# taz.de -- Spaniens Überraschungsteam aus Girona: Ode an den Fußball
       
       > Der Girona FC wirbelt die spanische Liga durcheinander. Míchel, der
       > Trainer des Spitzenreiters, lässt sich von Pep Guardiola inspirieren.
       
 (IMG) Bild: Rundum zufrieden: Trainer Michel scheint in Girona alles zu gelingen
       
       Das Spitzenrestaurant Celler de Can Roca galt bislang als [1][berühmtester
       Botschafter der Stadt Girona]; in den einschlägigen Rankings wurde es
       jahrelang als globale Nummer eins geführt. Neuerdings aber kommentiere die
       Foodie-Gemeinde weniger seine Kreationen als den örtlichen Fußballklub,
       verriet Joan Roca, einer der leitenden Brüder, zuletzt der Tageszeitung La
       Vanguardia: „Köche und Kollegen aus aller Welt schreiben mir dauernd, um
       mich zu beglückwünschen.“
       
       Wer den Girona FC kicken sieht, kann den euphorischen Impuls gut
       nachvollziehen. Das Team aus der katalanischen Provinz zwischen Pyrenäen
       und Costa Brava führt nach 13 Spieltagen die spanische Liga an, zwei Punkte
       vor Real Madrid, vier vor dem FC Barcelona. Es hat elfmal gewonnen, nur
       einmal verloren und mit 31 Toren mehr erzielt als jede andere Mannschaft.
       Solche Zahlen gab es außerhalb der heiligen Dreifaltigkeit des spanischen
       Fußballs von Real, Barça und Atlético Madrid noch nie. Wie erst recht nicht
       den Umstand, dass ein Außenseiter mit einer Gehältergrenze von 51,98
       Millionen Euro (Real: 727,45 Millionen) dabei auch noch den besten Fußball
       zeigt.
       
       Am Wochenende etwa, während eines 2:1 bei Rayo Vallecano, dem sechsten
       Auswärtssieg in Serie: Wie ein Schwarm überfiel Girona den Strafraum,
       erdrückend wie beim Rugby, filigran in den Kombinationen, initiiert von
       Kapitän Aleix García, dem omnipräsenten Linksverteidiger Miguel Gutiérrez
       oder dem aufrückenden Innenverteidiger Daley Blind, weiterverarbeitet von
       Halbspitze Iván Martín, dem elektrischen Savinho auf links, dem
       intelligenten Viktor Tsygankov auf rechts, vollendet von dessen
       ukrainischem Landsmann Artem Dovbyk; mit 7,75 Millionen Euro ist der
       Mittelstürmer der teuerste Einkauf in der Geschichte eines Klubs, der
       seinen Kader bevorzugt aus Talenten, Leihgaben und Ablösefreien komponiert.
       
       Im Ergebnis steht „eines der besten Teams, gegen das ich seit Jahren
       gespielt habe“ – so sagte es Rayos Trainer Francisco nach einem auch von
       seiner Elf rundum offensiv geführten Match mit insgesamt 41 Torschüssen,
       dem bisher spektakulärsten der spanischen Saison.
       
       ## Besser als Real oder Barça
       
       Es war eine Ode an den Fußball mit so durchweg hohem Rhythmus, wie ihn Real
       und Barça schon lange nicht mehr hinbekommen, und ein ganz spezieller Sieg
       für den Vater des Girona-Märchens, Trainer Míchel. Der 48-Jährige kam nach
       Hause, er ist Rekordtorschütze von Rayo, war später auch Trainer dort, ein
       Sohn von Vallecas, dem Madrider Arbeiterviertel par excellence, wo seine
       Eltern den ganzen Tag in ihrem Obstgeschäft standen, derweil er von seiner
       Großmutter aufgezogen wurde. „Míchel, Enkel der María, willkommen im Kiez“,
       begrüßten ihn die Heimfans vor dem Anpfiff auf einem Transparent, das
       Stadion klatschte minutenlang.
       
       In Spanien wird Míchel mittlerweile für höchste Aufgaben gehandelt, aber
       wäre er nicht bei Rayo trotz eines Erstligaaufstiegs entlassen worden,
       würde er bestimmt dort noch trainieren. So ging es über Huesca – ebenfalls
       Aufstieg – vor gut zwei Jahren nach Girona, damals auch zweitklassig. Nach
       den ersten Monaten mit Míchel drohte gar der Fall in die dritte Liga. Die
       Klubführung? Verlängerte trotz Ergebniskrise seinen Vertrag. Sie schätzte
       seinen Spielstil. Girona gehört zu 47 Prozent der City Football Group,
       einem weltweiten Vereinskonglomerat mit Manchester City an der Spitze. Den
       Fußball, den Pep Guardiola dort predigt, möchte man gern überall sehen.
       
       Während Míchel bald in [2][Taktikorgien mit Guardiola] fachsimpelte („Es
       wäre dumm, die Nähe nicht zu nutzen“) und die Mannschaft aus ihrer
       bescheidenen Provinz nach Manchester durfte („Wir wähnten uns bei der
       Nasa“, so ein Spieler), gelang noch in derselben Saison über die Playoffs
       der Aufstieg in die erste Liga und dort auf Anhieb beinahe der Einzug ins
       internationale Geschäft. Zumindest das sollte diesmal klappen, der
       ursprüngliche Diskurs vom Klassenerhalt hat sich bei 27 Punkten Vorsprung
       auf die Abstiegszone erledigt. „Wir setzen uns keine Grenzen“, so Míchel,
       der Girona auch dadurch eroberte, dass er sich, eher untypisch für
       Rest-Spanier, nicht zu fein zum Erlernen der katalanischen Sprache war.
       
       Um das nur gut 14.000 Zuschauer fassende Stadion Montilivi kursiert jetzt
       immer öfter der Name einer englischen Stadt: Leicester. Dort wurde vor acht
       Saisons mit der Meisterschaft die Mutter aller modernen Fußballsensationen
       gefeiert. Kann Girona einen Leicester machen? „Zweifelsohne können sie um
       den Titel kämpfen“, [3][findet Carlo Ancelotti], der Trainer von Real
       Madrid; dem Verfolger.
       
       13 Nov 2023
       
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