# taz.de -- berliner szenen: Pommes für mehr Stimmen
       
       Gruppen-Pommes, geiler Name“, meint J. Das bestellen wir, mit allen Soßen
       und extra Chili-Cheese. Die Portion ist so groß, dass wir daran zweifeln,
       sie aufessen zu können. Wir überlegen deshalb, andere Südblock-Gäste zu uns
       einzuladen, lassen es aber sein.
       
       Es ist der Dienstag vor der Wahl. Wir sitzen auf der Terrasse, neben dem
       Brunnen. Es ist gemütlich mit den Wassergeräuschen im Hintergrund, den
       Lichterketten und den Kirschbäumen. Dass der Kotti ruhig ist, stellen wir
       fest und unterhalten uns zunächst über die Tanzstunde, die wir alle vier
       besuchen. Schnell wendet sich die Konversation zu den unvermeidlichen
       Fragen zur Europawahl am Sonntag. Ich beschwere mich darüber, dass ich
       nicht teilnehmen darf, weil ich keinen europäischen Pass besitze. R. sagt,
       dass sie mir ihre Stimme abgeben kann, weil sie so oder so nicht wählen
       geht.
       
       „Warum?“, fragen wir alarmiert im Chor. Sie zählt ihre Gründe auf. Sie
       denke, nichts damit ändern zu können. Sie finde es wichtiger, etwas auf
       kleineren Ebenen, wie zum Beispiel in der Nachbarschaft, zu bewegen, als zu
       glauben, dass Politiker*innen für die Menschen regieren.
       
       „Das eine schließt das andere nicht aus“, sagt J., und E. erzählt, dass sie
       früher auch dachte, dass wählen nichts bringt, aber ihre Meinung geändert
       habe: Gerade sei es entscheidend. „Alle Stimmen zählen“, sagt sie und J.
       und ich nicken.
       
       „Na gut, ihr habt mich zu 40 Prozent überzeugt“, meint R. und wir lachen.
       
       „Wenn wir nächste Woche hier alle weinen und du nicht gewählt hast, dann
       wirst du für immer schlechtes Gewissen haben“, hört sie noch von uns.
       Während des Gesprächs machen wir die Pommes-Schale und alle dazugehörigen
       Soßen leer. „Wir haben es doch geschafft“, sagt J. und damit ist das Thema
       für den Abend abgeschlossen.
       
       Luciana Ferrando
       
       11 Jun 2024
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Luciana Ferrando
       
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