# taz.de -- Senat für härtere Immigrationsgesetze: Frankreichs rechte Scharfmacher
       
       > Innenminister Darmanin wollte die Immigrationsgesetze reformieren. Die
       > rechte Opposition setzt auf noch mehr Härte – und drückt das im Senat
       > durch.
       
 (IMG) Bild: Mag sich nicht wirklich freuen: Innenminister Gerald Darmanian, hier: am 6. November im französischen Senat
       
       PARIS taz | In erster Lesung hat am Dienstagnachmittag der von den
       Konservativen dominierte französische Senat eine neue [1][Immigrations- und
       Asylgesetzgebung] angenommen. Innenminister Gérald Darmanin, der dazu seine
       Vorlage eingebracht hatte, mag sich nicht wirklich freuen. Denn der
       verabschiedete Gesetzestext hat mit seinem Regierungsentwurf nicht mehr
       viel zu tun.
       
       Unter Federführung der Senatoren der konservativen Partei Les Républicains
       (LR) und auch unter dem außerparlamentarischen politischen Druck der
       fremdenfeindlichen Rechten ist mit 210 gegen 115 Stimmen eine weitgehend
       verschärfte Gesetzesrevision – die 29. oder 30. seit 1980 in Frankreich –
       gutgeheißen worden. Die rechten Senatoren möchten die Immigration
       grundsätzlich mit jährlich festzulegenden „Quoten“ begrenzen.
       
       Bevor die neuen Regeln allenfalls in Kraft treten könnten, müssen ab 11.
       Dezember die Abgeordneten der Nationalversammlung debattieren und darüber
       befinden. Und im „Unterhaus“, so hofft die Regierung, wird aufgrund anderer
       Mehrheitsverhältnisse die Suppe vielleicht nicht ganz so heiß angerichtet
       wie im traditionell sehr konservativen Senat.
       
       Doch auch in der Nationalversammlung verfügen die Regierungsparteien
       alleine nicht über eine Mehrheit, sie sind darum auf die Zustimmung von
       Abgeordneten aus der rechten Opposition angewiesen, denen der eher als
       „Scharfmacher“ renommierte Darmanin vor allem im Kampf gegen die
       [2][illegale Einwanderung] zu wenig weit geht.
       
       ## Regularisierung Arbeitender aus Gesetz gestrichen
       
       Dass die konservative Rechte für ihre Unterstützung eine politische
       Gegenleistung erwartet, findet Darmanin „an sich nicht schlecht“.
       Eigentlich aber sollte seine Reform auf „zwei Beinen“ stehen: einerseits
       eine Verschärfung der Bedingungen für die Abschiebung von Sans-papiers (zu
       Deutsch: „Ohne-Papiere“) und diversen Immigranten, welche mit den Gesetzen
       in Konflikt geraten oder die „Prinzipien der Republik“ missachten.
       Umgekehrt sollte es aber die Integration von Schwarzarbeitenden, die in
       Wirtschaftszweigen mit akutem Personalmangel mit tätig sind, erleichtern.
       Diese in ursprünglichen Artikel vorgesehene Regularisierung von bisher ohne
       legalen Status arbeitenden Menschen ist im Senat gestrichen worden.
       
       Im Senat haben die Konservativen namentlich auch das bisherige System der
       medizinischen Versorgung für Ausländer*innen, die sich mindestens sechs
       Monate in Frankreich aufhalten und über sehr schwache Einkünfte verfügen,
       gestrichen. Das wird namentlich in einem Offenen Brief von mehr als 3.000
       Ärzt*innen kritisiert. Sie sagen, sie würden auch in Zukunft und nicht
       zuletzt im Interesse der öffentlichen Gesundheit diese Patienten kostenlos
       behandeln, wie sie dies als angehende Mediziner mit dem hippokratischen Eid
       geschworen hätten.
       
       Eine sehr bedeutungsvolle Änderung verlangt der Senat bei der Einbürgerung
       aufgrund der Geburt auf französischem Boden. Diese erfolgte bisher beim 18.
       Altersjahr automatisch, neu müsste die französische Staatsbürgerschaft von
       in Frankreich aufgewachsenen Kindern zugewanderter Eltern ausdrücklich
       gewünscht werden.
       
       Damit wird das in Frankreich seit rund 7 Jahrhunderten geltende „Ius soli“
       (Geburtsortsprinzip) infrage gestellt. Eine solche Willenserklärung für die
       Staatszugehörigkeit war bereits von 1993 bis 1998 in Kraft. Aufgrund der
       negativen Erfahrungen (unter anderem wegen einer eindeutigen
       Diskriminierung der damals schlechter informierten Mädchen) wurde diese
       Bedingung für einen französischen Pass aber wieder gestrichen.
       
       ## Für Sozialhilfe würde legaler Aufenthalt erforderlich
       
       Die Schraube des Gesetzgebers angedreht hat der Senat auch im Bereich der
       [3][Familienzusammenführung], beim Anrecht auf Familienzulagen und anderen
       Sozialhilfen, für die nun ein legaler Aufenthalt in Frankreich von
       mindestens fünf Jahren erforderlich sein soll.
       
       Vorgesehen ist zudem, dass Asylgesuche von der zuständigen (und notorisch
       überlasteten) Behörde OFPRA viel rascher als bisher behandelt werden, damit
       die Abgewiesenen keine Rekurse einreichen, sondern zum Verlassen des
       französischen Territoriums aufgefordert oder in ihr Herkunftsland
       abgeschoben werden können.
       
       Darmanin akzeptiert diese zerpflückte und streng korrigierte Version seiner
       Vorlage als Ausgangspunkt für die Debatte der Abgeordneten. Aus linken
       Oppositionskreisen und bei einer Kundgebung unweit des Senats hieß es dazu
       etwas zynisch: „Der (fremdenfeindliche) [4][Front national] hat das
       erträumt, Darmanin erfüllt ihm den Traum.“
       
       15 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Immigrationsgesetz-in-Frankreich/!5968380
 (DIR) [2] /Memorandum-zwischen-Italien-und-Albanien/!5971754
 (DIR) [3] /Bund-Laender-Treffen-zu-Asylpolitik/!5968502
 (DIR) [4] /Antisemitismus-in-Frankreich/!5972182
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rudolf Balmer
       
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