# taz.de -- Angriff auf iranische Botschaft: Rote Linie überschritten
       
       > Mit der Ermordung hochrangiger Befehlshaber der Revolutionsgarden in
       > Syriens Hauptstadt Damaskus provoziert Israel seinen ewigen Widersacher
       > Iran.
       
 (IMG) Bild: Klare Botschaft: Löscharbeiten an dem getroffenen Gebäude in Damaskus
       
       BEIRUT taz | Die Anspannung zwischen dem Iran und Israel ist hoch, seitdem
       bei einem mutmaßlichen israelischen Luftangriff auf den iranischen
       Botschaftskomplex in der syrischen Hauptstadt Damaskus am Montagabend
       mindestens 13 Menschen getötet wurden. Der iranische Präsident Ebrahim
       Raisi hat am Dienstag Vergeltungsanschläge gegen Israel angekündigt. Der
       iranische Botschafter, Hossein Akbari, der unverletzt blieb, gab an,
       israelische Kampfjets hätten den Angriff ausgeführt.
       
       Der iranische Außenminister Hossein Amir-Abdollahian warf Israel den Bruch
       aller internationalen Vereinbarungen vor. Arabische Staaten wie Ägypten,
       Jordanien, Saudi-Arabien und Katar erklärten in Mitteilungen, der Angriff
       auf das Botschaftsgelände sei ein Verstoß gegen das internationale Recht
       und gegen diplomatische Immunität.
       
       Israel bekannte sich zwar nicht zu dem Anschlag, Regierungssprecher Avi
       Hyman sagte aber gegenüber dem Nachrichtensender Sky News: „Das Gebäude,
       das getroffen wurde, war kein Konsulat, keine Botschaft, keine
       diplomatische Vertretung, und ich wage zu behaupten, dass die iranischen
       Personen in diesem Gebäude wahrscheinlich nicht dort waren, um Ostereier zu
       verteilen.“
       
       Unter den Opfern sind nach Angaben aus Teheran zwei Brigadegeneräle und
       fünf Mitglieder der [1][Revolutionsgarden] (IRGC), darunter der hochrangige
       Befehlshaber Mohammad Reza Zahedi und sein Stellvertreter. Die
       Revolutionsgarden sind eine Streitmacht, die als schlagkräftiger als die
       iranische Armee gilt. Die Einheit soll im Inneren einen Putsch verhindern
       und die Staatsideologie verteidigen.
       
       Im Ausland unterstützt die Eliteeinheit der Garden, die sogenannte
       Al-Kuds-Brigade, proiranische Gruppen. Zahedi war Befehlshaber dieses
       paramilitärischen Flügels. Er gab Befehle an Einheiten in Syrien und
       Libanon und hatte gute Beziehungen zur Hisbollah und zu Syriens Präsident
       [2][Baschar al-Assad], die den Iran im Kampf gegen Israel unterstützen.
       
       ## „Attentate wieder auf Tagesordnung“
       
       Israel hat gemeinsam mit den USA wiederholt [3][militärische Ziele der von
       Teheran unterstützten Milizen ins Visier genommen]. Dies ist der erste
       Angriff auf eine diplomatische Einrichtung. Der iranische Präsident Raisi
       bezeichnete den Luftschlag am Dienstagmorgen als beispiellos und schwor
       eine harte Reaktion. Israel habe „Attentate wieder auf seine Tagesordnung
       gesetzt“.
       
       Währenddessen reagieren die proiranischen Milizen in der Region. Die
       Gruppe Islamischer Widerstand im Irak erklärte, in der Nacht zu Dienstag
       den US-Militärstützpunkt al-Tanf im Südosten Syriens mit Drohnen
       angegriffen zu haben. Proiranische Milizen haben immer wieder
       US-Militärstützpunkte im Irak und in Syrien angegriffen. Die USA reagierten
       darauf mit umfangreichen Luftangriffen gegen Stellungen der Milizen. Seit
       Anfang Februar war die Lage jedoch ruhiger.
       
       Brigadegeneral Zahedi ist der ranghöchste iranische Militärbeamte, [4][der
       seit General Qasim Suleimani ermordet wurde]. Suleimani war der
       Oberbefehlshaber der Al-Kuds-Truppen und wurde im Januar 2020 in Bagdad von
       den USA durch einen Drohnenangriff ermordet, mutmaßlich mithilfe des
       israelischen Geheimdienstes. Der Iran reagierte damals mit Raketenbeschuss
       auf US-Stützpunkte im Irak, wobei keiner der dort stationierten US-Soldaten
       verletzt wurde. Soleimani wurde unter der Anhängerschaft des iranischen
       Regimes zum gefeierten Märtyrer und zur Ikone gegen Imperialismus.
       
       Man sehe die USA als Unterstützer Israels und gebe ihnen eine
       Mitverantwortung, so der iranische Außenminister Hussein Amir-Abdollahian
       auf X. Die USA und Iran unterhalten seit 44 Jahren keine diplomatischen
       Beziehungen. Deshalb hat das iranische Außenministerium über einen
       Schweizer Diplomaten eine „wichtige Botschaft“ an die USA übermitteln
       lassen. Was konkret, sagte der Minister nicht. Ein Sprecher des
       US-Sicherheitsrates sagte dem amerikanischen Medium Axios, dass die USA
       „nicht in den Angriff verwickelt waren und wir nicht im Voraus davon
       wussten“.
       
       ## Der Ort des Angriffs ist entscheidend
       
       Wichtiger als die hochrangigen Brigadegeneräle sei der Ort des Angriffs
       selbst, [5][analysiert] der libanesische Politikprofessor Joseph Bahout auf
       X: „Das iranische Konsulat in Syrien ist fast iranisches Territorium, es
       hat einen rechtlichen und symbolischen Wert. Teheran kann nicht umhin, das
       als eine überschrittene rote Linie zu deuten.“ Eine Antwort sei garantiert,
       analysiert auch Charles Lister, Direktor des Programms zur Bekämpfung von
       Terrorismus am Middle East Institute.
       
       Auf X schreibt er, Israel habe das Herzstück der sensibelsten Frontlinie
       der Al-Kuds-Brigade getroffen – „und das innerhalb des Geländes der
       Iran-Botschaft“. Die Frage scheine nicht ob, sondern wie der Iran
       Vergeltung übe. „Die Frage ist, ob sie sich gegen Israel, Israelis,
       regionale US-Einrichtungen … oder etwas anderes richten wird.“ In
       Anbetracht der Tatsache, dass der Iran als Vergeltungsmaßnahmen für
       israelische Aktionen oft amerikanische Truppen angreift, rechnet Lister mit
       einer Wiederaufnahme solcher Angriffe in Syrien und im Irak. Außerdem
       würden Raketen mit größerer Reichweite abgefeuert, auch auf Israel.
       
       Ein größerer Krieg zwischen Iran und Israel sei „unwahrscheinlich“, sagte
       der amerikanische Politikwissenschaftler Saeid Golkar am Dienstag gegenüber
       dem britischen Guardian. Golkar hat Anfang der 2000er selbst im Iran
       gelehrt. Er überlegt, dass der Iran nicht in Israel, aber „bestimmte
       Positionen wie in Erbil im Irak oder die Republik Aserbaidschan“ angreifen
       könnte.
       
       2 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Terrorlistung-von-Irans-Revolutionsgarde/!5977666
 (DIR) [2] /Raetsel-um-Baschar-al-Assad/!5975662
 (DIR) [3] /Vergeltung-gegen-Iran/!5987151
 (DIR) [4] /US-Schlag-gegen-den-Iran/!5653434
 (DIR) [5] https://twitter.com/jobahout/status/1774849222086430829
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Julia Neumann
       
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