# taz.de -- Die Wahrheit: Auf Hörnchenvisite bei Merz
       
       > Der Wahrheit-Hausbesuch: Alles über den großen CDU-Chef aus dem
       > sauerländischen Brilon, der beim Frühstück mit knallharten Fragen
       > geröstet wird.
       
 (IMG) Bild: Holt die Brötchen mit der Diamond DA62: Fritze Merz
       
       Welcher Babyboomer träumte nicht schon im frühen Kindesalter davon, einmal
       hinten auf dem Müllwagen von Tonne zu Tonne zu surfen? So wie das die
       coolen Müllwerker machen, wenn sie durch die Straße gepoltert kommen? Nein,
       dieser Traum hat sich für Friedrich Merz nie erfüllt. Statt zur Müllabfuhr
       ging er in die Politik. Bis zum CDU-Vorsitzenden hat es der heute
       68-Jährige gebracht. Aber kann der gebürtige Lulatsch aus dem Sauerland
       auch Kanzler? Wir haben Friedrich Merz in seiner Heimatstadt Brilon
       besucht.
       
       Feststellen können wir dort aber zunächst bloß: Brilons Müllwagen surfen
       dürfen nach wie vor nur die anderen. Schon sehen wir sie auf ihrem
       rumpeligen Gefährt um die Ecke biegen. Hei, wie behände die starken Männer
       in Orange nach jeder Leerung wieder auf die Tritte springen! Hossa, wie
       aufreizend lässig sie, mit nur einer Hand am Griff, die Straße entlang
       gleiten. Nur noch wenige Mülltonnen trennen sie jetzt von der, die wir
       gerade „durchwühlen“, wie das ihr Eigentümer wohl abfällig nennen würde.
       
       Doch auf die Schnelle ist nichts journalistisch Verwertbares im Abfall von
       Friedrich Merz zu finden. Wir klopfen an seine Haustür: „Aufmachen!
       Presse!“ Seine Frau öffnet. „Der ist kurz Brötchen holen“, lässt uns
       Charlotte Merz wissen, während sie die frisch geleerte Tonne in den
       Unterstand zerrt. Und tatsächlich. Der Hangar ist leer, die Start- und
       Landebahn hinterm Haus verwaist. Schlaff hängt ein Windsack an seinem Mast.
       
       „Kaffee?“, fragt uns Frau Merz und bittet zum Frühstück in den Tower.
       „Vielen Dank, verehrte Frau künftige Kanzlersgattin“, was sich die
       Mittsechzigerin allerdings resolut verbittet. „Dazu kann es, wenn
       überhaupt, nur mit Zustimmung der Faschisten kommen. Was für Friedrich, wie
       ich ihn zärtlich nenne, selbstredend kein Problem, für mich aber ein
       Scheidungsgrund wäre“, gibt sie sich so stabil wie eins dieser filigranen
       Metallteile aus den gleichnamigen Baukästen unserer Jugend.
       
       ## Perfekter Bohnenkaffee
       
       Ob auch Merz früher damit gespielt hat? Oder war er eher der Kindstyp Lego?
       Und das ist nur eine der knallharten Fragen, mit denen wir Merz gleich
       rösten wollen. Die anderen lauten: Pelikan oder Geha? Pepsi oder Cola? Fix
       oder Foxi? Nur müsste der Oppositionsführer dazu endlich mal hier
       aufschlagen. Auch ein paar Brötchen zum allerdings perfekt aufgebrühten
       Bohnenkaffee wären nicht schlecht.
       
       Dann ist es so weit: Die Diamond DA62 schwebt ein, und dem weltberühmten
       silbernen Flugzeug entsteigt, Bäckertüte unterm Arm, der wahrscheinlich
       längste Bundeskanzler der Welt; so er es denn mal werden sollte. Auf sein
       Outfit angesprochen – Adiletten, kurze Hose und das neue Auswärtstrikot der
       Nationalmannschaft – reißt Friedrich Merz einen ersten von gefühlt 3.000
       Glatzenwitzen, die später noch folgen: „Mir steht eigentlich alles. Außer
       natürlich meine Frisur vor Schreck zu Berge.“ Köstlich!
       
       Endlich gibt’s mal was zu beißen. Charlotte Merz hat alles aufgefahren, was
       zu einem deftigen Sauerländer Frühstück gehört: Kaba, Schinken,
       Feuerwehrmarmelade, wie sie hier zum rohen Mettfleisch sagen. Den
       Leberwurstsaft nicht zu vergessen. Mit ganzen Stücken, versteht sich
       
       ## Gewetzte Messer
       
       Was ihn an seiner Frau am meisten nerve, fragen wir Merz, während die
       nebenan die Zwiebelmesser wetzt. „Dass sie auf unseren Wanderungen durchs
       Sauerland immer allen Müll aufliest, der da so rumliegt. Plogging nennt sie
       das, was laut Wikipedia ‚ein Kofferwort ist, gebildet aus den Bestandteilen
       Plocka und Jogging, steht für eine Natursportart, bei der – mit Handschuhen
       sowie Abfallbehältnissen ausgestattet – die Vermüllung der Landschaft
       bekämpft sowie der Müll dem Recyclingkreislauf zugeführt wird.‘ Aber wenn
       ich das noch hinzufügen darf: Ständig ist deshalb unsere gelbe Tonne voll.“
       
       „Wohin steuert die CDU?“, wollen wir dann spaßeshalber von dem Strategen
       wissen. Merz lässt ein paar Takte Taylor Swift im Hintergrundradio WDR2
       verstreichen, ehe er mit der seinen Augen so eigenen Basedowigkeit im lang
       gezogenen Gesicht antwortet: „Wenn du das Hemd am Anfang falsch zuknöpfst,
       kriegst du es oben nicht mehr zu.“ Ein Satz, der uns irgendwie bekannt
       vorkommt. Kein Wunder, er stammt von CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann,
       der ihn gern im Fernsehen sagt. Hat Merz ihn dort auch gesehen? Und – so
       wie wir – alle Kernaussagen seines alerten Brillendoubles mitgeschrieben?
       
       Wir verkneifen uns die Frage, wollen stattdessen wissen: „Ist vielleicht
       das Mohnhörnchen noch zu haben?“ Doch der feine Herr Merz besteht selbst
       drauf, bietet uns stattdessen die weichen Schrippen an, behauptet frech,
       die seien „auch ganz lecker“, während er die butterbeschmierte
       Hörnchenspitze in den Honigtopf tunkt und genüsslich abbeißt.
       
       Wir hatten es geahnt: So einer ist der Merz also. Selbst schuld, wer den
       wählt.
       
       3 May 2024
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Fritz Tietz
       
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