# taz.de -- Umstrittenes Gesobau-Projekt in Pankow: „Die Beteiligung war eine Farce“
       
       > Noch im November könnte der Rodungsstopp an der Ossietzkystraße
       > aufgehoben werden. Die Wut der AnwohnerInnen über die landeseigene
       > Gesobau ist groß.
       
 (IMG) Bild: Kommt keiner mehr ran: Baustellenzaun um die zu rodende Fläche
       
       BERLIN taz | In den „Grünen Höfen“ an der Pankower Ossietzkystraße, wo
       AnwohnerInnen seit Jahren gegen ein [1][Nachverdichtungsprojekt der
       landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Gesobau] kämpfen, stehen uniformierte
       Wachschützer gelangweilt hinter Gitterzäunen. Es herrscht eine Art
       Belagerungszustand auf den beiden Grünflächen zwischen den Häuserriegeln.
       Niemand soll mehr den Bäumen nahekommen, die den beiden hier geplanten
       Gebäuderiegeln im Weg stehen – und deren Fällung hier viele verhindern
       wollen.
       
       Ganze 14 Sicherheitsmitarbeitende pro Schicht werden nach Angaben der
       Senatsverwaltung für Stadtentwicklung derzeit in der Anlage eingesetzt,
       beim Aufbau der Zäune hatten sie sogar Hunde dabei. Offenbar will die
       Gesobau mit allen Mitteln verhindern, dass bei den geplanten Baumfällungen
       noch etwas – oder jemand – dazwischenkommt. Für das Unternehmen ist schon
       ärgerlich genug, dass die Bäume und Sträucher auf den vorgesehenen
       Bauflächen nicht schon längst gerodet sind.
       
       Grund dafür ist der jüngste Streit mit dem Pankower Umwelt- und
       Naturschutzamt, aus dessen Sicht die Gesobau im Vorfeld der Baumaßnahme
       beim Artenschutz geschlampt hat. Anfang Oktober sprach das Amt einen
       Rodungsstopp aus, weil nicht geprüft worden war, ob Fledermäuse die
       teilweise ausgewachsenen Laubbäumen als Lebensraum nutzen. Die Bauherrin
       beantragte – erfolglos – eine Ausnahmegenehmigung, nach mehrmaligem Hin und
       Her stellte sie Anfang November einen Eilantrag.
       
       Die zwischenzeitlich ebenfalls von ihr eingereichten Unterlagen, die
       nachweisen sollen, dass Fledermausbestände untersucht und gegebenfalls für
       Ersatznistkästen gesorgt wurde, will das Umwelt- und Naturschutzamt bis
       Ende kommender Woche (24.11.) prüfen. Sollte dann die Rückmeldung an die
       Gesobau positiv ausfallen, müsste wohl etwas äußerst Unerwartetes
       passieren, um noch die Fällung von 66 Bäumen – zumindest nach Zählung der
       Bürgerinitiative „Grüner Kiez Pankow“ – und die Einebnung eines
       Kinderspielplatzes zu verhindern.
       
       Die Initiative setzt sich schon seit 2019 gegen das Bauprojekt ein,
       [2][massiven Zulauf bekam sie ab Dezember 2022]. Da nämlich schlug die
       Gesobau mit Unterstützung der Senatsbauverwaltung dem Bezirk ein
       Schnippchen. BVV und Bezirksamt hatten die AnwohnerInnen in ihrer
       Argumentation unterstützt, die geplante Nachverdichtung sei in Zeiten des
       Klimanotstands keine gute Idee. Sie brachten einen „Klima-Bebauungsplan“
       für den Kiez auf den Weg, gemäß dem deutlich weniger als die vorgesehenen
       99 Wohnungen hätten gebaut werden können. Nun aber wies die Gesobau die
       planerisch unveränderten Gebäude als Modulare Flüchtlingsunterkunft (MUF)
       aus – und erhielt vom Senat Sonderbaurecht.
       
       ## Laternen und Runde Tische
       
       An vielen Wochenenden und mit viel prominenter Unterstützung hat die
       Initiative mit Mahnwachen und zuletzt einem [3][Laternenumzug durch
       Alt-Pankow] für den Erhalt der Bäume oder zumindest den Klima-B-Plan als
       Kompromiss gekämpft. Als letzter Versuch, noch das Ruder herumzureißen,
       lädt sie seit einigen Wochen zu „Runden Tischen“, an denen allerdings weder
       der Senat noch die Gesobau ihre Teilnahme für notwendig erachten, wie
       Britta Krehl von „Grüner Kiez Pankow“ der taz berichtet. Krehl und andere
       Mitglieder verweisen immer wieder darauf, dass das von der Gesobau für die
       ursprüngliche Planung angewandte „Werkstattverfahren“ zur Bürgerbeteiligung
       eine Farce gewesen sei.
       
       Fred Bordfeld, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der Linkenfraktion in
       der BVV, sieht das ähnlich: „Das Grundproblem sind die völlig
       unterschiedlichen Herangehensweisen an Beteiligung. Die Gesobau kommt von
       ihren Zielzahlen, identifiziert Baupotenzial in ihren bestehenden
       Siedlungen und lädt dann die AnwohnerInnen ein.“ Echte
       Einflussmöglichkeiten hätten die aber nicht mehr. „Salopp gesagt heißt es
       dann: Bauen können wir sowieso, aber ihr dürft sagen, wie herum wir das
       L-förmige Gebäude in euren Hof setzen sollen.“
       
       Die von vielen BeobachterInnen als Trick wahrgenommene Verquickung mit dem
       Sonderbaurecht für Geflüchtetenunterkünfte hält auch Bordfeld für
       „verantwortungsloses Handeln der Senatsbauverwaltung“. Es hätte eines
       „geordneten Verfahrens“ bedurft, den Konflikt um das extrem strittige
       Vorhaben zu befrieden – „nicht des Sonderbaurechts, das anderen Stellen ja
       dringend notwendig ist“.
       
       Immerhin: Rechte haben es bis jetzt nicht geschafft, das für sie so
       attraktive Thema zu instrumentalisieren. Schließlich stellt die
       Bürgerinitiative auch bei all ihren Einladungen immer wieder klar: „Wir
       distanzieren uns von fremdenfeindlichem Gedankengut und Gewalt jeder Art!“
       
       16 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.gesobau.de/wohnungsbau/wohnhaeuser-fuer-gefluechtete-in-der-uebersicht/kavalierstrasse/
 (DIR) [2] /Umstrittenes-Bauprojekt-in-Pankow/!5915742
 (DIR) [3] https://xn--grner-kiez-pankow-32b.de/save-the-date-grosse-demo-durchs-alt-pankower-zentrum-samstag-11-11-23-um-16-uhr/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Claudius Prößer
       
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