# taz.de -- Nach Rücktritt des Premierministers: Transkriptionsfehler in Portugal
       
       > Premier Costa wurde der Korruption verdächtigt. Nun stellt ich heraus: Es
       > gab offenbar eine Verwechslung. Das Parlament wurde inzwischen aufgelöst.
       
 (IMG) Bild: Portugals scheidender Premierminister António Costa bei einer Pressekonferenz am 11. November
       
       MADRID taz | „Erstmals in der Geschichte unserer Freiheit beobachten wir
       eine schwerwiegende negative Verbindung zwischen Justiz und Politik“,
       bringt die Autorin Cândida Almeida in ihrer Kolumne „Die erstickte
       Demokratie“ in der Tageszeitung Jornal de Notícias zum Ausdruck, was viele
       ihrer portugiesischen Landsleute denken.
       
       Die Staatsanwaltschaft musste einen schweren Verfahrensfehler einräumen.
       Der angebliche Beweis, dass der sozialistische Premier António Costa in
       mutmaßliche Korruptionsfälle bei der Vergabe von [1][Lizenzen für
       Lithiumbergwerke] und andere Großprojekte verstrickt ist, beruht auf der
       fehlerhaften Abschrift eines abgehörten Telefongespräches.
       
       Dort war nicht – wie behauptet – von Premier António Costa die Rede,
       sondern von Wirtschaftsminister António Costa Silva. Die Ermittler hatten
       den zweiten Nachnamen einfach nicht in die Transkription übernommen. Von
       den Ermittlungen gegen Costa, der umgehend von seinem Amt zurücktrat,
       bleibt somit nichts.
       
       Almeida leitete einst selbst die oberste Strafverfolgungsbehörde. Sie wirft
       nun der Staatsanwaltschaft vor, das Justizgeheimnis verletzt zu haben,
       indem Ermittlungsdetails durchgesickert seien.
       
       Jetzt, [2][nur eine Woche nach der Durchsuchung des Regierungssitzes],
       zweier Ministerien und 38 weiterer Anwesen stürzt auch der Rest des
       Ermittlungsverfahrens wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Die fünf
       Verhafteten, darunter Vitor Escária, Kabinettschef des Premiers und Lacerda
       Machado, Unternehmer und Freund Costas wurden auf freien Fuß gesetzt,
       teilweise mit Auflagen. Das Gericht sieht keine Hinweise für
       „Gegenleistungen für konkretes Verhalten“. Haft sei „unverhältnismäßig“. Es
       wird sich zeigen, ob letztendlich mehr als übliche Lobbyarbeit übrig
       bleibt.
       
       ## Neuwahlen stehen bereits für März an
       
       „Ist zu klären, warum und mit welchem Ziel Frau Oberstaatsanwältin in den
       Regierungspalast ging“, erhebt Almeida einen schweren Vorwurf. Denn der
       Schaden ist angerichtet. Der konservative Staatspräsident Marcel Rebelo de
       Sousa hat das Parlament, in dem die Sozialisten über die absolute Mehrheit
       verfügen, für das Ende der laufenden Haushaltsdebatte aufgelöst und
       [3][Neuwahlen für den 10. März] angesetzt.
       
       Der Politik- und Rechtswissenschaftler und Professor an der Universität in
       Lissabon, José Adelina Maltez, spricht vom „Monster des Rechtsapparats“ und
       von „einer unkontrollierten Staatsanwaltschaft“.
       
       Für den Chef der Vereinigung der Staatsanwälte, Adão Carvalho, hat die
       mangelhafte Abschrift „keine größere Relevanz für den Fall“. Es sei kein
       Problem, „dass es eine gewisse Abweichung zwischen Transkription und Audio
       gibt, da alle am Verfahren Beteiligten Zugriff darauf haben und
       letztendlich die Aufzeichnung als Beweismittel gilt“, erklärte er in einem
       Radiointerview.
       
       [4][Costa, dessen politische Karriere abrupt zu Ende ging], dürfte dies
       anders sehen. Er regierte seit 2015 mit einer sozialen Politik. Seine
       Sozialistische Partei (PS) wird auf einem Sonderparteitag im Dezember eine
       Nachfolger wählen, der dann im März versuchen muss, die Regierungsmehrheit
       zu halten. Es kandidieren Innenminister José Luís Carneiro und der
       ehemalige Infrastrukturminister Pedro Nuno Santos.
       
       Die PS will nach vorn schauen. „Wir werden nicht die kommenden vier Monate
       damit verbringen, über ein Gerichtsverfahren zu diskutieren“, erklärte
       Santos bei der Ankündigung seiner Kandidatur.
       
       15 Nov 2023
       
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