# taz.de -- Zwei neue RBB-Dokus über „Lost Places“: Zeitreise mit morbidem Charme
       
       > Der RBB stellt in zwei Dokumentationen „Lost Places“ in Berlin und
       > Brandenburg vor. Die nicht mehr genutzten Gebäude stehen leer und
       > verfallen.
       
 (IMG) Bild: Das historische Stadtbad Steglitz, 1908 eröffnet, ist ein Lost Place und noch gut erhalten, da schwer zugänglich (Bild von 2020)
       
       BERLIN taz | Es handelt sich um ein Phänomen, das nicht groß auffällt. Weil
       man die immer weiter verfallenden Häuserkomplexe übersieht, weil sie am
       Stadtrand liegen, weil sich die Natur die verlassenen Areale zurückerobert.
       Lost Places ist der gängige Begriff dafür und bedeutet „vergessener Ort“.
       
       Und wenn es keinen Sicherheitsdienst gibt, stellen sich Gäste ein.
       Neugierige Zeitgenossen mit Sinn für Abenteuer oder tolle Fotos – oder
       Typen, die Bock auf sinnlose Zerstörungen haben. Solchen vergessenen Orten
       spüren zwei neue Dokumentationen des RBB nach, die am Mittwoch TV-Premiere
       haben. Es geht um Geisterfabriken und Klinikruinen in der Region.
       
       Lutz Renner erzählt in „Lost Places: Klinikruinen“ die unbekannte
       Geschichte von drei ehemaligen Krankenhäusern in Berlin und
       [1][Brandenburg]. Die Beschränkung auf drei Orte ist klug, so bleibt für
       jeden Standort genug Zeit. Die Bilder – oft faszinierende Aufnahmen –
       können wirken, die Zeitzeugen kommen gebührend zu Wort.
       
       Südöstlich von Cottbus bei [2][Kolkwitz] liegt das „Tuberkulose-Schloss im
       Wald“ – dazu lässt sich nicht mal ein Wikipedia-Eintrag finden. Die Doku
       schildert die Geschichte des Areals: Einst wurden dort Arbeiterinnen aus
       der umliegenden Textilindustrie gepflegt, die sich mit Tuberkulose
       infiziert hatten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Klinik zu einem
       Reha-Zentrum für Herzpatienten. Seit 2007 steht das Gebäude leer, das
       Gelände verkam zur Brache. Bis Urban Explorer den verwunschenen Ort
       wiederentdeckten.
       
       ## Schönheit des Verfalls
       
       Andreas Böttger gehört zu ihnen. Aus seiner Leidenschaft hat er einen Beruf
       gemacht, organisiert Führungen und Fototouren in Lost Places. In der Doku
       nimmt er die Zuschauer:innen mit auf so eine Zeitreise der besonderen
       Art. Der morbide Charme, die Schönheit des Verfalls hat seinen Reiz.
       Manchmal aber stellt sich ein bitterer Beigeschmack ein, wenn die Wucht der
       Zerstörungen durch Vandalismus sichtbar wird.
       
       Wie in Buch: In dessen Stadtforst liegt ein Objekt, das nicht ohne Grund
       mitten in einem Wald erbaut wurde: das [3][Regierungskrankenhaus der DDR].
       Die einstige Vorzeigeklinik, neugebaut und 1976 eröffnet (es gab seit 1950
       in einem Altbau in der Scharnhorststraße in Berlin-Mitte ein
       Regierungskrankenhaus), steht seit 2007 leer und ist zu einer Ruine
       verkommen und „ein zerstörter Ort“: Die Fenster sind kaputt, es regnet
       hinein, überall platzt die Farbe in Batzen von den Wänden, Graffiti ohne
       Ende …
       
       Schnitt: Böttger schreitet durch einen langen Gang, trägt Helm und
       Taschenlampe. Er spricht von „Entdeckerdrang“ und vom besonderen Gefühl,
       sich im DDR-Regierungskrankenhaus umzuschauen. Das war damals gut bewacht –
       früher wäre er da nie hineingekommen.
       
       Die Filmemacher schauen aber nicht nur zurück, sondern auch nach vorn. Das
       wird mit der sogenannten „Bunkerklinik am Wannsee“ deutlich. Das riesige
       Areal mit Klinkerbauten, alten Patientenbaracken und einem gewaltigen
       Hochbunker liegt etwas versteckt inmitten von Wald.
       
       Ende der 1930er Jahre zieht dort die Reichsluftschutzschule. Wenig später
       entscheidet die Wehrmacht, die zentrale Luftabwehr in und um Berlin dorthin
       zu verlegen. Ein Hochbunker entsteht und wird Kommandozentrale der
       Luftwaffe. Nach dem Krieg errichten die Amerikaner auf dem Areal eine
       Lungenklinik. Der Bunker wird schließlich zum Notkrankenhaus.
       
       In einem viel besseren Zustand als der Gebäudekomplex in Berlin-Buch,
       stellt Andreas Böttger eine richtige Frage: Warum lässt man alles
       leerstehen und macht daraus nicht etwas? Zum Beispiel Wohnungen, die würden
       doch so dringend gebraucht.
       
       „Lost Places“. Mittwoch, 20.15 Uhr, RBB, dann in der Mediathek
       
       26 Mar 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Konversion-in-Brandenburg/!5971642
 (DIR) [2] https://gemeinde-kolkwitz.de/
 (DIR) [3] https://de.wikipedia.org/wiki/Regierungskrankenhaus_der_DDR
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Hergeth
       
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