# taz.de -- Nach dem Abgang von Sahra Wagenknecht: Neuer Soundtrack für die Linkspartei
       
       > Der Vorsitzende der Linken hat einen fragwürdigen Musikgeschmack. Ein
       > paar Song-Vorschläge für den nächsten Wahlabend der Partei.
       
 (IMG) Bild: Ein bisschen von gestern: Alexandra, Roy Black, Vicky Leandros und Rex Gildo beim Filmball 1969 in Mainz
       
       Wer glaubte, in Sachen Linkspartei könne ihn gar nichts mehr überraschen,
       hat sich geirrt. Nein, gemeint ist nicht der Austritt von Sahra Wagenknecht
       und ihren Jüngern, der war überfällig. Sondern [1][das Interview, das
       Parteichef Martin Schirdewan anschließend dieser Zeitung gab].
       
       Auf die Frage, welches Lied die aktuelle Lage der Partei beschreibe, sagte
       Schirdewan: Vicky Leandros, „Ich liebe das Leben“.
       
       Ich erwarte ja von der Linkspartei keine popkulturelle Avantgarde, aber
       dass ihr Vorsitzender einen deutschen Schlager von 1975 heranzieht, hätte
       ich auch nicht gedacht. Zumindest eins hat Schirdewan erreicht: Den Vorwurf
       von Wagenknecht, die Linkspartei habe sich einer „Lifestyle-Linken“ an den
       Hals geschmissen, hat er entkräftet.
       
       Dabei gibt es viel passendere Lieder, die die Lage der Partei erklären und
       beim nächsten Parteitag oder Wahlabend laufen könnten – oder bei der
       [2][Trauerfeier].
       
       99 Problems (Jay-Z) – aber Sahra ist keins mehr davon. So viele Probleme
       hat die Linkspartei jetzt zu lösen, mindestens. Bisher konnte sie sich
       hinter Wagenknecht verstecken und sie für alle Probleme verantwortlich
       machen.
       
       ## Die Internationale Linke zerfällt
       
       Dabei ist etwa [3][die außenpolitische Haltung der Partei in Sachen
       Russland] auch ohne die friedensbewegte Wagenknecht widersprüchlich bis
       ungeklärt. Man verurteilt den russischen Krieg in der Ukraine, unterstützt
       das Selbstverteidigungsrecht des Landes, will aber keine Waffen liefern.
       Wie das zusammengeht, ist unverständlich.
       
       Und dann gibt es ja noch 98 andere Probleme für die Partei: Die Verankerung
       in den Gewerkschaften fehlt, die Mitgliedschaft ist disparat – im Osten
       sehr alt und traditionell-sozialistisch, im Westen jung und
       bewegungsorientiert. Problem Nummer 96 bekommt ein eigenes Lied:
       
       Die Internationale: Das ist zwar ausnahmsweise nicht die Schuld der
       Linkspartei, aber die Internationale zerfällt. Der Krieg in der Ukraine
       hatte den Anfang gemacht, nun gibt der Krieg in Nahost der internationalen
       Solidarität den Rest. [4][Postkoloniale Linke haben teilweise Probleme
       damit, die Massaker der Hamas unmissverständlich zu verurteilen.] Und Linke
       in Deutschland tun sich schwer damit, zu verstehen, dass man die Welt aus
       dem globalen Süden anders sieht, als sie das tun.
       
       Das wird die Linke hierzulande noch lange beschäftigen. [5][Fridays for
       Future wird sich von dem Zerwürfnis zwischen ihrer deutschen Fraktion und
       den internationalen Ablegern] kaum erholen können. Und je schwächer die
       Bewegung, desto schlechter ist das für die Partei, die der Klimabewegung
       längst näher steht als die Grünen.
       
       ## Ohne Wagenknecht fehlt der Linken ein Gesicht
       
       Sie ist weg (Fanta 4): Ohne Sahra Wagenknecht fehlt der Linken etwas
       Entscheidendes zum Erfolg, nämlich Charisma, Prominenz, Köpfe. In der
       Linken, auch außerhalb der Partei, wird gern bestritten, dass so etwas
       Banales wie Popularität wichtig ist, man will ja schließlich kollektiv
       erfolgreich und egalitär sein. Aber wer die Partei in eine goldene Zukunft
       führen könnte, kann man sich beim aktuellen Spitzenpersonal nicht
       vorstellen: etwa der alte Gysi?
       
       I will survive: Okay, das ist auch nicht gerade ein zeitgenössisches Lied,
       aber was erwarten Sie von einem Kolumnisten, der vor allem Kinderlieder von
       der Toniebox hört? Es ist immerhin kein Schlager, und die kämpferische
       Gloria Gaynor zeigt der Linkspartei, wie es gehen könnte: „Anfangs hatte
       ich Angst; ich war wie versteinert / Dachte ich könnte nicht leben ohne
       dich an meiner Seite / Aber dann hab ich so viele Nächte damit verbracht,
       darüber nachzudenken, wie falsch du mich behandelt hast / Und ich wurde
       stark.“
       
       Es wäre nicht nur der Linken zu wünschen, dass Gaynor Recht behält.
       
       4 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Schirdewan-zur-Linken-und-Wagenknecht/!5966539
 (DIR) [2] /Linkspartei-am-Ende/!5772763
 (DIR) [3] /Die-deutsche-Linke-und-Russland/!5913842
 (DIR) [4] /Die-Linke-und-die-Barbarei-der-Hamas/!5966540
 (DIR) [5] /Antisemitismus-in-der-Klimabewegung/!5966754
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kersten Augustin
       
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