# taz.de -- Linkspartei für Arbeitszeitverkürzung: Vier-Tage-Woche als konkretes Ziel
       
       > Die Linke will die schrittweise Reduzierung der Arbeitszeiten bei vollem
       > Lohnausgleich – und schlägt einen Vier-Stufen-Plan vor.
       
 (IMG) Bild: Weniger Stress und bessere Arbeitsbedingungen durch die Vier-Tage-Woche?
       
       BERLIN taz | Weniger Stress im Job, mehr Lebensqualität und eine höhere
       Produktivität: Die Linkspartei plädiert für die schrittweise Einführung
       einer allgemeinen Vier-Tage-Woche in Deutschland. Am Montag hat
       Bundesgeschäftsführer Ates Gürpinar einen Vier-Stufen-Plan vorgestellt, wie
       ein solches Arbeitszeitmodell realisiert werden könnte. „Wir wollen die
       Vier-Tage-Woche konkret werden lassen“, sagte Gürpinar im
       Karl-Liebknecht-Haus in Berlin. Eine solche Vision passe „gut zu einem
       modernen sozialistischen Ansatz“. Eine große Mehrheit der Bevölkerung sei
       dafür.
       
       In vielen Branchen gebe es einen Mangel an Arbeitskräften, der oft durch
       schlechte Arbeitsbedingungen, Überlastung und niedrige Gehälter verursacht
       werde, so Gürpinar. Das gelte besonders für den Pflegebereich. Er verwies
       hier auf eine [1][Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung],
       nach der 300.000 Vollzeitpflegekräfte durch Rückkehr in den Beruf oder
       Aufstockung der Arbeitszeit zusätzlich zur Verfügung stünden – „sofern sich
       die Arbeitsbedingungen in der Pflege deutlich verbessern“. Ähnliches gelte
       auch für andere Branchen.
       
       Daher fordert die Linke nun eine „Offensive zur Verkürzung der Arbeitszeit“
       – und zwar bei vollem Lohnausgleich. Mehr als 80 Prozent der
       Vollzeitbeschäftigten in Deutschland würden zwar [2][die Vier-Tage-Woche
       befürworten], allerdings hätten viele Angst vor Lohneinbußen.
       
       ## Rechtsanspruch auf Änderung der Arbeitszeit
       
       Zunächst soll in einem ersten Schritt eine Anti-Stress-Verordnung
       verabschiedet werden. Analog zu anderen Gefahrenverordnungen im
       Arbeitsschutz sollen darin die Pflichten der Unternehmen zum Schutz vor
       psychischen Belastungen bei der Arbeit geregelt werden. Damit werde auch
       Gewerkschaften und Betriebsräten die Durchsetzung gesundheitsförderlicher
       Arbeitsbedingungen erleichtert. Geringerer Arbeitsstress bedeute weniger
       Krankheitsausfälle und damit geringere Kosten für die Krankenkassen,
       rechnet die Linke vor. Wichtig sei jedoch, dass eine Reduktion der
       Belastungen nicht mit einem Lohnverzicht verbunden sein dürfe.
       
       Als Nächstes schlägt die Partei ein Wahlarbeitsgesetz vor. Dieses soll dazu
       führen, dass flächendeckend Arbeitszeitmodelle entwickelt werden, die die
       unterschiedlichen Lebenssituationen berücksichtigen, also möglichst
       flexibel sind in Bezug auf die Tages- und Wochenarbeitszeiten gemäß den
       jeweiligen Bedürfnissen von Beschäftigten.
       
       Das Gesetz soll für Betriebe aller Größen und Branchen gelten, wobei die
       Besonderheiten kleiner Betriebe und bestimmter Tätigkeiten in betrieblich
       angepassten Arbeitszeitkonzepten berücksichtigt werden könnten. Die
       Betriebsräte müssten dabei zwingende Mitbestimmungsrechte bekommen.
       Anknüpfend an ein Konzept des Deutsche Juristinnenbunds sollen zudem
       Beschäftigte einen individuellen Rechtsanspruch auf Änderung ihrer
       Arbeitszeit erhalten.
       
       Eine Vorbildfunktion in Sachen Arbeitszeitreduzierung soll nach den
       Vorstellungen der Linkspartei der öffentliche Dienst einnehmen. Denn viele
       Bereiche der öffentlichen Dienstleistungen stünden vor dem Kollaps. Auch
       hier könnten kürzere Arbeitszeiten helfen, Fachkräfte zu halten und neue zu
       gewinnen. „Denkbar ist eine schrittweise Reduzierung auf 32 Stunden pro
       Woche“, heißt es in ihrem Papier. So könnte die Regierung einen Standard
       auf dem Arbeitsmarkt schaffen, „an dem sich auch die private Konkurrenz
       orientieren muss, wenn sie neue Fachkräfte gewinnen will“.
       
       ## Hilfe für kleinere Betriebe
       
       Zu guter Letzt hat sich die Linke auch Gedanken gemacht um Betriebe mit
       wenig Umsatz und Gewinn. Sie bräuchten Hilfe bei der Umstellung auf die
       Vier-Tage-Woche. Das könnte durch zeitlich begrenzte Lohnzuschüsse
       geschehen. Als Beispiel verweist die Partei auf ein entsprechendes
       [3][Modellprojekt in Spanien], wo die dortige linke Regierung Unternehmen
       mit bis zu 250 Beschäftigten beim Erproben der 4-Tage-Woche fördert.
       Öffentliche Unterstützung sollte dabei stets an die Erweiterung zwingender
       Mitbestimmung gebunden sein, fordert die Linkspartei.
       
       Rückenwind bekommt sie durch eine [4][Studie aus Großbritannien]. Dort
       hatten 61 Unternehmen mit rund 2.900 Mitarbeiter:innen die
       Vier-Tage-Woche ein halbes Jahr lang getestet, oft bei vollem
       Lohnausgleich. Die Ergebnisse waren erstaunlich eindeutig: Die
       Beschäftigten waren weniger gestresst, zufriedener und gesünder. Die
       Fehltage gingen um 65 Prozent zurück. Weil die Beschäftigten in der
       kürzeren Zeit effizienter arbeiteten, konnte die Produktivität sogar leicht
       gesteigert werden. Der Großteil der Firmen wollte die Vier-Tage-Woche
       beibehalten.
       
       Thüringers Arbeits- und Sozialministerin Heike Werner begrüßte die Pläne
       ihrer Berliner Parteifreund:innen. „Es wäre für alle Seiten ein Gewinn, mit
       gut erholtem und motiviertem Personal die notwendige Arbeit zu machen,
       statt Beschäftigte unter Dauerstress zu setzen“, sagte Werner der taz. So
       gehe eine Thüringer Klinik bereits einen solchen Weg der
       Arbeitszeitverkürzung mit dem Ziel der Vier-Tage-Woche. „Das nützt den
       Beschäftigten, den Patienten und dem Unternehmen“, so Werner.
       
       25 Mar 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.boeckler.de/de/auf-einen-blick-17945-zahlen-und-studien-zum-pflegenotstand-und-wege-hinaus-17962.htm
 (DIR) [2] /Vier-Tage-Woche-auf-dem-Kirchentag/!5939576
 (DIR) [3] https://www.zeit.de/arbeit/2023-04/spanien-vier-tage-woche-test
 (DIR) [4] https://www.tagesschau.de/wirtschaft/weltwirtschaft/vier-tage-woche-grossbritannien-101.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Pascal Beucker
       
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