# taz.de -- Ausschreitungen bei Eintracht Frankfurt: „Die Polizei hat gelogen“
       
       > Einsätze wie in Frankfurt seien Teil einer neuen Polizeistrategie vor der
       > EM, fürchten Fanvertreter. Die Polizeigewerkschaft rüstet auch verbal
       > auf.
       
 (IMG) Bild: Konfrontatives Verhältnis: In Hamburg stürmte die Polizei den Gästeblock der Fans aus Hannover
       
       Die Reaktionen geben Eintracht Frankfurt recht. „Für solche Statements
       liebe ich den Verein“, feiert ein Frankfurter Fußballfan bei X die
       Stellungnahme des Vereins zu den gewalttätigen Auseinandersetzungen
       zwischen Ultras der Eintracht und der Polizei am letzten Wochenende.
       
       [1][Über 100 Verletzte auf beiden Seiten soll es geben], die Schuld dafür
       schieben sich Fans und Polizei gegenseitig zu. Der Verein schafft mit
       seiner Stellungnahme nun etwas Differenzierung. Nach den ersten
       Untersuchungen der Eintracht sollen „kleinere Gruppen“ von Frankfurt-Fans,
       die sich durch Wegschubsen des Ordnungsdiensts Zugang zum Fanblock
       verschaffen wollten, Ausgangspunkt für die Auseinandersetzung gewesen sein.
       
       Die Polizei wurde laut Verein zur Hilfe gerufen, nachdem rund 20 Personen
       einen Sicherheitsmitarbeiter von Eintracht Frankfurt mit Schlägen
       angegriffen haben sollen: Das habe die gesamte Ereigniskette erst in Gang
       gesetzt und sei „nicht hinnehmbar“, heißt es in der Stellungnahme. Auch die
       fünfzehn „zunächst unbehelmten“ Polizisten seien aus verschiedenen
       Richtungen attackiert worden.
       
       Die Fanhilfe von Eintracht Frankfurt hatte unmittelbar nach den Vorfällen
       allein die Beamten für die Gewalt verantwortlich gemacht und ihnen
       vorgeworfen, die Eskalation heraufbeschworen zu haben. Dem widerspricht die
       Eintracht nun recht deutlich. „Das ärgert uns“, sagt Ina Kobuschinski von
       der Eintracht-Fanhilfe gegenüber der taz. „Der Verein weiß, dass die
       Polizei gelogen hat.“
       
       ## Verein irritiert über Risikospiel
       
       Die Pflicht zur Aufarbeitung umfasse auch den Polizeieinsatz, schreibt der
       Verein, dessen Vorstand Philipp Reschke eine sorgfältige Auswertung der
       „Erkenntnisse und Augenzeugenberichte“ verspricht. Etwas irritiert wirkt
       der Verein ob der angeblichen Einschätzung der Polizei, das Spiel zu einem
       sogenannten Risikospiel mit erhöhtem Sicherheitsvorkommen zu erklären. Dies
       sei „zu keinem Zeitpunkt im Vorfeld kommuniziert“ worden, heißt es in dem
       Statement.
       
       Während die Eintracht darum bemüht scheint, vor dem Europapokal-Heimspiel
       gegen Paok Saloniki am Donnerstag die Spannung etwas herauszunehmen, rüsten
       Polizeivertreter verbal weiter auf. Nachdem die Polizeigewerkschaft aus
       Hessen vom Staat bereits das konsequente Aussprechen und Durchsetzen von
       Stadionverboten forderte, [2][meldete sich nun Rainer Wendt], Chef der
       Deutschen Polizeigewerkschaft, zu Wort: „Auffällige Fußballchaoten müssen
       mit Präventivhaft rechnen“, so Wendt gegenüber Ippen Media mit Blick auf
       die Europameisterschaft im nächsten Jahr.
       
       Das dürfte die Sorge von Fanvertreterinnen wie Linda Röttig vom Dachverband
       der Fanhilfen weiter nähren, die auf taz-Anfrage sechzehn polizeiliche
       Einsätze bei Fußballspielen allein in dieser Saison zählt, „bei denen es zu
       völlig inakzeptablen Übergriffen gegen Fans kam oder bei denen massiv in
       die Grundrechte der Zuschauer eingegriffen wurde“.
       
       [3][Diese Häufung] zeige, dass die Polizei die Einsätze vor der EM „anders“
       angehe, die öffentlichen Äußerungen seien zudem „gewalttätig“, so Röttig:
       „Dies sind düstere Aussichten für alle Fußballfans.“ Vom Dachverband kommt
       zudem die Forderung, ein Pfefferspay-Verbot bei Polizeieinsätzen im
       Fußballstadion zu erwägen, weil der Einsatz zu zahlreichen Verletzten
       geführt habe, auch von Beamten. Dass diese von der Polizei anschließend als
       Opfer von Fangewalt geführt wurden, bezeichnet Röttig als „absoluten Hohn“.
       
       Dass sich Vereine wie die Eintracht inzwischen verstärkt um eine eigene
       Aufarbeitung von Polizeigewalt bemühen und diese Aufgabe nicht mehr allein
       der Staatsgewalt überlassen, sieht Röttig grundsätzlich positiv, „jedoch
       kommen sie dabei selbstverständlich an Grenzen“, so die Rechtsanwältin. „Um
       polizeiliches Fehlverhalten umfassend aufzuklären, braucht es überall
       unabhängige Ermittlungsstellen mit starken Durchgriffsrechten.“
       
       29 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Gewalt-im-Fussballstadion/!5972888
 (DIR) [2] /Fangewalt-in-Dortmund/!5378264
 (DIR) [3] /Polizeigewalt-vor-Stadtderby/!5888267
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) David Kulessa
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Fußballfans
 (DIR) Polizei
 (DIR) Eintracht Frankfurt
 (DIR) G20
 (DIR) Fußball
 (DIR) Stadtland
 (DIR) Polizeigewalt
 (DIR) Fußball
 (DIR) Fußball
 (DIR) Fußballfans
 (DIR) Fußballspiele
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) G20-Ermittlungen gegen Polizisten: Keine Heilung für Hamburgs Justiz
       
       Die Botschaft der Staatsanwaltschaft bleibt: In Hamburg dürfen Polizisten
       Beine brechen, ohne dass etwas passiert. Hauptsache, sie tun es gemeinsam.
       
 (DIR) Fankrawalle in Griechenland: Ständige Gewaltspiele
       
       Nach jüngsten Fanausschreitungen in Athen kämpft ein Polizist um sein
       Leben. Bis Februar gibt es nun in der ersten Fußballliga nur Geisterspiele.
       
 (DIR) Fotografin über Hamburger Hafenstraße: „Aus Wut ist viel Gutes entstanden“
       
       Die Fotojournalistin Marily Stroux begleitete die Hamburger Hafenstraße in
       den 1980ern. In ihrem neuen Fotoband zeigt sie den damaligen Alltag.
       
 (DIR) Ermittlungen gegen Polizei eingestellt: Der Rechtsstaat, zum Draufspucken
       
       Sechseinhalb Jahre nach G20 in Hamburg bleibt Polizeigewalt komplett
       ungesühnt. Die letzten Ermittlungen gegen Polizisten wurden jetzt
       eingestellt.
       
 (DIR) Soziologe über Gewalt im Fußballstadion: „Eskalation durch Nichtigkeiten“
       
       Soziologe Andreas Klose über sogenannte Stadionallianzen, die den Konflikt
       zwischen Polizei und Ultras entschärfen sollen.Wie funktionieren sie?
       
 (DIR) Gewalt im Fußballstadion: Knüppel, Gewalt und Tränengas
       
       Immer wieder kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen Fans und Polizei. In
       Frankfurt gab es mehrere Verletzte – auf beiden Seiten.
       
 (DIR) Polizeigewalt beim Hamburger Derby: Mehr als nur ein Einzelfall
       
       Nach dem Polizeieinsatz vor dem Hamburger Zweitligaderby müssen nicht nur
       die Vorfälle vor Ort aufgeklärt werden. Es geht um Grundsätzlicheres.
       
 (DIR) Hintergründe der Stadionkatastrophe: „Ein Fass, das übergelaufen ist“
       
       Andrin Brändle ist Kenner des indonesischen Fußballs. Der Schweizer spricht
       über die Stadionkatastrophe von Malang, Ultras und strukturelle Gewalt.