# taz.de -- Spielkritik „Shadow of the Erdtree“: Alles Gold, was glänzt
       
       > „Elden Ring“ veröffentlicht eine neue Erweiterung des Videospiels. Sie
       > ist künstlerisch sehr hochwertig und zugleich preisgünstig.
       
 (IMG) Bild: „Shadow of the Erdtree“, die Fortsetzung von „Elden Tree“
       
       Ein Blumenfeld erstreckt sich bis zum Horizont, auf dem sich durchsichtige,
       gespenstische Grabsteine sammeln. In der Ferne, hinter zahlreichen
       Burgruinen und Gebirgsketten versteckt, ragt ein morscher, bedrohlich
       wirkender Baum in das Firmament hinein. Der Himmel scheint selbst Teil des
       Baumes zu sein und hängt wie ein Vorhang an seinen Ästen. Aus dem Inneren
       des Gewächses tropft goldenes Harz, das sich über die Trümmer einer einst
       großen Burg ergießt.
       
       Das erste Bild, das man [1][im Spiel] „Shadow of the Erdtree“ sieht, ist
       atemberaubend. Und es ist nicht das letzte Mal, dass man mit offenem Mund
       auf den Bildschirm starrt und sich fragt, wie die Entwickler:innen ein
       [2][solches Kunstwerk] schaffen konnten.
       
       Dabei ist „Shadow of the Erdtree“ kein eigenständiges Spiel, sondern die
       erste und einzige Erweiterung von „Elden Ring“, 2022 erschienen. Damals
       gewann es nahezu jeden Preis, wurde ein Millionen-Bestseller und gilt als
       eines der qualitativ hochwertigsten Spiele der letzten Jahre.
       
       Mit „Elden Ring“ stellte sich das japanische Studio FromSoftware auch gegen
       die gängigen Trends der Gaming-Industrie. Mit „Shadow of the Erdtree“
       zeigen sie wieder einmal, wie viel Erfolg sie mit ihrer Absage an die
       Trends haben.
       
       Die Gaming-Industrie ist so profitorientiert wie kaum eine andere. Ein
       modernes Spiel kostet bei der Neuerscheinung oft 70 Euro. Dazu kommen meist
       In-Game-Käufe, also virtuelle Inhalte, die man nur gegen weiteres Geld
       kaufen kann. Beliebte Multiplayerspiele wie „Fortnite“, „Call of Duty“ oder
       „EA Sports FC“ (ehemals „FIFA“) bekommen monatlich, teils sogar wöchentlich
       neue Inhalte.
       
       Die Spieler:innen werden permanent mit neuen, kostspieligen Inhalten
       konfrontiert. Die Industrie denkt ihre Produkte inzwischen primär als
       „Games als Service“. Dabei wird ein Spiel zyklisch mit neuen Inhalten
       versorgt, um die Spieler:innen weiter zu Ausgaben zu motivieren. Das
       Problem ist nicht nur eine Übersättigung, sondern auch die Lieblosigkeit,
       die in vielen neuen Spielen steckt.
       
       ## Wie ein eigenständiges Spiel
       
       [3][Der Profit] steht im Vordergrund, die künstlerischen Ambitionen treten
       zurück. Genau dort setzt FromSoftware an. Mit „Elden Ring“ gelang dem
       Studio ein Paukenschlag, der in der Industrie unüberhörbar war. Man konnte
       mehrere Hundert Stunden in der bildschönen Fantasy-Welt verbringen, ohne
       auch nur einen zusätzlichen Cent investieren zu müssen.
       
       Die Spielwelt war komplex, die Kämpfe waren anspruchsvoll und motivierend.
       Nach über zweieinhalb Jahren erscheint mit „Shadow of the Erdtree“ nun die
       einzige Erweiterung von „Elden Ring“.
       
       Die meisten Spiele sind nach dieser Zeit längst am Ende ihres Lebenszyklus
       oder bereits vergessen. Wenn man nicht wüsste, dass „Shadow of the Erdtree“
       nur eine Erweiterung ist, würde man es für ein eigenständiges Spiel halten.
       
       Eilige Spieler:innen können das neue Abenteuer in knapp 15 Stunden
       beenden. Doch wer hier nur auf das schnelle Durchspielen aus ist, verpasst
       den Kern des Spiels.
       
       Es ist der Reiz am Entdecken, den bereits „Elden Ring“ und nun auch dessen
       Fortsetzung ausmacht. Lässt man sich auf die Welt des Schattenlands und die
       kryptische Handlung rund um alte Götter und die mystische Figur Miquella
       ein, reicht die Spielzeit weit über 40 Stunden. Bei einem Preis von 40 Euro
       ist das fair.
       
       Hidetaka Miyazaki, der Game Director und Architekt von „Elden Ring“ und der
       Erweiterung, stellt den Mehrwert für die Spieler:innen in den
       Mittelpunkt. Als Präsident des Unternehmens FromSoftware stellt er sich
       auch in der Unternehmensführung gegen die negativen Trends der Industrie.
       
       Während die Gaming-Branche momentan durch ihre Massenentlassungen
       Schlagzeilen macht, lehnt er diese entschieden ab – und hält Wort.
       Miyazakis Unternehmen ist eines der wenigen Beispiele für Rückgrat in der
       Gaming-Industrie. Und auch bei „Shadow of the Erdtree“ ist alles Gold, was
       glänzt.
       
       21 Jun 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Neues-Videospiel-ueber-Literatur/!6013332
 (DIR) [2] /Videospiel-Final-Fantasy-VII-Rebirth/!5990915
 (DIR) [3] /Arbeitsbedingungen-in-der-Game-Branche/!5959715
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Seng
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Games
 (DIR) Videospiele
 (DIR) Franz Kafka
 (DIR) Games
 (DIR) Games
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Neues Videospiel über Literatur: Zocken mit Kafka
       
       Franz Kafka erlebt anlässlich seines 100. Todestages einen regelrechten
       Hype. Dazu gehört nun auch das Videospiel „Playing Kafka“.
       
 (DIR) Videospiel Final Fantasy VII Rebirth: Fantastische Wiedergeburt
       
       „Final Fantasy VII Rebirth“ ist die Neuauflage eines Videospiel-Klassikers.
       Die Geschichte um den Soldaten Cloud hat nichts an Faszination verloren.
       
 (DIR) „Alan Wake II“ ist ein Meisterwerk: Das interessanteste Game des Jahres
       
       Im Spiel „Alan Wake II“ verschmelzen Medien, Erzählungen, Wahrheit und
       Wahnsinn. Das Game ist das vielleicht beste des Jahres.