# taz.de -- Ukraine unter Raketenbeschuss: Heftigste Angriffe seit Kriegsbeginn
       
       > Russland hat vor allem Kyjiw und Charkiw mit Raketen beschossen. Selbst
       > wenn die Luftabwehr sie erwischt, richten sie noch Schaden an.
       
 (IMG) Bild: Ein Bewohner sucht in seiner Wohnung, die zerstört wurde, nach wichtigen Papieren und Dokumenten
       
       LUZK taz | Schwarzer Rauch, brennende Häuser, Sirenen, Rettungskräfte, die
       seit Tagen nicht mehr geschlafen haben, um die Trümmer zu beseitigen. Die
       Bilder aus Kyjiw, das gerade zwei der heftigsten Raketenangriffe seit
       Kriegsbeginn 2022 überstanden hat, erinnern an London nach den
       Luftangriffen durch die deutsche Nazidiktatur 1940 im Zweiten Weltkrieg.
       
       Kyjiw und Charkiw waren zweimal – am 29. Dezember und am 2. Januar – nach
       Angaben des ukrainischen Militärs einem Rekordbeschuss ausgesetzt. Und auch
       zwischen den beiden Angriffen schickte das russische Militär jede Nacht 60
       bis 90 Kampfdrohnen in die Ukraine, um deren Luftabwehr lahmzulegen.
       
       Der [1][Angriff vom 29. Dezember 2023] war der bisher größte Luftangriff
       auf die Ukraine während des Krieges. 158 Ziele beschoss das russische
       Militär. Der Angriff vom 2. Januar war der bisher größte mit
       Kinschal-Überschallraketen, die nur von zwei Flugabwehrsystemen
       abgeschossen werden können. Insgesamt wurden dabei 134 Ziele in der Ukraine
       mit russischen Raketen verschiedener Typen [2][sowie iranischen
       Shahed-Drohnen] beschossen.
       
       Auch Charkiw hatte es in den letzten Tagen schwer. Die ostukrainische
       Stadt liegt quasi an der Grenze zu Russland, sodass S-300-Flugabwehrraketen
       das Zentrum der Millionenstadt innerhalb von Sekunden erreichen – genau das
       passierte am 2. Januar. Erst nach vier Explosionen ertönten die Sirenen des
       Luftalarms.
       
       ## Herabfallende Trümmer
       
       Die meisten Raketen über der Ukraine fängt mittlerweile die Luftabwehr ab.
       Das größte Problem sind herabstürzende Trümmer. Der Sprecher der Luftwaffe,
       Jurij Ihnat, erklärte, dass manchmal die Luftabwehr die russischen Raketen
       auch so trifft, dass der Sprengkopf nicht detoniert, sondern erst am Boden
       explodiert.
       
       Das geschah zum Beispiel bei einem Gebäude im Kyjiwer Stadtbezirk
       Solomjanka. Herabfallende Trümmer setzten die oberen Stockwerke des Hauses
       in Brand. Am Abend nach dem Einschlag sammelten Freiwillige herumliegenden
       Müll ein und ersetzten die zerstörten Fenster durch Sperrholzplatten, um
       die Wärme im Haus zu halten. Ein Teil des Gebäudes wird wohl unbewohnbar
       bleiben. Derzeit prüfen Ingenieure, ob die Bewohner des Hauses
       zurückkönnen. Etwa 30 Familien leben temporär in Ausweichquartieren.
       
       Am 2. Januar wurden fast 200 Ukrainer in Krankenhäuser eingeliefert, fünf
       Menschen starben. In Kyjiw starb durch russische Raketen eine 85-jährige
       Wirtschaftsprofessorin einer der angesehensten ukrainischen Hochschulen.
       
       Zwar versichert die russische Regierung weiterhin, ihre Armee beschieße
       ausschließlich militärische Ziele. Aber in der [3][Ukraine nimmt niemand
       mehr solche Aussagen ernst]. Trotzdem wurden tatsächlich auch einige
       Objekte militärischer Infrastruktur zerstört. Die Firma M-Tas meldete
       Schäden an seiner Produktion von Armeebekleidung. Eine Rakete traf eine
       Werkstatt des Militärs, in der unbemannte Luftfahrzeuge repariert wurden.
       
       ## „Nicht in Paranoia verfallen“
       
       Der Journalist Dmytro Tuzov im ukrainischen Rundfunk: „Wenn Russland die
       ukrainische Industrie mit Raketen beschießt, die pro Stück einige Million
       Dollar kosten, bedeutet das, dass die feindlichen Informanten äußerst
       effektiv arbeiten. Wichtig ist, dass wir nicht in Paranoia verfallen und
       uns nicht gegenseitig des Verrats verdächtigen. Aber wir müssen uns das
       Ausmaß der Bedrohung bewusst machen und aufmerksam bleiben.“
       
       Währenddessen hat der ukrainische Sicherheitsdienst Webcams abgeschaltet,
       die die Luftabwehrmaßnahmen in Kyjiw aufgezeichnet hatten. Es hatte sich
       herausgestellt, dass zwei der Onlinekameras von russischen Spezialdiensten
       gehackt worden, um das ukrainische Militär auszuspionieren.
       
       Aus dem Ukrainischen: Gaby Coldewey
       
       3 Jan 2024
       
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