# taz.de -- Krieg im Gazastreifen: Langes Warten in Nahost
       
       > Die Gespräche zwischen Israel und der Hamas laufen, doch ein Deal ist
       > nicht sicher. Derweil gelangt nun Hilfe via Grenzübergang Erez nach Gaza.
       
 (IMG) Bild: Hilfe für Nordgaza, wo das Risiko einer Hungersnot am höchsten ist: Ein Lkw passiert am Mittwoch den Grenzübergang Erez
       
       BERLIN taz | Nach dem [1][Optimismus der vergangenen Tage] wachsen die
       Zweifel, dass es zu einem Übereinkommen kommt, das die Befreiung aller
       israelischen Geiseln und einen Waffenstillstand im Gazastreifen beinhaltet.
       Ein israelischer Vorschlag liegt seit Tagen auf dem Tisch, eine Antwort
       stand am Donnerstagnachmittag noch aus. In der Nacht zuvor hatte ein
       hochrangiges Hamas-Mitglied ihn jedoch als „negativ“ bezeichnet. Die Hamas
       dürfte als Antwort einen eigenen Vorschlag vorlegen.
       
       Nach allem, was bekannt ist, hat Israel bereits Zugeständnisse gemacht. So
       sollen etwa in einer ersten Phase zunächst nur 33 der noch rund 100
       lebenden Geiseln freigelassen werden – im Gegenzug zur Freilassung von
       zwanzigmal mehr palästinensischen Gefangenen. Doch der Hamas geht der
       Entwurf offenbar einerseits zu weit, andererseits nicht weit genug. Einem
       angeblichen Entwurfstext zufolge, den die libanesische Zeitung
       [2][al-Achbar veröffentlichte], verpflichtet sich „die palästinensische
       Seite“, auf einen Wiederaufbau militärischer Infrastruktur zu verzichten.
       Gleichzeitig ist nur von einer „nachhaltigen Ruhe“ die Rede – nicht von
       einem Ende des Krieges.
       
       Auch Äußerungen von Regierungschef Benjamin Netanjahu weisen darauf hin,
       dass Israel nicht bereit ist, der Forderung nach einem sofortigen
       Kriegsende nachzukommen. „Wir werden in Rafah einmarschieren und die
       dortigen Hamas-Bataillone ausschalten – mit oder ohne Abkommen“, sagte
       Netanjahu jüngst. In die Stadt im Süden von Gaza haben sich Teile der
       Hamas, aber auch Hunderttausende Zivilist*innen zurückgezogen.
       
       Derweil hat am Mittwoch ein Hilfskonvoi mit 30 Lkw den Grenzübergang Erez
       zwischen Israel und dem nördlichen Gazastreifen passiert, der nach Angaben
       des Auswärtigen Amts in Berlin erst seit einigen Wochen vereinzelt für
       Hilfslieferungen genutzt wurde. Nach dem Hamas-Großangriff auf Israel am 7.
       Oktober war Erez komplett geschlossen worden. Der Konvoi am Mittwoch kam
       aus Jordanien.
       
       Erez gilt als einer der schnellsten Wege, um der Bevölkerung in Nordgaza
       Hilfe zukommen zu lassen. Dort also, wo das Risiko einer Hungersnot am
       höchsten ist. Bislang mussten Hilfskonvois die Übergänge Rafah und Kerem
       Schalom in Südgaza nutzen, wo sich die Lkw aber stauen. Kürzlich hatte
       Israel neue Zugangspunkte im mittleren und nördlichen Gazastreifen
       geöffnet, die aber laut Medienberichten kleiner sind als Erez.
       
       ## Wer für die öffentliche Ordnung sorgen soll? Unklar
       
       Zu den Lieferungen über Land sind in den vergangenen Wochen Airdrops
       hinzugekommen, an denen sich auch Deutschland beteiligt. Dabei werfen
       Flieger Paletten etwa mit Konservendosen, Reis oder Mehl aus der Luft ab.
       Im März landeten zudem auch Schiffe, die in Zypern abgelegt waren, an einem
       provisorischen Pier vor Gaza an. Die Seeroute wurde nach israelischen
       [3][Luftangriffen auf Fahrzeuge von World Central Kitchen], bei denen
       sieben Mitarbeitende der Hilfsorganisation getötet wurden, zwischenzeitlich
       nicht mehr genutzt. Mittlerweile legen Schiffe aus Zypern aber wieder ab,
       steuern allerdings den Hafen von Aschdod in Israel an.
       
       Doch die See- wie auch die Luftrouten ist nicht so effizient wie der
       Landweg, warnen NGOs. Schiffslieferungen sind mit logistischen Risiken
       verbunden und brauchen die Genehmigung von verschiedenen Seiten. Bei den
       Airdrops sind bereits Menschen getötet worden, von Paletten erschlagen oder
       beim Versuch ertrunken, die Pakete aus dem Meer zu fischen.
       
       Frei von Risiken ist aber auch der Landweg nicht: Erst am Mittwoch teilte
       Jordanien mit, israelische Siedler im Westjordanland hätten zwei
       Hilfskonvois auf dem Weg nach Gaza attackiert. Laut Nachrichtenagentur
       Reuters haben vier Männer in der Nähe der Siedlung Ma'ale Adumim die
       Konvois angegriffen; die israelische Polizei habe sie festgenommen.
       
       Der israelische Oberst Mosche Tetro hofft, Erez nun täglich öffnen zu
       können. Ziel sei es, täglich 500 Lkw mit Hilfslieferungen in den
       Gazastreifen zu lassen – in etwa so viel wie vor dem 7. Oktober.
       
       Eine Aufstockung der humanitären und anderweitiger Hilfe ist auch in dem
       Entwurf enthalten, über den Israel und die Hamas al-Achbar zufolge
       verhandeln. Demnach sollen in einer ersten, rund sechswöchigen Phase
       israelische Truppen aus Teilen Gazas weiter abziehen, um Hilfslieferungen
       und die Rückkehr von Zivilist*innen zu ermöglichen. 500 Lkw mit
       Hilfsgütern und Gütern für den Wiederaufbau, darunter 50 Tankwagen, würden
       täglich die Grenze passieren. Wer für die öffentliche Ordnung in dem Gebiet
       sorgen soll, bleibt in dem Text hingegen offen.
       
       2 May 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Israel-und-die-Hamas/!6007206
 (DIR) [2] https://www.al-akhbar.com/Politics/381497/%D9%86%D8%B5-%D8%A7%D9%84%D8%B9%D8%B1%D8%B6-%D8%A7%D9%84%D8%A5%D8%B3%D8%B1%D8%A7%D8%A6%D9%8A%D9%84%D9%8A-%D9%84%D9%80-%D8%AD%D9%85%D8%A7%D8%B3
 (DIR) [3] /-Nachrichten-im-Nahost-Krieg-/!6001505
       
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