# taz.de -- Expertin über UN-Entwicklungsziele: „Nur ein Bruchteil der Billionen“
       
       > Die UN wollen bis 2030 den Hunger bekämpfen – ein weiter Weg. Expertin
       > Lisa Sachs sagt, was bei der Entwicklungshilfe schiefläuft.
       
 (IMG) Bild: Im Juli erinnern Aktivisten an die Einhaltung der Ziele zur Entwicklungspolitik
       
       taz: Frau Sachs, 2015 haben die UN 17 Entwicklungsziele vereinbart, die bis
       2030 erreicht werden sollen, die Bekämpfung von Hunger etwa. Im Vorfeld
       [1][der Vollversammlung] kam der Sustainable Development Goals Summit
       zusammen, um sich mit diesen Zielen zu befassen. Denn die Halbzeitbilanz
       fällt ernüchternd aus. Wo liegt im aktuellen System das Problem bei der
       Finanzierung von Entwicklungshilfe? 
       
       Lisa Sachs: Wie US-Finanzministerin Janet Yellen bereits sagte: „Experten
       schätzen den Finanzierungsbedarf auf Billionenhöhe, und wir haben bisher
       mit Milliardenbeträgen gearbeitet.“ Die reichen Länder haben lediglich
       finanzielle Unterstützung in Milliardenhöhe zugesagt und diese Zusagen sind
       bis jetzt nicht einmal umgesetzt worden.
       
       Was noch? 
       
       Darüber hinaus, und das ist entscheidend, verfügen die meisten armen Länder
       über ein schlechtes Kreditrating. Infolgedessen sind diese Länder mit
       kurzen Laufzeiten und hohen Zinssätzen für Staatsanleihen konfrontiert.
       Private Kapitalmärkte können und werden wichtige SDG (Sustainable
       Development Goal)-Investitionen nicht zu angemessenen Bedingungen
       finanzieren. Stattdessen treiben die vielen Kredite diese Länder noch
       tiefer in kurzfristige, illiquide und teure Schulden.
       
       Wie können arme Länder diese Schuldenfalle umgehen? 
       
       Bei den aktuellen großen Schuldenkrisen in armen Ländern handelt es sich in
       fast allen Fällen um Liquiditätskrisen, da die Länder nicht in der Lage
       sind, bestehende Schulden mit langen Laufzeiten und niedrigen Zinssätzen zu
       verlängern. Eurobonds und bilaterale Kredite haben kurze Laufzeiten und
       treiben Länder in Liquiditätskrisen. Die Schuldenstände wären bei langen
       Laufzeiten und niedrigen Zinssätzen tragbar und beherrschbar, insbesondere
       wenn die Finanzierung auf Bildung, Gesundheitssysteme, Infrastruktur und
       andere öffentliche Investitionen mit hoher langfristiger Rendite
       ausgerichtet ist.
       
       Was für Reformvorschläge gibt es, um die Finanzierung für Entwicklungshilfe
       zu verbessern? 
       
       Länder müssen in der Lage sein, mehr Kredite aufzunehmen, und zwar zu
       besseren Konditionen. Dies erfordert eine Überarbeitung des Rahmens zur
       Schuldentragfähigkeit des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank.
       Dieser hindert die Mitgliedstaaten aktuell daran, die von ihnen benötigten
       langfristigen Kredite aufzunehmen. Es erfordert zudem eine Neugestaltung
       der Kreditratings, die sich im Moment auf kurzfristige Liquidität
       konzentrieren und das Wachstumspotenzial durch langfristige, zinsgünstige
       Kredite ignorieren. Hierbei handelt es sich um strukturelle Veränderungen,
       die notwendig sind – und nicht um einen einmaligen Schuldenerlass –, obwohl
       Schulden-gegen-SDG-Swaps (also Schulden-gegen-Infrastruktur-Tausch oder
       Schulden-gegen-Klima-Tausch) Teil des Ganzen sein können, indem sie
       Investitionen in diese Bereiche ermöglichen.
       
       Bessere Kreditkonditionen also. Was muss sich noch tun? 
       
       Wir brauchen mehr Finanzierungsmöglichkeiten und -mechanismen, die sowohl
       für [2][soziale Ausgaben wie Gesundheit als auch für Investitionen in die
       Energieinfrastruktur] Geld zur Verfügung stellen. Diese könnten sowohl an
       halbstaatliche Unternehmen als auch öffentlich-private Partnerschaften
       fließen. Die Finanzierung sollte über
       Entwicklungsfinanzierungsinstitutionen ausgezahlt werden – hauptsächlich
       über multilaterale und regionale Entwicklungsbanken sowie andere
       multilaterale Finanzierungseinrichtungen –, die ein Darlehen zu niedrigen
       Zinssätzen und mit langer Laufzeit weitergeben, zusammen mit technischer
       Hilfe und regionaler Koordinierung. Derzeit betragen die Zusagen dieser
       Instrumente nur einen Bruchteil der benötigten Billionen.
       
       21 Sep 2023
       
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 (DIR) Hansjürgen Mai
       
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