# taz.de -- Massengeiselnahme in Nigeria: 287 Kinder verschleppt
       
       > Bewaffnete auf Motorrädern überfallen im Ort Kuriga eine Schule und
       > entführen Hunderte. Unsicherheit und Kidnapping nehmen in Nigeria zu.
       
 (IMG) Bild: Lähmende Ungewissheit: Mütter aus Kuriga warten in Kaduna auf Nachrichten über ihre verschwundenen Kinder
       
       BERLIN taz | Eine Entführung Hunderter Schüler hält Nigeria in Atem. 287
       Grund- und Oberschüler aus dem Ort Kuriga im nördlichen [1][Bundesstaat
       Kaduna] sind seit Donnerstag in der Gewalt bewaffneter Kidnapper. Es ist
       die größte Massenentführung von Schulkindern in Nigeria seit dem Überfall
       auf das nordostnigerianische Dorf Chibok durch die islamistische
       Terrorgruppe Boko Haram am 14. April 2014. Damals wurden 276 Schulmädchen
       verschleppt – manche sind bis heute verschwunden, vermutlich in die
       Terrorgruppe zwangsintegriert.
       
       Die [2][Entführung von Chibok] legte damals das Unvermögen der
       nigerianischen Streitkräfte gegen Boko Haram bloß und trug maßgeblich zum
       [3][Machtverlust der langjährigen Regierungspartei PDP (People’s Democratic
       Party) bei den Wahlen 2015] bei. Seitdem regiert die APC (All Progressives
       Congress), seit 2023 unter [4][Präsident Bola Tinubu], und nun gerät auch
       sie ähnlich unter Druck, zumal Entführungen in Nigeria heute viel weiter
       verbreitet sind als vor zehn Jahren, obwohl Boko Haram viel schwächer ist.
       
       Die Boko-Haram-Abspaltung Ansaru wird in Presseberichten für den Überfall
       auf Kuriga verantwortlich gemacht. Die rund 700 Schüler im
       Grundschulkomplex des Ortes waren gerade nach der Morgenversammlung auf dem
       Weg in ihre Klassenzimmer, als Bewaffnete auf Motorrädern anbrausten und
       Kinder und Lehrer in den umliegenden Wald drängten, [5][zitiert die
       Onlinezeitung Premium Times] den Lehrer Sani Abdullahi, der fliehen konnte.
       
       Nach anfänglicher Konfusion sowie einer Flucht zahlreicher Geiseln während
       der folgenden Nacht wurde die Zahl der Entführungsopfer am Freitag
       schließlich mit 287 angegeben. Sie seien zwischen 5 und 12 Jahre alt, heißt
       es.
       
       Erst am 20. Januar war der Direktor der Oberschule von Kuriga, Idris
       Sufyan, in seinem Haus erschossen worden. Seine Frau und ihr Baby wurden
       entführt und zwei Wochen später vom Militär befreit. Die Oberschule war
       2021 vom Ortsrand auf das zentrale Grundschulgelände verlegt worden, aus
       Sicherheitsgründen.
       
       ## Tausende Entführte jedes Jahr
       
       Der Bundesstaat Kaduna ist ein Brennpunkt von bewaffneten Geiselnahmen, bei
       denen oft nicht klar ist, ob sie islamistische Hintergründe haben oder
       reine Raubüberfälle sind. Im März 2022 wurde sogar ein Zug auf der
       Eisenbahnstrecke von Kaduna in Nigerias Hauptstadt Abuja überfallen; die
       letzten entführten Fahrgäste kamen erst über ein halbes Jahr später wieder
       frei.
       
       Im Januar 2024 wurde direkt in Abuja eine Familie überfallen und der Vater
       mit fünf Töchtern gekidnappt; der Vater durfte gehen und sollte Lösegeld
       besorgen, und als das zu lange dauerte, wurde eine Tochter getötet. Die
       anderen kamen erst nach mehreren Wochen frei. Zwischen Mitte 2022 und Mitte
       2023 wurden nach Angaben der Sicherheitsfirma SBM Intelligence 3.620
       Menschen in Nigeria gekidnappt; zwischen Präsident Tinubus Amtsübernahme am
       29. Mai 2023 und Anfang dieses Jahres bereits 4.777.
       
       Der Überfall von Kuriga relativiert sich angesichts dieser Zahlen,
       unterstreicht aber, dass auch zehn Jahre nach der Massenentführung von
       Chibok nicht einmal Schulgelände sicher sind. Die Strategie, mit „Banditen“
       Verhandlungen zu führen, ist ebenfalls kontrovers. Kritiker sprechen von
       einer Ermutigung des Terrors, aber für viele Betroffene gibt es keine
       Alternative. Ein 2022 verhängtes [6][gesetzliches Verbot von
       Lösegeldzahlunge]n hat lediglich Geiselverhandlungen in den Untergrund
       getrieben.
       
       Der oppositionell regierte nördliche [7][Bundesstaat Zamfara] erklärte im
       Februar die Verhandlungsstrategie für gescheitert und stellte eine
       Selbstverteidigungsmiliz auf. Manche Beobachter vermuten, dass dieser
       Schritt Angreifer aus Zamfara nach Kaduna getrieben hat.
       
       Die Provinzregierung von Kaduna hat immer wieder mit bewaffneten Islamisten
       verhandelt – zum Beispiel, um die Teilnahme von Kriegsvertriebenen an den
       Wahlen 2023 zu ermöglichen. Im Fall Kiruga hat sie allerdings dementiert,
       Vermittler für Gespräche engagiert zu haben. Die Armee sucht nun die 287
       Kinder.
       
       Am Samstag wurde eine weitere Entführung gemeldet: 15 Schüler wurden aus
       einer Koranschule im nordwestlichen Bundesstaat Sokoto verschleppt.
       
       10 Mar 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://kdsg.gov.ng/
 (DIR) [2] /Entfuehrte-Schuelerinnen-in-Nigeria/!5042773
 (DIR) [3] /Neuer-Praesident-in-Nigeria/!5201436
 (DIR) [4] /Neuer-Praesident-fuer-Nigeria/!5937104
 (DIR) [5] https://www.premiumtimesng.com/news/675916-terror-in-kuriga-how-terrorists-kidnapped-over-200-students-in-nigerian-community.html
 (DIR) [6] /Kampf-gegen-Kidnapping-in-Nigeria/!5847445
 (DIR) [7] https://zamfara.gov.ng/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
       
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