# taz.de -- Verkehrspolitik in Neukölln: Der Siegeszug der Poller
       
       > Gute Verkehrspolitik soll die Lebensqualität für Anwohnende verbessern.
       > Reichen dafür Verbote und Absperrungen?
       
 (IMG) Bild: Auch ein Konzept: Verbote
       
       Als ich kürzlich in einer Berliner Tageszeitung las, die
       „[1][Bürgerbeteiligung]“ (sic!) am neuen Verkehrskonzept für den Kiez in
       Berlin-Neukölln, in dem ich wohne, sei abgeschlossen und das neue Konzept
       werde nun umgesetzt, musste ich erst mal ein bisschen lachen: Diese
       „Bürgerbeteiligung“ war mir komplett entgangen! Doch wohl hoffentlich nicht
       wirklich deshalb, weil ich mich als Bürgerin betrachte?
       
       Nein, dass in Neukölln tatsächlich nur als männlich gelesene Menschen an
       Verkehrspolitik beteiligt werden, kann ich mir dann doch nicht vorstellen.
       Auch wenn die CDU [2][bei den letzten Bezirkswahlen in Neukölln] stets die
       Stimmenmehrheit geholt hat: Der Bezirksstadtrat für Verkehr ist immer noch
       grün!
       
       Es muss dieser „Bürgerbeteiligung“ wohl irgendein anderes Auswahlverfahren
       zugrunde gelegen haben. Für mich jedenfalls ist es ein Rätsel, wann und vor
       allem wie die betroffenen Bürger:innen zu diesem Beteiligungsverfahren
       eingeladen worden sind. Ich lebe seit fast 17 Jahren in diesem Kiez, habe
       16 davon als Lokaljournalistin gearbeitet und dabei wirklich viele
       Informationen aus allen möglichen Quellen und Kanälen wahrgenommen.
       Ehrlich: Wenn ich nichts von diesem Bürgerbeteiligungsverfahren mitgekriegt
       habe, muss da irgendwas schiefgegangen sein bei der Kommunikation.
       
       Ich hätte mich jedenfalls sehr gerne daran beteiligt: Ich bin nämlich mit
       dem neuen Verkehrskonzept nicht so zufrieden, genauer gesagt: damit, wie es
       umgesetzt wurde.
       
       In meinem Kiez stehen jetzt ganz viele rot-weiß gestreifte Poller und
       sperren Straßen für Autos ab. Eine Durchfahrt in den – von der es
       abgrenzenden Hauptstraße aus gesehen – hinteren Teil meines Stadtviertels
       ist zur Einbahnstraße erklärt geworden – und wer da einmal mit dem Auto
       hineingefahren ist, kommt wegen der vielen neuen Poller auch durch andere
       Straßen nicht mehr zurück. Er muss dann ebenso wie alle autofahrenden
       Leute, die in diesem hinteren Kiezteil wohnen, einen fast drei Kilometer
       langen Umweg durch eine bereits verkehrsberuhigte Straße nehmen, in der die
       Anwohnenden deshalb zur Hauptverkehrszeit nun stets einen langen Stau vor
       der Haustür haben. Und dann noch über zwei große Hauptstraßen fahren, um
       wieder zurück in sein Wohngebiet zu kommen und dort parken zu können.
       
       Die Automaten, an denen man dafür neuerdings Parkscheine kaufen muss,
       standen eines Tages plötzlich da und waren in Betrieb – ohne dass es vorher
       irgendeine Information darüber gegeben hätte, dass man als Anwohner*in
       eine auf Dauer preiswertere und ein Jahr lang gültige [3][Parkplakette
       kaufen kann] oder wo und wie. Das Verkehrsaufkommen im Kiez ist seither
       tatsächlich geringer geworden, aber für anwohnende Autofahrer:innen
       sind diese Maßnahmen eine Last.
       
       Ich fahre selbst nur sehr selten Auto, mich ärgert das also eigentlich
       persönlich nicht: Ich gehe zu Fuß. Was mich aber ärgert, ist das Autoritäre
       in dieser Verkehrspolitik. Da soll doch eigentlich die Lebens- und
       Aufenthaltsqualität für die Anwohnenden verbessert werden – oder habe ich
       da etwas falsch verstanden? Aber das einzige Mittel, mit dem dieses Ziel
       dann durchgesetzt wird, sind neue Verbotsschilder und Absperrpoller.
       
       Dagegen keine einzige positive Maßnahme: Nirgendwo wurden zum Beispiel
       Fahrbahnen schmaler und Gehwege dafür breiter gemacht, nirgendwo ein paar
       Parkplätze entfernt und dort Bäume gepflanzt oder gar Bänke aufgestellt.
       Das neue Verkehrskonzept besteht [4][nur aus Verboten]. Ich mag solche
       Politik nicht: Ich fühle mich da als Bürgerin nicht gesehen, sondern nur
       bevormundet.
       
       4 Mar 2024
       
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