# taz.de -- Israel und der IStGH: Von „Spiegel“ bis „Pleite“
       
       > Dass der IStGH-Chefankläger gegen Netanjahu vorgeht, spaltet Israel. Der
       > Premier spricht von Antisemitismus, Linke begrüßen die Entscheidung.
       
 (IMG) Bild: Unter Druck: Israels Verteidigungsminister Gallant und Regierungschef Netanjahu
       
       JERUSALEM taz | Joseph Kony, Muammar al-Gaddafi, Wladimir Putin – zu dieser
       Riege der vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) Gesuchten könnten
       bald auch Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und
       Verteidigungsminister Joav Gallant gehören. [1][Am Montag hat der
       Chefankläger des IStGH, Karim Khan, Haftbefehle für die beiden israelischen
       Politiker sowie für drei führende Köpfe der Hamas – Jahja Sinwar, Ismael
       Haniyeh und Muhammad Deif – beantragt].
       
       Der Shitstorm in Israel ließ nicht lange auf sich warten: Khan geselle sich
       mit seiner Entscheidung zu den größten Antisemiten der modernen Zeit,
       erklärte Netanjahu in einem Videostatement. Auch Benny Gantz – eine
       gemäßigtere Stimme in der israelischen Regierung und Kritiker Netanjahus –
       nannte Khans Entscheidung eine „moralische Pleite“.
       
       Außenminister Israel Katz erklärte, die Entscheidung sei ein „direkter
       Angriff“ auf die Opfer des 7. Oktober und die Geiseln, die noch immer in
       Gaza festgehalten werden. Er habe sein Ministerium sofort instruiert, eine
       „Kommadozentrale“ zu bilden, die gegen die Entscheidung vorgehen solle, so
       Katz.
       
       Oppositionsführer Jair Lapid wählte hingegen einen eher pragmatischen
       Ansatz. Im Radio der israelischen Armee erklärte er am Dienstag: Nun sei
       für Netanjahu der Zeitpunkt gekommen, sich um Normalisierung mit
       Saudi-Arabien zu bemühen und einem Pfad zu einem palästinensischen Staat
       zuzustimmen. Der IStGH werde „keinen Ministerpräsidenten verfolgen, der
       inmitten eines historischen Friedensprozesses ist“.
       
       Die Gleichstellung zweier israelischer Politiker mit Führern der Hamas sei
       zwar ärgerlich, schreibt die linke Zeitung Haaretz. Doch Netanjahu selbst
       habe strategische Fehler begangen, die ihn nun in diese Situation gebracht
       hätten. Er habe jahrelang alle Warnungen ignoriert, und den Konflikt
       zwischen Israel und den Palästinensern befeuert. Dass es nun soweit sei,
       dass ihm wegen Kriegsverbrechen der Prozess gemacht werden könnte, müsse
       jeden Israeli beunruhigen.
       
       Hadash sieht sich bestätigt 
       
       Deutliche Kritik an Netanjahu und Gallant sowie Zustimmung für das Vorgehen
       des IStGH kommt aus dem linken politischen Spektrum: Auf dem sozialen
       Netzwerk X erklärte Hadash, ein Listenverbund sozialistischer Parteien, der
       mit mehreren Abgeordneten in der Knesset vertreten ist: Die Entscheidung
       des Chefanklägers sei eine Botschaft an Israel.
       
       Es könne nicht länger „auf seinem Pfad – Gewalt, Besatzung, Töten und
       Zerstörung – weitergehen“, ohne zur Verantwortung gezogen zu werden. Auf
       Anfrage der taz erklärte Hadash weiter: Der IStGH sei „nichts als ein
       Spiegel“. Die israelische Gesellschaft müsse „hineinblicken und sich
       fragen: Sind wir bereit, weiterhin ein Komplize dieser Verbrechen zu sein?“
       
       Israel scheint gespalten: Während das Vorgehen des IStGH auch einige
       scharfe Kritiker Netanjahus zu dessen Verteidigung eilen lässt, sehen
       andere bestätigt, wovor sie seit Langem warnen: dass Netanjahu und seine
       Verbündeten mit ihrem harten Vorgehen gegen die Palästinenser – ob man das
       nun als Verbrechen bewerten möchte oder nicht – ihr Land weiter und weiter
       in einen diplomatischen Abgrund reißen.
       
       Noch sind die Haftbefehle aber nicht ausgestellt: Der Antrag von
       Chefankläger Karim Khan ist der erste konkrete Schritt, um ein
       IStGH-Verfahren in Gang zu bringen. Über deren Ausstellung muss die
       Vorverfahrenskammer des Gerichts entscheiden. [2][Sollten die Richter
       zustimmen, wären alle Vertragsstaaten des IStGH – darunter Deutschland –
       verpflichtet, die Gesuchten festzunehmen].
       
       21 May 2024
       
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