# taz.de -- EU-Wahlkampf in Hamburg: Mobilisierung mit Meute
       
       > Die Hamburger Initiative „Klare Kante gegen Rechts“ will junge Menschen
       > musikalisch dazu ermutigen, wählen zu gehen. Ob das funktioniert?
       
 (IMG) Bild: Macht Wahlkampf gegen Rechts: die Techno-Marching-Band Meute aus Hamburg
       
       Ist das da draußen Meute?“, fragt eine Frau, die mit der Buslinie X3 in
       Richtung Schenefeld unterwegs ist. „Die haben ja schon ohne uns
       angefangen“, sagt sie weiter und lacht. Der Bus hält: Haltestelle „Achtern
       Born (Kindermuseum)“, gegenüber vom Osdorfer Borncenter. Draußen steht eine
       große Menschentraube, sie ist bunt und tanzt. Aus der Menge ertönen
       Blasinstrumente, Trommeln und Bass.
       
       Die Hamburger Initiative „Klare Kante gegen Rechts“ veranstaltet kurz vor
       der Europawahl mehrere Konzerte, um vor allem junge Menschen zum Wählen zu
       animieren und mit politischen Inhalten vertraut zu machen. Die Konzertreihe
       findet in Vierteln statt, die entweder kulturell wenig bespielt werden oder
       höhere Zustimmungswerte für die AfD aufweisen. Eines dieser Viertel ist
       [1][der Osdorfer Born].
       
       Während ihrer Entstehungszeit in den 1960er Jahren galt die
       Plattenbaugroßsiedlung auf der grünen Wiese im Westen Hamburgs als modernes
       Vorzeigeprojekt, das Menschen aus unterschiedlichen Schichten anziehen und
       den Wohnungsmangel entschärfen sollte. Die Realität vor Ort sah aber
       schnell anders aus: viele Sozialhilfeempfänger, hohe Arbeitslosigkeit,
       Kriminalität. Immer wieder kursierten stigmatisierende Schlagzeilen um den
       Osdorfer Born in den Medien.
       
       Bis heute ist der Stadtteil vom Rest Hamburgs abgeschnitten – die anfangs
       versprochene U-Bahn wurde nie gebaut, schon zum nahe gelegenen Bahnhof
       Altona braucht es fast vierzig Minuten mit dem Bus. Viele der jüngeren
       Osdorfer sind frustriert und haben das Gefühl, dass sie übersehen werden.
       Es fehlt an Perspektiven.
       
       Entlang der Hauptverkehrsstraße des Osdorfer Borns, der Bornheide, stehen
       auffallend große Bäume und Büsche, die blühen. Dahinter ragen die grauen
       Plattenbauten in den wolkenbedeckten Himmel. „Alarmstufe vote“ steht auf
       einem Plakat, das eine Frau in die Höhe hält. Ein paar Köpfe weiter weht
       ein herzförmiger Luftballon im Wind. Kleine Kinder rennen umher, sitzen auf
       den Schultern ihrer Eltern und wippen zu elektronischen Beats. Zwischen den
       Familien entdeckt man hin und wieder Jugendliche, die bei der Europawahl
       zum ersten Mal wählen könnten, aber sie sind in der Minderheit.
       
       ## Warme Töne aus goldenen Blasinstrumenten
       
       Zwischen all den Köpfen muss man nicht lange suchen, um die Musikquelle zu
       finden: Ganz vorne steht die [2][elfköpfige Techno-Marching-Band Meute] in
       roten Jacketts und schwarzen Hosen. Aus ihren goldenen Blasinstrumenten
       erklingen warme, jazzige Töne, die sich über die monotonen elektronischen
       Sounds der Boxen legen.
       
       Kurze Zeit später formiert sich das Geschehen zu einer Parade: Die
       Hamburger Band läuft musizierend die Bornheide entlang, vorbei am
       Borncenter und den markanten Plattenbauten. Hinter ihnen geht ihr Gefolge
       wippend im Takt. Auf den Balkonen der Wohnhäuser, die sich entlang der
       Straße aufreihen, stehen Anwohner*innen und beobachten neugierig, was
       da passiert. Dann biegt die Parade in den Weg ein, der sie zum Bürgerhaus
       Bornheide führt.
       
       Rechts steht ein riesiges Zelt des Circus Abrax Kadabrax. Ein Mädchen auf
       Stelzen und pink-glitzernden Zylinder kommt heraus und schlängelt sich
       durch die Menge, es riecht nach indischen und afghanischen Gewürzen. In
       einer anderen Ecke schlägt eine Gruppe ein Lagerfeuer auf und grillt
       Marshmallows. Am Ende des Weges, direkt neben dem Bürgerzentrum, steht die
       Konzertbühne, vor der die Parade jetzt hält und Meute ihr letztes Stück
       spielen.
       
       „Unsere Gesellschaft ist stark genug, sie ist eine Gesellschaft der
       vielen“, ruft einer der Veranstalter*innen, Applaus und Jubel. Die Menge
       streckt ihre Hände in die Luft als sie gefragt wird, ob sie am Sonntag
       wählen gehen. „Geht auch für diejenigen wählen, die nicht wählen dürfen“,
       sagt eine andere Veranstalterin.
       
       Später klettert eine Handvoll Kinder auf die Bühne, auf der jetzt die
       16-jährige Künstlerin s.a.m steht, und tanzen zu ihrer Musik. In ihrem
       buntem Trainingsanzug rappt s.a.m über rassistische Polizeigewalt auf St.
       Pauli. Als die Musik erlischt, hört man aus dem Off einen kleinen Jungen
       rufen: „Du bist cool, und fuck Nazis!“ Sarah Lasyan
       
       8 Jun 2024
       
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 (DIR) [2] https://www.meute.eu/
       
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 (DIR) Sarah Lasyan
       
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