# taz.de -- Kinotipp der Woche: Von Neuem träumen
       
       > Die Kurzfilmreihe „Shorts Attack!“ macht Halt in Berlin. Es gibt Run-Ins
       > mit der iranischen Sittenpolizei, schlafende Hunde und progressive Omas.
       
 (IMG) Bild: Die einen träumen von Knochen, die anderen von Karotten (Filmstill aus Laura Stewarts „Eat Your Carrots“, 2022)
       
       Die sogenannte Sittenpolizei im Iran hat bekanntlich einen ziemlichen
       Fimmel mit Haaren. Wer diese als Frau in der Öffentlichkeit zeigt und den
       vorgeschriebenen Hijab nicht ordnungsgemäß trägt, kann schnell ziemlich
       große Probleme bekommen. Lustig ist das wirklich nicht, was die iranische
       Regisseurin Alireza Kazemipour aber nicht davon abgehalten hat, trotzdem
       einen lustigen Kurzfilm über den staatlichen Umgang mit Haaren im Iran zu
       drehen.
       
       In Kazemipours „Split Ends“ müssen eine Frau und ein Mann bei der
       Sittenpolizei antanzen und werden mit dem Vorwurf konfrontiert, nicht
       angemessen hinter dem Lenkrad ihres Autos gesessen zu haben. Dabei hatte
       sich die Frau ihr Haar abrasiert und fragt also den Beamten der
       Sittenpolizei: Was soll ich eigentlich genau verdecken, ich habe doch eh
       keine Haare mehr?
       
       Der vorgeladene Mann dagegen hat volles, langes Haar und wurde deswegen für
       eine Frau gehalten. Und erfährt nun, egal ob Mann oder Frau: langes Haar
       gehört verdeckt, auch beim Autofahren. Die Regeln sind eh schon absurd, in
       Kazemipours 15 Minuten langem Film erscheinen sie aber noch ein Stückchen
       grotesker als sowieso schon. Das finden dann auch die beiden, die von der
       Sittenpolizei schikaniert werden. Sie lassen sich nicht einschüchtern,
       sondern fordern den Staat heraus. Sie streben nach Freiheit, auch wenn sie
       wissen, dass das im Iran tödlich enden kann.
       
       „Split Ends“ ist einer von zehn Kurzfilmen, die im Rahmen der Reihe „Shorts
       Attack! – Kurze greifen an!“ unter dem Titel „Mit Herz und Hirn“ an ein
       paar Terminen in Berlin zu sehen sind, am 19. Juni im [1][Acud Kino] und am
       23. Juni im [2][Xenon]. Gezeigt werden abwechselnd ein Real- und ein
       Animationsfilm, alle sind relativ aktuell und wurden in den letzten drei
       Jahren produziert.
       
       Thematisch wird auf eine ziemlich bunte Mischung gesetzt. Da gibt es etwa
       einen Film wie „Dream on Leon“ (2022) von Roger Gariépy aus Kanada, der
       sich in die Traumwelt eines Hundes hineinarbeitet. Und nahe legt, dass man
       kein Sigmund Freund sein muss, um dessen Träume zu deuten. Letztendlich
       geht es nämlich um Speck, leckere Würste und einen Fressnapf voller
       Knochen.
       
       Und selbst wenn Leon von seiner Hausbibliothek träumt, stehen in dieser nur
       Bücher mit dem Titel „Bacon“ herum. Das ist ja das Schöne an Kurzfilmen:
       Sich 90 Minuten lang mit der dann doch etwas schlichten Traumwelt eines
       Hundes beschäftigen, das will wohl kaum jemand, aber siebeneinhalb Minuten
       lang ist das sehr unterhaltsam.
       
       „Sharing“ (2021) von Natalia Sara Skorupa dagegen könnte gerne um einiges
       länger gehen als seine 14 Minuten. In dem Kurzfilm aus Polen fragt die
       Filmemacherin in ihrer Familie herum, wie man es in dieser so mit queeren
       Menschen hält. Daraufhin bekommt sie sehr viele nur schlecht verpackte
       Ressentiments zu hören und einen Vortrag darüber, dass Gott nichts von den
       Queeren halten würde, das stehe ja auch genau so in der Bibel.
       
       Allein von der Oma bekommt sie vernünftige Dinge zu hören. Man möchte als
       Betrachter des Films nun unbedingt mehr wissen über diese Familie und die
       vergleichsweise progressiv denkende Oma, aber da sind die 14 Minuten leider
       schon rum.
       
       19 Jun 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://acudkino.de/
 (DIR) [2] http://www.xenon-kino.de/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Hartmann
       
       ## TAGS
       
 (DIR) taz Plan
 (DIR) Kino Berlin
 (DIR) Kurzfilm
 (DIR) Iranisches Kino
 (DIR) Queer
 (DIR) Dokumentarfilm
 (DIR) Kino Polen
 (DIR) taz Plan
 (DIR) taz Plan
 (DIR) taz Plan
 (DIR) taz Plan
 (DIR) Schwerpunkt Berlinale
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Kinotipp der Woche: Queeres Off-Off-Off
       
       Die Reihe „LoLa DaBei“ feiert das queere Kino von Lothar Lambert und Dagmar
       Beiersdorf – und die enge Zusammenarbeit der beiden Filmemacher:innen.
       
 (DIR) Filmempfehlungen für Berlin: Der große Aufstieg
       
       Vom Himalaja zu den Alpen oder gleich auf den Mars: Diese Woche geht es in
       die Höhe mit „Black Narcissus“, „Mars Express“ und dem Alpen Film Festival.
       
 (DIR) Kinotipp der Woche: Von einem, der auszog…
       
       Das Berliner Arsenal Kino zeigt Lothar Großmanns „Einer vom Rummel“. Eine
       Coming-of-age-Geschichte in der DDR zwischen Schaustellerei, Stadt und
       Metall.
       
 (DIR) Kinotipp der Woche: Guter schlechter Geschmack
       
       Aufs Feinste subversiv: Das Hackschen Höfe Kino zeigt Filme der Queer
       Cinema-Legende John Waters, darunter die Tanz-TV-Komödie „Hairspray“ mit
       Divine.
       
 (DIR) Iranische Regisseurin über Zensur: „Sie wollen, dass wir vergessen“
       
       Wer private Filme sammelt, rettet die Geschichten der Menschen. Ein
       Gespräch mit der iranischen Regisseurin Farahnaz Sharifi über „My Stolen
       Planet“.