# taz.de -- Die Wahrheit: Quasi gottgleicher Studiker
       
       > Ein jetzt ans Licht gekommenes historisches Dokument wirft viele Fragen
       > auf: Ist es wirklich möglich, dass Franz Beckenbauer mal immatrikuliert
       > war?
       
 (IMG) Bild: „Geht’s raus und spuit’s Fußball“: Franz Beckenbauer beim analogen Wäscheaufhängen 1969
       
       Nach Franz Beckenbauers Tod am 7. Januar 2024 hat Fußballdeutschland seinen
       Frieden mit dem „Kaiser“ geschlossen: Verziehen und vergessen sind die
       leidigen Steuergeschichten und Korruptionsvorwürfe, mit denen er sich
       herumschlagen musste.
       
       Was zählt, sind seither endlich wieder seine großen sportlichen Erfolge,
       der Ruhm, den ihm seine elegante Spielweise eintrug, und die undeutsche
       Lässigkeit, die ihm zu eigen war: „Man wird von Franz Beckenbauer in
       Erinnerung behalten, wie schön er spielte, wie herzhaft er wütete, wie
       charmant er scherzte“ (Münchner Merkur). „Er war der Kaiser, der weltliche
       Herrscher über den Fußball, später sogar die Lichtgestalt für den Sport in
       Deutschland. Quasi gottesgleich“ (Deutschlandfunk). „Egal, wie und in
       welchem Zusammenhang man sich an ihn erinnern mag: Lasst den Kaiser dabei
       lächeln“ (Kicker). „Eine Ikone und ein deutscher Held“ (Tuttosport) …
       
       Doch jetzt fallen neue Schatten der Vergangenheit auf die Lichtgestalt.
       Wenn es stimmt, was die Pasingerin Ottilie Schießl berichtet, hat
       Beckenbauer sich Mitte der siebziger Jahre mehrmals mit einem gefälschten
       Studentenausweis ermäßigten Eintritt verschafft. „Und zwar in dem Kino
       Arena in der Hans-Sachs-Straße im Glockenbachviertel“, sagt Ottilie
       Schießl.
       
       „Da hat meine Mutter Babett an der Kasse gesessen und sich immer wieder
       darüber gewundert, dass der gutbetuchte Herr Beckenbauer mit einem
       Studentenausweis angekommen ist. Davon hat sie mir oft erzählt. ‚Aber Herr
       Beckenbauer‘, hat sie beim ersten Mal gesagt, ‚sind Sie jetzt unter die
       Studiker gegangen?‘ Darauf hat er geantwortet: ‚Studieren geht über
       Probieren!‘ Meine Mutter hat gefragt: ‚Was studieren Sie denn?‘ Und
       Beckenbauer hat erwidert: ‚Jura, Papyrologie und Numerus clausus!‘“
       
       Ottilie Schießl zufolge ist von ihrer Mutter auch überliefert worden,
       welche Filme Beckenbauer sich damals angesehen hatte: „Schwarzwaldfahrt aus
       Liebeskummer“, „Godzilla und die Urweltraupen“, „Blutnacht des Teufels“,
       „Zwei Schlitzohren in der gelben Hölle“, „Todeskommando Panthersprung“,
       „Dicke Luft in Sacramento“ und „Bruce Lee – Das Geheimnis der grünen
       Hornisse“ sowie „Champagner aus dem Knobelbecher“.
       
       Wie man weiß, strebte Beckenbauer zu jener Zeit jedoch allmählich in höhere
       kulturelle Sphären hinauf. 1977, sagt Ottilie Schießl, habe ihre Mutter
       auch einmal bei den Bayreuther Festspielen an der Kasse gesessen, und
       selbst dort habe Beckenbauer seinen Studentenausweis gezückt: „Da wollte er
       sich den verbilligten Eintritt für eine Aufführung von ‚Tristan und Isolde‘
       erschleichen. Und als seine Studienfächer hat er auf Nachfrage
       Tropenmedizin und Gießereitechnik angegeben! Meine Mutter hat dann
       Rücksprache mit dem Festspielleiter Wolfgang Wagner gehalten, und der hat
       ihr mitgeteilt, dass sie den Franz einfach durchwinken soll …“
       
       Den Studentenausweis hat Babett Schießl in Bayreuth allerdings einbehalten
       und ihn später ihrer Tochter vererbt. Die Tatsache, dass es sich um eine
       Fälschung handelt, geht bereits aus dem Schreibfehler im Namen der
       Universität mit Doppel-l hervor. Bezeichnenderweise fehlt außerdem die
       Angabe des Semesters. Offenkundig hatte Beckenbauer keine Lust dazu,
       zweimal jährlich einen neuen Ausweis zu fälschen.
       
       Eine Rückfrage bei der Ludwig-Maximilians-Universität hat ergeben, dass
       Beckenbauer dort nie immatrikuliert war. Anlässlich der Veröffentlichung
       seiner Single „Du bist das Glück“ (mit der B-Seite „1:0 für die Liebe“) im
       Jahre 1967 soll man dort allerdings überlegt haben, ihm die
       Ehrendoktorwürde zu verleihen – ein Plan, der jedoch fallengelassen wurde,
       nachdem Beckenbauer signalisiert hatte, dass er nicht gerade wild darauf
       sei, deswegen seinen Skiurlaub in Kitzbühel zu unterbrechen.
       
       ## Ausweis dann eben auf Ebay anbieten
       
       Ottilie Schießl, die von einer kleinen Witwenrente lebt, hat den
       Studentenausweis inzwischen sowohl dem Museum des FC Bayern, dem Münchner
       Filmmuseum und der Deutschen Kinemathek in Berlin als auch dem Deutschen
       Fußballmuseum in Dortmund und dem Bonner Haus der Geschichte zum Kauf
       angeboten. Und ist überall abgeblitzt: „Die haben sich das Ding nicht mal
       näher anschauen wollen! ‚Da könnte ja jeder kommen‘, hat es geheißen, und
       in Dortmund hat man mir sogar ein Hausverbot angedroht! Jetzt werde ich den
       Ausweis halt auf Ebay anbieten. Oder in der ZDF-Trödelshow ‚Bares für
       Rares‘. Es sei denn, dass mir vorher jemand ein Angebot macht, das ich
       nicht ablehnen kann …“
       
       Bei der Münchner Kriminalpolizei gibt man sich unterdessen gelassen. Nach
       Auskunft ihres Pressesprechers Wastl Haselwantner ist die Sache längst
       verjährt: „Wann dea Franz do wirkli a Urkundenfälschung begangn hod, ko erm
       bloß no dea Herrgott dafia zua Rechenschoft ziang.“
       
       27 Feb 2024
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gerhard Henschel
       
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