# taz.de -- Putschangst in Sierra Leone: Kämpfe in der Hauptstadt Freetown
       
       > Angriffe auf die wichtigste Militärkaserne und das Zentralgefängnis
       > erschüttern Sierra Leones Hauptstadt Freetown. Regierung verhängt
       > Ausgangssperre.
       
 (IMG) Bild: Lage nicht unter Kontrolle: Maskierte Bewaffnete auf einer Straße in Freetown, Sonntag 26. November
       
       BERLIN taz | In Sierra Leone ist am Sonntag die Angst vor einem
       Militärputsch umgegangen. Der Grund: schweres Gewehrfeuer in der Nacht im
       Umfeld der wichtigsten Militärkaserne des Landes. „Unidentifizierte
       Individuen“ hätten in den frühen Morgenstunden versucht, in die Wilberforce
       Barracks in der Hauptstadt Freetown einzubrechen, [1][gab das
       Informationsministerium am Vormittag bekannt]. „Sie wurden alle
       zurückgeschlagen.“
       
       Wenn damit alles vorbei gewesen wäre, hätte die Regierung allerdings wohl
       nicht gleichzeitig eine landesweite Ausgangssperre verhängt, „um den
       Sicherheitskräften zu ermöglichen, den Vorgang der Festsetzung der
       Verdächtigen fortzuführen“, wie es in der Erklärung weiter hieß. Man sei
       dabei, „die Überreste der flüchtigen Renegaten auszuräuchern“, [2][erklärte
       Staatspräsident Julius Maada Bio] wenig später.
       
       Am Mittag leerte sich Sierra Leones Zentralgefängnis in Freetown, allgemein
       als Pademba Road Prison bekannt, das eigentlich für 220 Häftlinge ausgelegt
       ist, in dem aber zuletzt über 2.000 einsaßen. Videos zeigen, wie [3][die
       Zellen geöffnet] werden und später mutmaßlich Entflohene die
       Gefängnismauern und Straßen entlangrennen. Zu den Befreiten soll der
       Rapmusiker Boss La gehören, der seit 2022 unter dem Vorwurf des Diebstahls
       einsaß und auf seinen Prozess wartete.
       
       [4][Informationsminister Chernor Bah bestätigte] am Nachmittag, die
       Sicherheitskräfte seien „im Interesse des Schutzes ziviler Menschenleben zu
       einem taktischen Rückzug gezwungen“ gewesen. Dies habe die Öffnung mehrerer
       Gefängnisse ermöglicht. „Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass die SLBC
       (staatlicher TV/Rundfunk) nicht in Flammen steht und nicht belagert wird“,
       versuchte der Minister die Öffentlichkeit zu beruhigen. Es gebe Kämpfe im
       Stadtviertel Jui.
       
       Die Lage in Sierra Leone ist angespannt, seit Präsident Julius Maada Bio am
       24. Juni wiedergewählt wurde. Die Opposition erkannte den Sieg nicht an,
       forderte Neuwahlen unter der Ägide einer neuen Wahlkommission und
       verkündete einen Boykott des ebenfalls neugewählten Parlaments sowie der
       Kommunalvertretungen. Der Streit endete nach Abschluss eines international
       vermittelten Abkommens am 19. Oktober, das unter anderem die Einstellung
       jeglicher juristischen Verfolgung im Zusammenhang mit der Wahl vorsah.
       
       Erst am 4. November war [5][im Nachbarland Guinea] das Zentralgefängnis in
       Conakry von Schwerbewaffneten gestürmt worden. Zahlreiche Häftlinge kamen
       kurzzeitig frei, darunter Ex-Diktator Dadis Camara. Der prominenteste
       Ausbrecher, der wegen Massakern angeklagte Ex-General Claude Pivi, ist
       weiter flüchtig.
       
       26 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://twitter.com/MoiceComm/status/1728670950126735747
 (DIR) [2] https://twitter.com/PresidentBio/status/1728688657819738592
 (DIR) [3] https://twitter.com/victor_kenani/status/1728725155709395218
 (DIR) [4] https://twitter.com/Cee_Bah/status/1728767537117069413
 (DIR) [5] /Chaos-in-Guinea/!5968384
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
       
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