# taz.de -- Portugiesische Nachwuchsfußballer: Schule der Stars
       
       > Die Jugendakademien von Benfica und Sporting Lissabon bilden in Serie
       > Spitzenfußballer für europäische Topteams aus. Wie ist das nur möglich?
       
 (IMG) Bild: Bei Benfica ausgebildet: Ausnahmespieler João Félix spielt mittlerweile leihweise beim FC Barcelona
       
       Ab und an wird in der Jugendakademie von [1][Benfica Lissabon] ein riesiger
       Kuchen aufgetischt. Immer dann, wenn einer aus ihren Reihen seinen ersten
       Einsatz im Profiteam hatte, kommen sie alle zusammen und schlemmen zur
       Feier des Tages: die Spieler aus den Jugendteams, Trainer, Offizielle und
       der riesige Staff drumherum.
       
       „Das sind immer stolze Momente für uns alle, auch wenn der Kuchen natürlich
       nur ein Symbol ist“, erklärt Pedro Mil-Homens. Der 71-Jährige ist so etwas
       wie die „graue Eminenz“ auf Benficas Campus, der rund 15 Kilometer entfernt
       vom Zentrum Lissabons im Vorort Seixal liegt. „Alle Jungs, die wir hier
       auf dem Campus ausbilden, haben einen einzigen Traum: einmal für die
       Benfica-Profimannschaft zu spielen.
       
       Und gleichzeitig ist alles, was wir hier tun, diesem Ziel untergeordnet:
       Spieler für die erste Mannschaft auszubilden“, erklärt Mil-Homens. Im Lauf
       der vergangenen Saison schafften mit Innenverteidiger Antonio Silva (20)
       und Sechser João Neves (19) erneut zwei Eigengewächse den Sprung in die
       Stammmannschaft, die vom Deutschen Roger Schmidt trainiert wird, und wurden
       kurz darauf Nationalspieler.
       
       Schmidt findet die Jugendarbeit für seinen Verein essenziell: „Die
       Jugendabteilung genießt höchstes Ansehen und ist riesig. Es schaffen jedes
       Jahr Spieler den Sprung. Das ist ein wichtiger Teil der Vereins-DNA.“
       
       ## Große Auswahl an Talenten
       
       Durchlässigkeit von der Jugendabteilung zu den Profis – laut Schmidt ist
       das Benficas Schlüssel zum Erfolg: „Benfica hat eine U19, eine U23, eine
       B-Mannschaft, die in der zweiten portugiesischen Liga spielt und das
       Profiteam. Allein durch die Fülle der Spieler erhöht sich die
       Wahrscheinlichkeit, dass es jedes Jahr der ein oder andere zu den Profis
       schafft.“
       
       Jedes Jugendteam hat nicht 20 Spieler, sondern die doppelte Anzahl. Die
       Trainer haben pro Jahrgang also zwei komplette Mannschaften – die Spieler
       wechseln ständig die Teams, die Positionen, Aufgaben. Schmidt hat
       beobachtet: „Es gibt es hier nicht, dass ein Spieler wenig Einsatzzeiten
       bekommt, weil er körperlich vielleicht noch Defizite hat. Er spielt –
       jeweils angepasst an seine Bedürfnisse.“
       
       Die im Lissaboner Vorort Seixal ausgebildeten Spieler sind hochinteressant
       für die noch größeren, finanzstärkeren Vereine dieser Welt. Allein in den
       vergangenen fünf Jahren erwirtschaftete der Klub ein Transferplus von über
       450 Millionen Euro – so viel wie kein anderer europäischer Klub. Man
       kennt die Absolventen: Spieler wie Bernardo Silva, Rúben Dias und Ederson
       (alle Manchester City), João Cancelo (FC Barcelona), [2][Renato Sanches]
       (AS Rom) oder Nélson Semedo (Wolverhampton) wurden bei Benfica ausgebildet.
       
       Der Verein investiert massiv in die Jugendarbeit: Auf dem 2006 gegründeten
       und 2019 erweiterten Campus werden die jungen Fußballer ab der U14 von rund
       150 Mitarbeitern betreut. Auf dem riesigen Areal liegen verstreut neun
       Fußballplätze, ein Hotel- und Bürokomplex, Fitness- und
       Freizeiteinrichtungen – es fehlt an nichts.
       
       ## „Die Technik ist bei uns der König“
       
       Über 200 Scouts sichten landesweit schon 5-Jährige, die ab der U6 und U7
       bis zur U13 von sogenannten Benfica-Häusern aus, die es in ganz Portugal
       gibt, betreut werden. Wer mit 13 das entsprechende Potenzial hat, wird ins
       Internat geholt. Potenzial heißt bei Benfica vor allem: technische
       Fähigkeit. „Die Technik ist bei uns der König“, sagt Campus-Direktor
       Mil-Homens. Der Sportwissenschaftler, der sich in einem „zweiten Leben“
       einen Namen als Universitätsprofessor machte, erklärt: „Wer nicht perfekt
       in der Ballbehandlung ist, schafft es nicht auf Benficas Campus. Und wer
       einmal hier ist, hat beste Aussichten auf einen Weg als Profi.“
       
       Der heute für den FC Barcelona aktive João Félix wechselte 2019 für über
       120 Millionen Euro zu Atlético Madrid. Sein Bruder Hugo könnte der Nächste
       sein. Der 19-Jährige kommt gerade vom Training und grüßt schüchtern den
       Besucher. Respekt und Demut, das ist es, was die jungen Spieler auf dem
       Campus neben allen Fußballfinessen beigebracht bekommen. Als 15-Jähriger
       erhielt Hugo eine Auszeichnung. Nicht etwa aufgrund seiner tollen
       Dribblings auf dem Feld, mit Kumpel André Gomes hatte er den Wettbewerb des
       über die Saison am besten gepflegten Zimmers gewonnen.
       
       Eine knappe Autostunde vom Benfica-Campus entfernt, im ländlichen Stadtteil
       Alcochete, liegt die Academia Cristiano Ronaldo, die 2002 gegründete
       Jugendakademie [3][von Sporting Lissabon]. Es ist die Älteste ihrer Art in
       Portugal: Sporting war gewissermaßen der Vorreiter eines Projekts, das die
       Rivalen Benfica, FC Porto und SC Braga anschließend kopierten. Anschließend
       wurde Sporting, [4][das neben Ronaldo] Spieler wie Luís Figo, João
       Moutinho, Cédric, Ricardo Quaresma und Nani hervorbrachte, von den
       Konkurrenten überholt. Auf dem betagten Gelände kann man Fußball förmlich
       riechen – aber es müsste dringend mal renoviert werden. Auf einem
       Kunstrasenplatz wellt sich das Plastik, die Sanitäranlagen könnten mal neue
       Fliesen vertragen.
       
       Das Prinzip bei Sporting ist aber über all die Jahre gleich geblieben und
       nach wie vor von höchster Qualität. Für ein Spielsystem im 4-3-3 wird das
       größte Gewicht auf die Ausbildung von Offensivspielern gelegt. Äußerst
       erfolgreich: Zehn Jungs von der Sporting-Akademie bildeten das Gerüst des
       23-köpfigen Kaders, mit dem Portugal 2016 Europameister wurde. An der
       Sporting-Akademie wird allerdings nicht schematisch gearbeitet. „Wir
       betreuen jeden Spieler individuell“, sagt João Santos, Trainer der
       U16-Mannschaft des Vereins. „Wir identifizieren die für uns interessanten
       Jungs möglichst früh und entwickeln sie dann sukzessive weiter, arbeiten
       über Jahre ihre Stärken heraus“, erklärt er.
       
       ## Konzentration auf einheimische Nachwuchsspieler
       
       Fußballerisch sollen die Jungs auf ihrer jeweiligen Position perfekt
       werden, aber sie sollen auch das nötige Herz für ihren Sport und vor allem
       für Sporting entwickeln: „Die Spieler sollen sich hier wie in einer Familie
       fühlen. Die Formung eines Gemeinschaftsgefühls ist ein wichtiger Teil der
       DNA von Sporting. Es ist klar, dass dies nur mit Kontinuität erreicht
       werden kann.“
       
       Dass ein Jugendspieler den Verein wechselt, ist bei Sporting quasi
       unbekannt. Das gilt auch für die Jugendtrainer. „Du bist hier als Coach
       Teil eines langfristigen Konzepts“, erklärt Santos. Anders als bei anderen
       Vereinen konzentriert sich Sporting zudem auf einheimische Talente.
       Unterhalb der U19 sind nur junge Kicker mit portugiesischem Pass aktiv.
       „Die Heimatnähe ist wichtig“, erklärt Santos.
       
       Die jungen Spieler sollen möglichst wenig aus ihrem familiärem Umfeld
       gerissen werden. Dafür bietet ihnen Sporting Reisen ins Ausland: „Wir
       nehmen mit unseren Teams an möglichst vielen Turnieren weltweit teil. Das
       erweitert den Horizont der Spieler. Wenn sie dann später als Profi in die
       Welt hinausgehen, bringen sie schon eine Menge Rüstzeug dafür mit.“
       
       10 Dec 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.slbenfica.pt/en-us/
 (DIR) [2] /Benfica-Lissabon-gegen-FC-Bayern/!5289253
 (DIR) [3] https://www.sporting.pt/en
 (DIR) [4] /Portugals-Kapitaen-in-Saudi-Arabien/!5908097
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Olaf Jansen
       
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