# taz.de -- Vorwürfe gegen Palästinenserhilfswerk: Prüfbericht entlastet die UNRWA
       
       > Nach Israels Terrorvorwürfen gegen das Palästinenserhilfswerk hat eine
       > Prüfkommission erste Ergebnisse vorgelegt. Israel reagiert mit
       > Unverständnis.
       
 (IMG) Bild: Angefeindet und umstritten, aber für die Palästinenser*innen wichtig: UNRWA-Schule, hier in Sidon, Libanon
       
       BERLIN taz | Die Kritik kam prompt: Auf erste Untersuchungsergebnisse nach
       den israelischen Vorwürfen gegen die UN-Organisation UNRWA hat die
       Regierung in Jerusalem mit Unverständnis reagiert. Das „enorme Ausmaß der
       Unterwanderung“ des Palästinenserhilfswerks durch die Hamas im Gazastreifen
       sei nicht berücksichtigt worden, kritisierte das Außenministerium. „So
       sieht ein Versuch aus, dem Problem auszuweichen.“ Die Hamas habe das
       Hilfswerk so tief infiltriert, dass nicht mehr festzustellen sei, „wo die
       UNRWA endet und wo die Hamas beginnt“.
       
       Am Montagabend hatte eine Untersuchungskommission [1][ihren Bericht]
       vorgelegt, nachdem die UNRWA im Januar in die Kritik geraten war. Israel
       wirft ihr vor, dass sich 15 Angestellte aktiv am Hamas-Massaker vom 7.
       Oktober vergangenen Jahres beteiligt haben. 16 Prozent der 13.000
       Angestellten in Gaza hätten Verbindungen zu Terrororganisationen.
       
       Nach den Vorwürfen hatten die UN zwei Untersuchungen beauftragt. Der nun
       vorgelegte Bericht kommt von einer Kommission unter Leitung von Catherine
       Colonna, die bis Januar Außenministerin Frankreichs war. Ihr Fokus war die
       Frage, mit welchen Mechanismen das Hilfswerk Neutralität wahrt. Parallel
       dazu läuft eine interne UN-Untersuchung zu den Vorwürfen gegen einzelne
       Angestellte.
       
       Der nun vorgelegte Bericht liest sich differenziert. Zwar habe die UNRWA
       „robuste“ Mechanismen etabliert, um die Wahrung des Neutralitätsgrundsatzes
       zu gewährleisten, Fehlverhalten entgegenzuwirken und Vorwürfe zu
       überprüfen. Gleichzeitig gebe es Verbesserungsbedarf, etwa wenn
       Mitarbeitende ihre politischen Ansichten äußerten, Schulbücher
       „problematische Inhalte“ hätten oder Mitarbeitende Drohungen gegen die
       UNRWA-Leitung aussprechen.
       
       Weitere Internationalisierung des Managements 
       
       Konkret schlägt die Kommission Maßnahmen zur Verbesserung vor: So könnten
       die Geldgeber des Hilfswerks – größtenteils Staaten – mit
       Integritäts-Briefings besser eingebunden und mehr Ressourcen in die interne
       Aufsicht investiert werden. Auch könnte das Management weiter
       internationalisiert werden. Schon jetzt sind viele führende Positionen mit
       Nicht-Palästinenser*innen besetzt.
       
       Zudem könnte ein regelmäßiger Austausch digitaler Personallisten der
       UNRWA-Angestellten mit den Regierungen in den Einsatzgebieten des
       Hilfswerks (Syrien, Jordanien, Libanon sowie Israel) stattfinden – anders
       als bisher mit Funktionsbezeichnung und Informationen wie der
       Ausweisnummer. Die Regierungen könnten der UNRWA die Ergebnisse ihrer
       Screenings und Nachweise über mögliche Probleme liefern.
       
       Hier überrascht der Bericht mit der Information, dass Israel seit 2011
       keine Einwände gegen die jährlich gemeldeten UNRWA-Angestellten erhoben
       habe. Zudem habe Israel bis heute keine Beweise für den schwerwiegenden
       Vorwurf vorgelegt, dass 16 Prozent der Angestellten Verbindungen zu
       Terrororganisationen hätten.
       
       Im Januar hatte die New York Times [2][berichtet], dass Israels Armee in
       Gaza einen Computer mit einem Verzeichnis der Hamas-Mitglieder gefunden
       habe, das mit der Liste der UNRWA-Angestellten abgeglichen worden sei.
       Israels Botschafter in Berlin, Ron Prosor, sprach später von
       Computerdateien und Akten, die das Militär gesammelt habe. Details sind
       nicht bekannt.
       
       Die UNRWA seit „unverzichtbar“ 
       
       Weiter heißt es in dem Untersuchungsbericht, die UNRWA sei „unverzichtbar
       für die menschliche und wirtschaftliche Entwicklung der Palästinenser“.
       Israels Regierung hat sich für ein Ende der UNRWA (zumindest in Gaza)
       ausgesprochen, was international aber kaum umsetzbar ist – außer
       möglicherweise durch eine Definanzierung des Hilfswerks.
       
       Als Reaktion auf die Vorwürfe hatten etliche Geberstaaten ihre Zahlungen
       ausgesetzt. Viele, darunter die EU, Schweden, Kanada, Japan und Frankreich,
       haben die Hilfen aber wieder aufgenommen. [3][Deutschland finanziert die
       UNRWA weiter, aber nicht deren Arbeit in Gaza.]
       
       Für ihren Bericht hat die Kommission mit drei Menschenrechtsorganisationen
       zusammengearbeitet. Innerhalb von neun Wochen haben die Prüfer*innen
       eigenen Angaben zufolge mehr als 200 Interviews mit Vertreter*innen von
       insgesamt 47 Regierungen und Organisationen geführt.
       
       Die UNRWA teilte am Dienstag mit, sie hoffe, „dass der Bericht sowie ein
       umfassender Aktionsplan zur Umsetzung der Empfehlungen das Vertrauen der
       Geberländer wieder herstellt und dringend benötigte Hilfsmittel,
       insbesondere für unsere Arbeit im Gazastreifen, freigegeben werden können.“
       
       23 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.unrwa.org/sites/default/files/content/resources/unrwa_independent_review_on_neutrality.pdf
 (DIR) [2] https://www.nytimes.com/2024/01/29/world/middleeast/unrwa-israel-gaza-terrorism.html
 (DIR) [3] /Zahlungen-an-Hilfswerk-UNRWA/!6000864
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jannis Hagmann
       
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