# taz.de -- Whistleblower von Kriegsverbrechen: Haft für Ex-Anwalt in Australien
       
       > Ein australischer Ex-Militäranwalt half, Kriegsverbrechen in Afghanistan
       > aufzudecken. Jetzt wurde er zu einer hohen Haftstrafe verurteilt.
       
 (IMG) Bild: Whistleblower David McBride am 14. Mai in Canberra
       
       „Was sagt es über unsere Demokratie, wenn die erste Person, die im
       Zusammenhang mit Kriegsverbrechen australischer Truppen ins Gefängnis
       kommt, nicht ein Kriegsverbrecher ist, sondern ein Whistleblower?“
       
       So kommentierten Kieran Pender vom Human Rights Law Center in Melbourne und
       Peter Greste von der Alliance für Journalists’ Freedom aus Sydney im
       britischen [1][Guardian] die Verurteilung des australischen Whistleblowers
       David McBride. Der Ex-Militäranwalt war am Dienstag in Canberra wegen
       Geheimnisverrats zu 5 Jahren und 8 Monaten Haft verurteilt worden. Für
       Pender und Greste „ein dunkler Tag für Demokratie und Pressefreiheit in
       Australien“.
       
       Der einstige Elitesoldat McBride hatte sich über das Verhalten
       australischer Kommandeure im Afghanistankrieg empört. Die hätten [2][das
       Verhalten ihrer Untergebenen] aus Angst vor einer kritischen Öffentlichkeit
       viel zu penibel untersuchen lassen und sie so Verdächtigungen ausgesetzt,
       statt sich selbstbewusst vor sie zu stellen. Als interne Beschwerden nicht
       fruchteten, wandte sich McBride an das Verteidigungsministerium und die
       Polizei. Vergeblich.
       
       Darauf stahl er zwischen Mai 2014 und Dezember 2015 hunderte geheimer
       Militärdokumente und übergab sie dem Journalisten Dan Oakes des
       öffentlich-rechtlichen Senders ABC. Doch der Journalist kam bei Sichtung
       des Materials zu einem anderen Schluss: Die von ihm auf Basis der Dokumente
       produzierte siebenteilige Serie „The Afghan Files“ zeigte mutmaßliche
       Kriegsverbrechen australischer Soldaten. „Je mehr Material ich mir
       anschaute, konnte ich immer weniger nachvollziehen, dass diese Typen zu
       sehr überwacht worden seien. Es war genau das Gegenteil der Fall“, so Oaks
       bei ABC.
       
       ## Tiefpunkt in Australiens Mediengeschichte
       
       Ein Untersuchungsbericht – der [3][Bereton-Report des
       Verteidigungsministeriums] vom Dezember 2020 – fand Indizien für 39
       mutmaßliche Morde an afghanischen Zivilisten und Gefangenen durch
       australische Elitesoldaten zwischen 2006 und 2016. Einmal hätten sie einen
       schlafenden Sechsjährigen erschossen, mehrfach seien getöteten
       Unbewaffneten nachträglich Waffen untergeschoben worden, um die Tötungen zu
       rechtfertigen.
       
       In Australien kamen die Ermittler schnell auf McBride als Quelle der
       Enthüllungen. Er konnte sich zunächst für ein Jahr nach Spanien absetzen,
       wurde aber bei seiner Rückkehr festgenommen. Ein absoluter Tiefpunkt in
       Australiens Mediengeschichte war dann die Durchsuchung der Zentrale von ABC
       in Sydney im Jahr 2019. Dort wurde allerdings im Unterschied zu
       Durchsuchungen in McBrides Haus kein belastendes Material gefunden.
       
       Schließlich nahm die Justiz Abstand davon, auch Oaks und seinen Producer
       für die Veröffentlichung der Enthüllungen anzuklagen. Das wäre dann wohl
       doch eine zu große Einschränkung der Pressefreiheit gewesen, zumal auch
       immer klarer geworden war, dass die Enthüllungen sehr wohl im öffentlichen
       Interesse waren. Abgesehen davon bekennt sich Australien, das Heimatland
       des Wikileaks-Gründers Julian Assange, sogar offiziell zum Schutz von
       Whistleblowern. Doch zeigt die Verurteilung von McBride jetzt nach Ansicht
       von Beobachtern, dass es damit nicht weit her ist.
       
       Im November 2023 hatte sich dieser vor Gericht ohne Umschweife für schuldig
       bekannt, schließlich habe er seiner Meinung nach im öffentlichen Interesse
       und im Rahmen seines Diensteides als Militäranwalt gehandelt. Das Gericht
       hielt ihm immerhin zugute, dass er nicht aus Geldgier gehandelt habe und
       nicht um Australien absichtlich zu schaden. Dennoch begründete Richter
       David Mossop das unerwartet harte Urteil auch damit, dass es abschrecken
       solle.
       
       Australiens sozialdemokratischer Premier Anthony Albanese weigerte sich auf
       Nachfrage, das Urteil zu kommentieren. Denn da sei wohl noch nicht das
       letzte Wort gesprochen. McBrides Anwalt hat schon Berufung angekündigt. Im
       Index der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen 2024 ist Australien auf
       den 39. Platz abgerutscht, im Vorjahr lag es noch auf Rang 27.
       
       16 May 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.theguardian.com/media/commentisfree/article/2024/may/14/the-jailing-of-david-mcbride-is-a-dark-day-for-democracy-and-press-freedom-in-australia
 (DIR) [2] /Kriegsverbrechen-in-Afghanistan/!5729873
 (DIR) [3] https://www.defence.gov.au/about/reviews-inquiries/afghanistan-inquiry
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sven Hansen
       
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