# taz.de -- Drei Jahre nach Sturm aufs Kapitol: Der dunkle Schatten des 6. Januar
       
       > Das politische Amerika arbeitet sich an den Geschehnissen vom
       > Jahresbeginn 2021 ab. Donald Trump spricht bei den inhaftierten Anhängern
       > von „Geiseln“.
       
 (IMG) Bild: Mit rechts drohen: Trump am 6. Januar 2024 in Clinton, Iowa
       
       WASHINGTON taz | Zum dritten Mal jährte sich am 6. Januar der Tag, an dem
       gewaltbereite Trump-Anhänger das US-Kapitol stürmten. Im Gegensatz zu den
       vergangenen beiden Jahrestagen befinden sich die USA dieses Mal jedoch in
       einem Wahljahr – und das Ereignis von vor drei Jahren wirft einen großen
       Schatten voraus. Trotz unzähliger Videoaufnahmen, einer Untersuchung im
       US-Kongress und Hunderten von Gerichtsverfahren und Verurteilungen herrscht
       in der US-Bevölkerung noch immer Uneinigkeit darüber, was sich an diesem
       Tag tatsächlich zugetragen hat.
       
       Laut Ex-Präsident Donald Trump war es nichts weiter als eine „friedliche
       und patriotische“ Demonstration. Laut US-Präsident Joe Biden war es der
       Tag, an dem die USA fast alles verloren hätten. Fakt ist, dass am 6. Januar
       2021 ein gewalttätiger Mob aus Trump-Anhängern das US-Kapitol stürmte, um
       die dort für dieses Datum angesetzte Bestätigung von Bidens Wahlsieg zu
       verhindern. Mehr als 1.200 Menschen wurden seither wegen diverser Vergehen
       angeklagt.
       
       Die Verstöße reichen von Tätlichkeiten gegen Polizeibeamte bis hin zur
       Anstiftung zu einem gewaltsamen Aufstand. Mehr als 700 Beschuldigte haben
       bereits auf schuldig plädiert und mindestens 170 weitere wurden [1][per
       Gerichtsverfahren verurteilt]. Sogar am Jahrestag selbst verhaftete die
       Bundesbehörde FBI drei flüchtige Personen in Florida, denen ebenfalls
       Straftaten in Bezug auf den 6. Januar vorgeworfen werden.
       
       Die sozialen Netzwerke waren am Samstag voll mit Posts und Kommentaren zu
       den Ereignissen vom 6. Januar 2021. Vor allem Journalisten, die damals am
       Kapitol vor Ort waren, teilten ihre Erinnerungen. Demokraten nutzten den
       Jahrestag, um daran zu erinnern, dass Trump [2][mit seinen Lügen über eine
       angeblich gestohlene Wahl im Jahr 2020 für den Angriff auf das Kapitol
       mitverantwortlich gewesen war]. Es sei deshalb umso wichtiger,
       sicherzustellen, dass er die kommende Wahl nicht gewinnen werde.
       
       ## Trump unangefochten
       
       Ganz ähnliche Töne schlug auch Präsident Biden während einer Rede am
       Freitag in Pennsylvania an. Biden erklärte, dass es in einem Wahlkampfduell
       mit Trump, der aktuell der unangefochtene Topfavorit auf die
       republikanische Präsidentschaftskandidatur ist, um das Überleben der
       US-Demokratie gehe. „Donald Trump geht es um sich selbst. Nicht um Amerika.
       Nicht um euch. Donald Trumps Wahlkampagne ist besessen von der
       Vergangenheit, nicht aber von der Zukunft“, sagte der Demokrat während
       seiner Rede.
       
       Biden verdeutlichte zudem die zentrale Rolle seines Vorgängers, der im
       Vorfeld des 6. Januar 2021 mit seinen wiederholten Lügen über Wahlbetrug
       seine Anhänger zum Widerstand aufgerufen hatte. Bis heute hält Trump an
       diesen unbewiesenen und von Dutzenden Gerichten zurückgewiesenen
       Behauptungen von Wahlmanipulation fest.
       
       Trump selbst verbrachte den Jahrestag in [3][Iowa], wo am 15. Januar die
       ersten republikanischen Vorwahlen ausgetragen werden. Während zwei
       Wahlkampfveranstaltungen spielte er die Bedeutung der Ereignisse des 6.
       Januar herunter. Die verurteilten Demonstranten bezeichnete er sogar als
       „Geiseln“. „Sie haben genug gelitten. Entlasse die Geiseln des 6. Januar,
       Joe“, sagte er am Samstag.
       
       Sieht man sich ein neues, von NBC News veröffentlichtes Video vom 6. Januar
       2021 an, dann wird nochmals deutlich, wie aufgeheizt und gefährlich die
       Situation in der US-Hauptstadt an diesem Tag war. Das Video, welches von
       einem der Demonstranten aufgenommen wurde, zeigt eine Konfrontation
       zwischen zwei Kongressabgeordneten, Sicherheitskräften und Demonstranten
       innerhalb des Kapitols.
       
       Zu sehen ist in dem knapp achtminütigen Video, wie die republikanischen
       Abgeordneten Troy Nehls und Markwayne Mullin sich lautstark mit den
       Demonstranten auseinandersetzen, während Sicherheitskräfte mit gezogener
       Waffe an ihrer Seite stehen. „Ihr solltet euch schämen“, sagt der Texaner
       Nehls zum Mob, der sich vor dem Eingang zum Repräsentantenhaus versammelt
       hat. Einer der Demonstranten droht im Gegenzug, dass es zu einem großen
       Bürgerkrieg und viel Blutvergießen kommen werde, wenn die Wahl nicht
       rückgängig gemacht werde.
       
       Diese Prophezeiung hat sich in den letzten Jahren glücklicherweise nicht
       bestätigt, doch sollte es zu einem erneuten Duell zwischen Biden und Trump
       kommen, dann könnte dies für weitere Spannungen sorgen. Für Trump ist
       nämlich Biden die „echte Gefahr“ für die Demokratie im Land, wie er in
       einem Interview mit Fox News erklärte. „Joe Biden ist der schlechteste
       Präsident in der Geschichte der USA. Er ist inkompetent. Er ist korrupt. Er
       zerstört unser Land, wie noch nie jemand vor ihm.“
       
       Trump kritisierte auch Bidens Politik. Vor allem dessen Migrationspolitik,
       die, wie er beschreibt, zu einer Invasion von Terroristen, Geisteskranken
       und Straftätern führt. Es darf davon ausgegangen werden, dass der 6. Januar
       2021 und dessen Folgen in diesem Wahljahr noch öfter zur Diskussion stehen
       werden, denn auch wenn die US-Demokratie an jenem Tag nicht fiel, sie wankt
       noch immer.
       
       7 Jan 2024
       
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