# taz.de -- Tourismusförderung in der EU: In aller Ruhe durch den Kontinent
       
       > Der Europäische Fonds für regionale Entwicklung formt das touristische
       > Gesicht Europas. Nachhaltiges Reisen kann die Urlauberströme entzerren.
       
 (IMG) Bild: Grenzenlose Fortbewegung: Radeln auf dem Iron Curtain Trail bei Haugsdorf in Österreich
       
       BERLIN taz | Mit dem 49-Euro-Ticket ganz Europa bereisen. Ein Traum, der
       zweifellos zu einem nachhaltigen Tourismus in Europa beitragen würde, zur
       Entzerrung der Touristenströme, die längst viele Destinationen zerstören
       und auslaugen. Voraussetzungen wären die technische Übereinstimmung
       der europäischen Bahnsysteme, damit eine durchgehende Verbindung gewährt
       ist, ohne die Maschinen wechseln zu müssen; ein vereinheitlichtes
       Ticketverkaufssystem für Reiseagenturen und Einzelreisende und die
       Verknüpfung unterschiedlicher Formen des bodenständigen Reisens mit Zug,
       Schiff und Bus sowie die Förderung von Nachtzügen.
       
       Jenseits dieser europäischen Utopie gibt es in der EU bereits viele
       Ansätze, um nachhaltigen Tourismus zu fördern. Vor allem der Europäische
       Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) ist eines der wichtigsten
       Finanzierungsinstrumente touristischer Entwicklung in der EU. Er soll dazu
       beitragen, dass die Unterschiede im Entwicklungsstand der verschiedenen
       Regionen der Union verkleinert und die Lebensbedingungen in den
       strukturschwächsten Regionen verbessert werden. Die Regional- und
       Strukturpolitik der Europäischen Union ist der Bereich, für den die EU das
       meiste Geld ausgibt. Tourismuspolitik ist ein Instrument, mit dem die EU
       allgemeine beschäftigungs- und wachstumspolitische Zielsetzungen umsetzen
       kann.
       
       Und es gibt bereits einen dichten Dschungel von Netzwerken und Projekten
       für nachhaltigen Tourismus in Europa. Dazu gehören die europäischen
       Kulturrouten und Pilgerwege genauso wie europäische Fahrradwege. Gleich die
       erste vom Europarat proklamierte Europäische Kulturroute war ein Erfolg. Es
       war [1][der spanische Jakobsweg Camino de Santiago]. Im Jahr 1987, als die
       Kulturrouten ins Leben gerufen wurden, kannte kaum jemand diesen
       mittelalterlichen Weg. Bereits 1992 kürte die Unesco den Camino de Santiago
       zum Weltkulturerbe.
       
       Die zweite Kulturroute von 1991 setzte andere Akzente. Sie stellte die
       Geschichte des freien Handels, der Koexistenz und des Bürgerschutzes der
       seehandeltreibenden Länder Nordeuropas in den Fokus: die Hanse. Diese
       Kulturroute, vor allem entlang der Ostsee, erinnert an den Bund der
       seefahrenden Kaufleute zwischen dem 13. und 17. Jahrhundert, dem zeitweise
       225 Städte angehörten. Eine Art mittelalterliche EU.
       
       ## Auf den Spuren der Industrialisierung
       
       Ein anderes Mammutprojekt ist die Europäische Route der Industriekultur
       (Kulturroute seit 2019). Deren Netzwerk zählt 26 Mitgliedsländer, die auf
       je unterschiedliche Weise Besuchern und Interessenten einen [2][Zugang zu
       200 Jahren europäischer Industrialisierung] bieten.
       
       Nach Ende des Ost-West-Konflikts konnte Europa wieder anders gedacht
       werden. Es entstand die Route des Eisernen Vorhangs, der Iron Curtain
       Trail: [3][Rund 10.000 Kilometer Radwanderweg] entlang der ehemaligen
       Grenze des Warschauer Pakts. Er wurde 2019 zur Kulturroute erklärt und von
       der EU kofinanziert. Alle 17 Europäischen Radfernwege EuroVelo sind gut
       ausgebaut und bilden eine europäische Rad-Infrastruktur.
       
       Die Kulturrouten des Europarates sind das vielleicht schönste Programm im
       mühsamen Prozess einer europäischen Einigung nach dem Zweiten Weltkrieg.
       Damals galt es, Scherben wegzuräumen. Der Europarat war ein Grundelement
       dafür, er traf die entscheidenden Festlegungen hinsichtlich
       Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, der Menschenrechte, der
       Transnationalität, er stand also für die Maßstäbe der Gestaltung eines
       künftigen Europas. Mit einer „Rahmenkonvention über den Wert des
       Kulturerbes in der Gesellschaft“ (Faro-Deklaration) wurde im Jahr 2005 die
       Bedeutung des kulturellen Erbes als einer Ressource für sozialen
       Fortschritt und eine nachhaltige Entwicklung besonders betont und
       festgeschrieben.
       
       Die europäischen Fernwanderwege führen durch Nationalparks und ländliche
       Regionen abseits der lärmigen Verkehrsrouten und lassen manchmal vergessen,
       wie dicht dieser Kontinent besiedelt ist. Der E1 etwa. Er durchmisst alle
       europäischen Klimazonen. Wer am Polarkreis startet, erreicht auf halber
       Strecke Deutschland. Die Alpenüberquerung auf der Sankt-Gotthard-Route ist
       ein ewiger Hit unter Bergfreunden. Und der lange Weg durch Italien endet an
       der südlichen Grenze Europas, auf Sizilien.
       
       Der taz-Reiseführer „Europa für Eigensinnige“, 2023, 271 Seiten, 24 Euro,
       stellt nachhaltige Reiseziele in Europa vor.
       
       4 Jun 2024
       
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