# taz.de -- Belastete Atmosphäre beim Tesla-Ja: Das geht etwas den Bach runter
       
       > Grünheides Gemeindevertretern in einem auf repräsentativer Demokratie
       > beruhenden System vorzuwerfen, dass sie selbst entscheiden, ist
       > undemokratisch.
       
 (IMG) Bild: Feindbild Tesla
       
       Das sei ein herber Schlag für die Demokratie, [1][war schnell nach der
       Abstimmung zu hören], die am Donnerstagabend grünes Licht für eine
       Erweiterung der Tesla-Fabrik in Grünheide gab. „Die Mehrheit der Menschen
       in Grünheide hat gegen die Erweiterung gestimmt“, so die Behauptung von
       Kritikern – und das habe die Gemeindevertretung nun mit ihrem positiven
       Votum ignoriert. 11 zu 6 bei 2 Enthaltungen war die Abstimmung in der
       Müggelspreehalle ausgegangen.
       
       Aber ist das so? Gab es bei der rechtlich unverbindlichen Bürgerbefragung –
       nicht Bürgerentscheidung – von Mitte Januar bis Mitte Februar tatsächlich
       eine Mehrheit gegen eine grundsätzliche Erweiterung der im Frühjahr 2022
       eröffneten Fabrik? Da sollte [2][ein Blick auf den damaligen Stimmzettel]
       helfen. Die Frage darauf lautete: „Sollen weitere 100 Hektar Wald (im
       Landschaftsschutzgebiet) in der Gemarkung Grünheide (Bebauungsplan Nr.60)
       in eine Industriefläche umgewandelt werden, die für Logistik, Lagerhaltung
       und soziale Gebäude genutzt werden?“
       
       Die Frage lautete also eben nicht, ob man für oder gegen ein Erweiterung an
       sich sei – es ging konkret um eben jene 100-Hektar-Baumfäll-Pläne. Aktuell
       ist das Fabrikgelände rund 300 Hektar groß – ein Hektar entspricht mit
       10.000 Quadratmetern ungefähr der Fläche von eineinhalb Fußballplätzen.
       
       Diese 100-Hektar-Baumfällpläne wollte eine Zwei-Drittel-Mehrheit
       tatsächlich nicht, und das erzielte eine Wirkung. Der parteilose
       Bürgermeister Arne Christiani [3][schlug zügig einen Kompromiss vor], nach
       dem nur noch fast 50 Hektar Wald wegfallen, aber rund 70 Hektar bleiben.
       Anders als im Ursprungentwurf soll es nicht um wertvolle Mischwaldfläche
       gehen, sondern um Kiefer-Monokulturen.
       
       ## Erschreckende Drohung
       
       Also um die Hälfte weniger Kahlschlag, wodurch der wertvollste Bestand
       weitgehend geschützt bleibt. Zugleich kann so Verkehrsinfrastruktur
       entstehen – Autobahnanschluss, Eisenbahnüberquerung, Bahnhofsvorplatz und
       Landstraße –, die nicht bloß Tesla zugute kommt, sondern von der Gemeinde
       und Region profitieren. Vor diesem Hintergrund von einem „herben Schlag
       gegen die Demokratie“ zu sprechen, ist selbst ein Hieb gegen die Demokratie
       – und zwar einer unter die Gürtellinie.
       
       Nicht die Abstimmung der 19-köpfigen [4][Grünheider Gemeindevertretung]
       muss Angst um die Demokratie machen, sondern die Atmosphäre vor und bei der
       Sitzung am Donnerstag. Wenn eine derartige Entscheidungsfindung nur unter
       Polizeischutz möglich ist, wenn anwesende Tesla-Manager es für nötig
       hielten, [5][einen Personenschützer mitzubringen], wenn es Drohungen gegen
       die Entscheider gibt, dann geht tatsächlich etwas den Bach runter.
       
       Der Kollege des Tagespiegel [6][zitierte einen erschreckenden Satz] aus der
       Einwohnerfragestunde, die in der mit rund 200 Menschen gefüllten
       Müggelspreehalle der Abstimmung voran ging. „Wenn der Bebauungsplan
       beschlossen wird“, äußerte sich demnach ein Mann aus dem Publikum, „kann
       ich Ihnen versichern, dass Sie als Gemeindevertreter kein schönes Leben
       mehr haben werden.“
       
       Es mag berechtigte Kritik an der Tesla-Fabrik und an der Art und Weise der
       Erweiterung geben. Wie etwa die Wasserversorgung der Region dauerhaft mit
       der Produktion in Einklang zu bringen ist, wirkt nicht abschließend
       geklärt. Aber es ist purer Populismus, den ehrenamtlichen Politikern zu
       unterstellen, sie hätten sich unter Druck setzen lassen oder – was auch
       unausgesprochen in solchen Fällen immer mitschwingt – kaufen lassen.
       
       Die in der Müggelspreehalle zu hörende Forderung, auch zum neuen, deutlich
       veränderten Baumfällplan alle Einwohner zu befragen, ignoriert das System
       der repräsentativen Demokratie, mit dem die in diesen Tagen 75 Jahre
       werdende Bundesrepublik gute Erfahrungen gemacht hat. Grünheides
       Wählerschaft hat [7][bei der Kommunalwahl 2019] Entscheidungsmacht an eben
       jene 19 Menschen übertragen, die nun abzustimmen hatten. Sie hatten auf
       örtliche Proteste gegen die Erweiterung mit der Bürgerbefragung reagiert,
       der abgespeckte Plan war das Ergebnis. Sie dafür zu Antidemokraten zu
       erklären, ist selbst nur eines: antidemokratisch.
       
       18 May 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.instagram.com/tesla_den_hahn_abdrehen/reel/C7CmXpZMjiQ/
 (DIR) [2] https://www.gruenheide-im-blick.de/ergebnis-der-einwohnerbefragungen-steht-fest-zweimal-klare-ablehnung/
 (DIR) [3] https://www.rbb24.de/wirtschaft/beitrag/2024/03/tesla-gelaende-erweiterung-waldflaechen-erhalten.html
 (DIR) [4] https://www.gruenheide-mark.de/politik/mitglieder/gremium/7106/gemeindevertretung?browser=1
 (DIR) [5] /Gemeinderat-fuer-Fabrikerweiterung/!6011138
 (DIR) [6] https://www.tagesspiegel.de/potsdam/brandenburg/tesla-erweiterung-in-brandenburg-gemeindeparlament-grunheide-stimmt-fur-guterbahnhof-11671232.html
 (DIR) [7] https://www.wahlergebnisse.brandenburg.de/wahlen/KO2019/tabelleLandkreis.html#67201201
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Alberti
       
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