# taz.de -- Dorf in Nigeria überfallen: Rache in zwei Akten
       
       > Knapp 40 Menschen sind an zwei Tagen im Dorf Gurokayeya getötet worden.
       > Es ist der erste schwere Angriff im Bundesstaat Yobe seit Jahren.
       
 (IMG) Bild: 2014: Nigerianer:innen flüchten vor Kämpfen zwischen Boko Haram und der nigerianischen Armee
       
       COTONOU taz | Es geschah am späten Montagnachmittag im Dorf Gurokayeya, das
       im Bundesstaat Yobe im Nordosten Nigerias liegt. Wie viele bewaffnete
       Menschen kamen, ist nicht sicher. Nach Einschätzung der Tageszeitung The
       Punch zwangen sie die Opfer, ihre Häuser zu verlassen. Außerhalb des Dorfes
       haben sie nach ersten Informationen mindestens 17 Menschen erschossen.
       
       Weitere 20 Menschen starben am folgenden Tag durch eine Landmine. Die Opfer
       waren aus Nachbarorten angereist, um an der Beerdigung der Getöteten vom
       Montag teilzunehmen. Im Islam werden Verstorbene üblicherweise innerhalb
       von 24 Stunden beerdigt. Auf dem Heimweg explodierte der Sprengsatz, als
       ein Auto darüber fuhr. Es heißt, dass die Angreifer ihn versteckt hatten.
       Zehn sollen am Anschlagsort gestorben sein, die übrigen im Krankenhaus.
       
       Die Polizei hat beide Anschläge bestätigt. Nach Informationen von Dungus
       Abdulkarim, Polizeisprecher in Yobe, ist noch nicht klar, wer das Massaker
       verübt hat. Die Rede ist von mutmaßlichen Boko-Haram-Kämpfern. Die 2001
       gegründete Gruppe hat sich ab 2010 radikalisiert und unter anderem 2013 bei
       einem Angriff auf die staatliche weiterführende [1][Schule im Ort Mamudo
       mindestens 40 Personen ermordet]. Im selben Jahr wurden in der Stadt Gujba
       mehr als 50 Schüler:innen in ihren Schlafsälen erschossen.
       
       Seit dem [2][Tod von Abubakar Shekau im Jahr 2021] gilt Boko Haram aber als
       stark geschwächt. Dazu hatte bereits fünf Jahre zuvor eine Abspaltung
       beigetragen. Der Islamische Staat in der Westafrikanischen Provinz (ISWAP)
       gilt seit Jahren als einflussreicher. Er ist vor allem rund um den
       Tschadsee aktiv.
       
       ## Zoll und Wegegeld
       
       Nach Informationen von Augenzeug:innen, die The Punch zitiert, spricht
       einiges dafür, dass die mutmaßlichen [3][Täter zum ISWAP gehören]. Die
       Gruppe kontrolliert seit Jahren Dörfer im Nordosten. Da staatliche
       Strukturen fehlen, verlangt sie von den Einwohner:innen Zölle und
       Wegegeld. In Nigeria ist Erntezeit. ISWAP-Angehörige ziehen durch die
       Dörfer und ziehen Steuern auf Landwirtschaftsprodukte ein. Es wird
       vermutet, dass der Überfall stattfand, weil in Gurokayeya die Abgaben nicht
       gezahlt wurden. Einen ähnlichen Vorfall soll es bereits im Landkreis
       Tarmuwa gegeben haben. Belegen lässt sich das aber nicht.
       
       Wenige Stunden vor dem Angriff hatte auch der Gouverneur von Borno, dem
       angrenzenden Bundesstaat, vor der Gewalt gewarnt. Er sagte, dass beide
       Terrorgruppen ohne geeignete Sicherheitsmaßen die Region weiter „quälen“
       würden. Vor allem müsse die Rekrutierung von Kindern verhindert werden.
       
       Bis vor einigen Jahren gab es Massenentführungen, deren Opfer vor allem
       Kinder, Jugendliche und Frauen waren. Allerdings werden auch Menschen, die
       oftmals kaum Perspektiven haben, angeworben oder bedroht, damit sie sich
       einer Terrorgruppierung anschließen.
       
       Ebenfalls am Montag hatten [4][Präsident Bola Tinubu] und sein Kabinett
       einem Nachtragshaushalt in Höhe von 2,8 Milliarden US-Dollar zugestimmt.
       Damit sollen „dringende Probleme“ wie Sicherheit finanziert werden. Tinubu
       steht seit Monaten stark in der Kritik, weil sich die Wirtschaftslage
       verschlechtert hat. Kritisiert werden die Ende Juni weggefallenen
       Benzinsubventionen, die allerdings die Vorgängerregierung beschlossen
       hatte. Maßnahmen zur Abfederung gibt es nicht.
       
       Auch sind bisher keine Strategien bekannt, wie der Terrorismus im Nordosten
       bekämpft werden soll. Nach Informationen der Internationalen Organisation
       für Migration (IOM) leben im Nordosten Nigerias weiterhin knapp 2,3
       Millionen Binnenflüchtlinge.
       
       2 Nov 2023
       
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 (DIR) Katrin Gänsler
       
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