# taz.de -- Objekte der Begierde in Dublin: Ran an die Brust
       
       > Täglich begrapschen Touristen die berühmte Molly-Malone-Statue in der
       > irischen Hauptstadt. Ist das Sachbeschädigung oder gar frauenfeindlich?
       
 (IMG) Bild: Die Molly-Malone-Statue in der Grafton Street in Dublin, Irland
       
       DUBLIN taz | Sie trägt ein langes schwarzes Kleid, ihre halbnackten
       [1][Brüste] leuchten hell in der Sonne. Passant:innen, vor allem Männer,
       grapschen sie ständig an. Das soll Glück bringen. Molly Malone wehrt sich
       nicht, denn sie ist eine Statue. Sie trägt einen bronzenen Dutt und schiebt
       eine Karre, auf der drei geflochtene Körbe liegen.
       
       Früher stand sie am unteren Ende der Grafton Street, [2][Dublins] vornehmer
       Einkaufsstraße, aber dann hat man sie in die Suffolk Street verlegt, an die
       Ecke St. Andrew’s Street, direkt vor die ehemalige protestantische St.
       Andrew’s Church, in die demnächst ein Lebensmittelmarkt einziehen soll.
       
       In Irland ist es seit ein paar Tagen frühlingshaft, es sind viele Touristen
       unterwegs. Vor der Statue hat sich eine kurze Schlange gebildet. Zuerst ist
       Jim dran, ein älterer Herr aus New York. Er ist auf das kleine Podest
       gestiegen und umklammert Mollys rechte Brust, als ob er sich daran
       festhalten müsse. Seine Frau fotografiert ihn.
       
       Jim kennt die Geschichte von Molly Malone, er war schon oft in Dublin, weil
       er Verwandtschaft in der Stadt hat. „Zum ersten Mal habe ich in den
       sechziger Jahren von Molly Malone gehört“, sagt er. „[3][Pete Seeger] hat
       ein Lied über sie gesungen.“
       
       ## Tod durch Cholera
       
       Nicht nur der legendäre Folksinger aus den USA, sondern auch [4][Sinéad
       O’Connor], U2, natürlich die Dubliners und sogar Heino haben das Lied
       gesungen: „In Dublins schöner Stadt, wo die Mädchen so hübsch sind,
       erblickte ich zum ersten Mal die süße Molly Malone, wie sie ihre Schubkarre
       durch die Straßen schob und rief: Herzmuscheln und Miesmuscheln, lebendig,
       oh!“
       
       Damals, als Seeger den Song aufnahm, gab es die Statue von Jeanne Rynhart
       noch nicht, sie wurde erst 1987 anlässlich der 1.000-Jahr-Feier Dublins im
       folgenden Jahr aufgestellt. Gab es die Fischverkäuferin Molly Malone, nach
       der Irish Pubs in der ganzen Welt benannt sind, überhaupt? „Natürlich“,
       sagt Therese Caherty, die in der Nähe arbeitet. „1988 hat man in den
       Archiven entdeckt, dass eine Molly Malone am 13. Juni 1699 in Dublin an
       Cholera gestorben ist.“
       
       Mittags taucht eine Reisegruppe aus Spanien an der Statue auf, acht Männer
       und acht Frauen, alle in den Fünfzigern. Der Reiseleiter erzählt die
       Geschichte von Molly Malone und ihrer Statue. Manche Dubliner haben ihr den
       Spitznamen „The Tart With The Cart“ – das Flittchen mit dem Karren –
       gegeben, weil sie angeblich tagsüber Fisch und abends ihren Körper
       verkaufte, sagt er. Dann ermutigt er die Reisenden, die Brüste der Statue
       zu berühren, aber niemand folgt der Aufforderung.
       
       „Die Brüste werden jeden Tag glänzender“, sagt Paddy Armstrong, dessen
       Stammkneipe M. J. O’Neill gegenüber liegt. „Diese Beschädigung finde ich
       schlimmer als das Begrapschen, das ist ja nur Spaß, den man nicht zu ernst
       nehmen sollte.“
       
       ## Kampagne gestartet
       
       Das findet Tilly Cripwell nicht. Die 22-Jährige studiert am nahegelegenen
       Trinity College, an den Wochenenden macht sie Straßenmusik, oft neben der
       Statue. Sie hat eine Kampagne gestartet, damit Molly Malone in Frieden
       gelassen wird.
       
       „Die meisten Menschen berühren die Brüste als Glücksbringer, das ist eine
       frauenfeindliche Handlung“, sagte sie. „Ich gehe jeden Tag an der
       Oscar-Wilde-Statue am Merrion Square vorbei. Man sieht dort keine Leute,
       die ihm in den Schritt fassen, um Glück zu erhaschen.“ Es sei eine von
       vielen angeblich kulturellen Traditionen, die man hinterfragen und
       abschaffen müsse, findet sie.
       
       Sie ist nicht die Einzige, die das Betatschen der Statue stört. Voriges
       Jahr hat jemand „Bitte nicht“ und „7 Jahre Pech“ auf die Brüste gesprüht.
       Und Imelda May, Sängerin und Multiinstrumentalistin aus Dublin, sagte der
       Irish Times: „Ja, ich weiß, sie ist eine Statue, aber sie steht für so viel
       und wird doch so wenig respektiert. Frauen wurden schon immer zu Objekten
       gemacht, und die einzige Statue mit Brüsten in Dublin wird täglich vor den
       Augen unserer Kinder missbraucht. Welche Botschaft vermittelt das?“
       
       29 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Baden-in-Berlin/!5919651
 (DIR) [2] /Dublin/!t5025319
 (DIR) [3] /Folk-Legende-Pete-Seeger-ist-tot/!5049852
 (DIR) [4] /Sinead-OConnor-mit-56-Jahren-gestorben/!5951492
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Sotscheck
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Irland
 (DIR) Frauenfeindlichkeit
 (DIR) Statue
 (DIR) Kolumne Stadtgespräch
 (DIR) Kolumne Stadtgespräch
 (DIR) wochentaz
 (DIR) Irland
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Organisierte Kriminalität in Argentinien: Bandenkriminalität und Drogenhandel
       
       In der Hafenstadt Rosario ist die Mordrate viermal so hoch wie im
       Landesdurchschnitt. Eine Lösung ist auch unter Javier Milei eher fraglich.
       
 (DIR) Model über KI in der Sexindustrie: „Ich wollte mich neu erschaffen“
       
       Sika Moon ist ein KI-Model. Ihre Schöpferin – vorher selbst Model –
       verdient mit pornografischem Bild-Content viel Geld. Was ist das für ein
       Job?
       
 (DIR) Verfassungsreferenden in Irland: Das Familienkonzept erweitern
       
       Bisher hat die traditionelle Rolle der Frau in Irland Verfassungsrang. Das
       sollen zwei Referenden ändern. Falls jemand die Änderungen versteht.