       wurden Verhöre durchgeführt, Mobiltelefone und Laptops beschlagnahmt. Das
       Büro in Delhi wurde versiegelt.
       
       „Wir haben weder eine Kopie der Strafanzeige erhalten, noch wurden wir über
       die genauen Details der uns zur Last gelegten Straftaten informiert“,
       [3][teilte Newsclick auf seiner Website mit]. Journalistische
       Unabhängigkeit und Kritik seine keine „antinationale“ Stimmungsmache. Grund
       für die Verhaftung seien mutmaßliche Verbindungen Purkayasthas zu einem
       unter Hausarrest stehenden Aktivisten. Die Webseite verbreite angeblich
       chinesische Propaganda. Das harte Vorgehen der Behörden wird mit dem
       berüchtigten Anti-Terror-Gesetz UAPA gerechtfertigt, das auch gegen
       kritische Medienschaffende angewandt wird. Für viele ist klar, diese
       Repressionen sollen eine abschreckende Wirkung haben.
       
       „Wenn jemand eine Straftat begangen hat, werden die Ermittlungsbehörden
       tätig“, rechtfertigte Informationsminister Anurag Thakur (BJP) das Vorgehen
       auf einer Pressekonferenz.
       
       ## Vereinte Nationen beunruhigt
       
       Das Menschenrechtskommissariat der Vereinten Nationen äußerte sich
       [4][gegenüber dem Magazin Wire]: „Unser Büro ist beunruhigt über Berichte
       über Razzien, Verhaftungen und Festnahmen sowie die Beschlagnahmung von
       Eigentum von Journalisten in Delhi.“ Medienschaffende forderten unterdessen
       Indiens obersten Richter Dhananjaya Chandrachud öffentlich auf, sich für
       Newsclick einzusetzen.
       
       Nach Angaben des Free Speech Collective, einer indischen Plattform, die
       sich für Meinungsfreiheit einsetzt, wurden z[5][wischen 2010 und 2023
       insgesamt 16 indische Journalist:innen unter dem UAPA verhaftet].
       Sieben befinden sich noch in Haft.
       
       [6][Geeta Seshu] vom Collective beklagt, dass Kolleg:innen „als
       Terroristen stigmatisiert werden“. Der Anstieg der UAPA-Fälle sei ein
       Zeichen dafür, dass die Meinungsfreiheit in Gefahr sei. Unterstützung kommt
       auch von anderen Medien, etwa von der [7][Tageszeitung The Hindu], die das
       Szenario einen „nicht erklärten Notstand“ nannte. Das widerspricht dem
       Bild, das Indiens Premier Modi gerne zeichnen möchte: Während des
       G20-Vorsitzes betonte er, Indien sei die Mutter der Demokratie.
       
       ## Newsclick ist der Regierung nicht unbekannt
       
       Auch die Opposition kritisierte die Zentralregierung in Delhi. Der
       Ministerpräsident des Bundesstaates Kerala verurteilt das Vorgehen gegen
       Newsclick [8][in den Medien] gar als „verwerflich“ und eine „faschistische
       Methode“ zur Unterdrückung abweichender Meinungen.
       
       Schon 2021 geriet Newsclick ins Visier der Regierung, damals begann die
       Steuerbehörde mit Ermittlungen [9][wegen einer hohen ausländischen
       Finanzierung]. Im August wurden erneut Anschuldigungen laut. Die Arbeit für
       Medienschaffende in Indien wird seit Jahren schwieriger. [10][Auch die
       britische BBC erlebte im Februar bereits Durchsuchungen der Büros und
       Befragungen durch Finanzbeamte] – kurz nach der Ausstrahlung der kritischen
       BBC-Dokumentation „The Modi Question“.
       
       Das schwedische Forschungsinstitut V-dem stufte Indien nunmehr als
       „Wahlautokratie“ ein. [11][Auf der Rangliste der Pressefreiheit von
       Reporter ohne Grenzen steht das Land auf Platz 161 von 180.]
       
       5 Oct 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://twitter.com/TheQuint/status/1709588658028704127
 (DIR) [2] https://twitter.com/mumbaipressclub/status/1709618948332016060
 (DIR) [3] https://www.newsclick.in/statement-newsclick-oct-3-raids-special-cell-delhi-police
 (DIR) [4] https://thewire.in/media/united-nations-commissioner-for-human-rights-troubled-by-newsclick-raids-arrests
 (DIR) [5] https://freespeechcollective.in/2023/10/05/in-india-16-journalists-under-uapa-seven-behind-bars/
 (DIR) [6] https://www.outlookindia.com/national/silencing-the-media-the-alarming-trend-of-uapa-being-used-against-journalists-news-322397/amp
 (DIR) [7] https://www.thehindu.com/opinion/editorial/undeclared-emergency-the-hindu-editorial-on-the-arrests-in-the-newsclick-case/article67380803.ece
 (DIR) [8] https://indianexpress.com/article/india/kerala-cm-condemns-delhi-police-action-news-portal-newsclick-fascist-method-8968223/
 (DIR) [9] https://www.wionews.com/india-news/explained-newsclicks-alleged-links-to-china-who-received-the-money-and-when-642210
 (DIR) [10] /Durchsuchungen-bei-BBC-in-Indien/!5916913
 (DIR) [11] /Pressefreiheit-in-Indien/!5928808
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Natalie Mayroth
       
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