# taz.de -- Transphobe und xenophobe Stand-up-Comedy: Gehässig und faul
       
       > Ricky Gervais und Dave Chappelle haben neue Shows veröffentlicht. Ihr
       > Versuch, relevant zu bleiben? Witze über Minderheiten und
       > Vergewaltigungen.
       
 (IMG) Bild: Ricky Gervais in seinem Netflix-Comedy-Special „Armageddon“
       
       Zum Ende seines neuen Comedy Specials [1][„Armageddon“ sagt Ricky Gervais]
       „Wenn ich tot bin, werdet ihr merken, dass das großartige Satire war.“ –
       Satirisch an der einstündigen Stand-up-Show ist allerdings nur er selbst,
       die Figur des alternden Mannes, für den die Gesellschaft irgendwann keinen
       Platz mehr haben wird.
       
       Gervais’ Programm besteht nämlich zu einem Großteil aus transphoben,
       xenophoben und schlichtweg faul geschriebenen Witzen. Darüber, dass Gervais
       kontrovers ist, ist er sich bewusst. Und seine Zuschauer feiern ihn dafür:
       Seine Shows sind ausverkauft und auf Netflix gehört er zu einem der
       erfolgreichsten Comedians. Doch die Pointen seiner Witze, mit denen er
       immer versucht, das nächste Tabu zu finden und zu brechen, sind
       mittlerweile so antizipierbar, dass kaum mehr von einem Schockmoment die
       Rede sein kann.
       
       Kontrovers an seinem Programm ist – abgesehen davon, wie oft es sich gegen
       marginalisierte Gruppen richtet – das schlechte Material.
       
       Sicher kann ein Witz, von dem man weiß, dass er nicht ganz in Ordnung war,
       manchmal lustig sein. Bei ihm fühlt sich das vermeintlich Verbotene aber
       wie eine Obsession an. Jedes Lachen sei gut, sagt Gervais, egal wie
       gehässig der Witz sein mag. Menschen, die ihn kritisieren, stempelt er als
       Autoritäre, Idioten, Liberale ab oder Schwächlinge, die sich von Worten
       gekränkt fühlen. Trans Personen werden getötet, queere Kinder in der Schule
       gemobbt. Worte sind nicht nur Worte.
       
       Auch Gervais’ [2][US-amerikanischer Kollege Dave Chappelle] macht gerne
       Witze über queere Menschen, auch dessen Special „The Dreamer“ erschien Ende
       Dezember auf Netflix. [3][2022 hatte ein Mann laut eigenen Angaben wegen
       solcher Witze versucht, ihn auf der Bühne mit einem Messer anzugreifen].
       Dass Witze weit über eine ideelle Wortwelt hinausgehen und echte Emotionen
       und Überzeugungen verursachen, sollte Chappelle also wissen. Das gilt nicht
       nur für die Gekränkten, sondern auch die Fans von Menschen wie ihm oder
       Gervais, die genüsslich und fast ausschließlich über Marginalisierte
       lachen.
       
       ## Chappelle tritt gezielt nach unten
       
       Der Name von Chappelles Special kommt übrigens daher, dass er sich selbst
       als „Dreamer“, also Träumer, bezeichnet. Und dass der heute 50-Jährige das
       erreicht hat, wovon er als Kind nur träumen konnte. Generell ist seine Show
       eher eine Reihe an Erzählungen, Anekdoten und Lebensweisheiten. Das
       evoziert noch mehr dieses Bild eines einst erfolgreichen Comedians. Die
       wenigen tatsächlichen Witze im Programm sind natürlich Tritte nach unten:
       wenn er nicht über trans Personen lacht, sind es Vergewaltigungen.
       
       Wenn anti-„woke“ Themen mittlerweile die einzigen sind, die diese
       „kontroversen“ Komiker abzudecken wissen, inwiefern unterscheiden sie sich
       dann noch von reaktionären, konservativen Personen, die nur noch an der
       Welt zu verlieren haben und wissen, dass die Zukunft nichts für sie zu
       bieten hat – außer vielleicht eine Stimme für Neurechte zu sein? Das Gefühl
       von Leichtigkeit, das Humor eigentlich verursachen sollte, fehlt. Vielmehr
       sieht man sich mit Ressentiment konfrontiert, das diesen Männern eindeutig
       ins Gesicht geschrieben steht.
       
       Erinnert man sich an Gervais’ Serien „Extras“ oder „The Office“, die der
       Brite in seiner Hochphase schrieb, gibt es auch Momente, die vielleicht
       nicht ganz so gut gealtert sind. Die Zielscheiben des Spottes waren jedoch
       meistens hierarchisch oben angesiedelt: in „The Office“ der ekelhafte Chef,
       in „Extras“ die idiotischen Hollywood-Schauspieler_innen.
       
       Auch bei den Golden Globes trat Gervais auf die Hollywood-Elite, wofür er
       viel Lob bekam. Das hatte etwas Rebellisches und genau das sucht man in
       „Armageddon“ oder Chappelles „The Dreamer“ vergebens.
       
       ## In Deutschland echauffiert sich Barth übers Gendern
       
       Der britische Comedian James Acaster kritisierte Ricky Gervais vor einigen
       Jahren bereits für sein damaliges Special „Humanity“. Auch darin hatte der
       62-Jährige Witze auf Kosten von trans Personen gemacht, immer mit der
       Begründung: „Wenn Leute das nicht abkönnen, sollen sie nicht einschalten.
       Ich bin hier, um Leute herauszufordern.“ [4][Acaster bemerkte richtig, dass
       es nicht unbedingt marginalisierte Gruppen wie trans Personen sind, die
       eine Herausforderung von „mutigen, kleinen cis-Jungs“ wie Ricky Gervais
       brauchen].
       
       Auch Deutschland brachte einen dieser Männer hervor, der aus irgendeinem
       Grund immer noch mit Bluthochdruck über Bühnen rennt. Mario Barth hat
       zuletzt wegen seiner Meinung übers Gendern mediale Aufmerksamkeit bekommen.
       In der MDR-Talkshow Riverboat trug der 51-Jährige ein Shirt mit der
       Aufschrift „[5][Ich gender nicht, ich habe einen Schulabschluss“] und regte
       sich darüber auf, dass man heutzutage nichts mehr sagen dürfe.
       
       Barth, Chappelle, Gervais – drei Geschöpfe also, die einer Kategorie
       angehören: verbitterte Männer, denen nichts Besseres einfällt, als das
       ohnehin schon populistische Klima anzuheizen, weil das der einzige Weg zu
       sein scheint, nicht in der Irrelevanz zu versinken. Oft können sie in
       schelmischer Antizipation dessen, welcher unangemessene Witz folgt, die
       Pointe kaum rausbringen. „Der nächste ist so böse, den kann ich nicht
       erzählen.“ Vielleicht sollten sie dieses Wort einfach halten.
       
       9 Jan 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Diskursiver-Jahresrueckblick/!5979682
 (DIR) [2] /US-Stand-up-Star-Dave-Chappelle/!5806210
 (DIR) [3] https://eu.usatoday.com/story/entertainment/celebrities/2022/05/23/dave-chappelle-alleged-attacker-motive-isaiah-lee-triggering-jokes/9890771002/
 (DIR) [4] https://www.independent.co.uk/arts-entertainment/comedy/news/james-acaster-ricky-gervais-armageddon-netflix-b2471446.html
 (DIR) [5] https://www.musikexpress.de/mario-barth-provoziert-in-talkshow-mit-veralteter-gender-meinung-2474491/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Valérie Catil
       
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